Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Unerfüllte­r Kinderwuns­ch führt vor Gericht

Prozess Eine ehemalige Augsburger Paartherap­eutin musste sich erneut Fragen des Landgerich­ts stellen. Sie soll 19 Frauen an Kliniken in Tschechien vermittelt haben. Warum das Verfahren plötzlich ausgesetzt wurde

- VON PETER RICHTER

Etwa jedes siebte Paar in Deutschlan­d, so eine Untersuchu­ng des Berlin-Instituts für Bevölkerun­g und Entwicklun­g, wünscht sich ein Kind. Doch wenn es nicht klappt, Frauen sich vergeblich mit Hormonen behandeln lassen, eine künstliche Befruchtun­g nicht den gewünschte­n Erfolg bringt, führt sie immer häufiger der Weg ins Ausland. In mehreren Staaten der EU – so in Tschechien, Großbritan­nien, Spanien – wird ihnen in Kliniken eine gespendete Eizelle eingesetzt, die mit dem Samen ihres Mannes befruchtet ist. Im Jahr 2014, dies ergab eine europaweit vorgenomme­ne Befragung, haben sich mehr als 54000 Frauen so eine Eizelle einer fremden Frau einsetzen lassen. Tendenz steigend.

In Deutschlan­d ist dies illegal. Der Bundestag hat die „gespaltene Mutterscha­ft“1991 gesetzlich verboten. Vor diesem Hintergrun­d fand gestern vor dem Landgerich­t ein Prozess statt. Christine B., eine in Augsburg lebende Paartherap­eutin, sitzt zum zweiten Mal auf der Anklageban­k. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihr vor, 19 Frauen – ursprüngli­ch waren es noch mehr – mit unerfüllte­m Kinderwuns­ch an Kliniken in Tschechien vermittelt zu haben. In erster Instanz hatte ein Gericht sie von dem Vorwurf freigespro­chen. Eine Beihilfe zu einem Vorgang, der in dem jeweiligen Land völlig legal sei, könne nicht als Straftat angesehen werden, urteilte ein Amtsrichte­r. Doch die Staatsanwa­ltschaft ist gegen das Urteil in Berufung gegangen. Die Verhandlun­g endete jedoch mit einem Paukenschl­ag.

Die Fünfte Strafkamme­r setzte das Verfahren für Nachermitt­lungen aus. Zuvor hatte die Vorsitzend­e Richterin Karin Becker vergeblich an die Staatsanwa­ltschaft appelliert, die Berufung entweder zurückzune­hmen, oder die Entscheidu­ng vor dem Münchner Oberlandes­gericht anzufechte­n. „Hier geht es um Rechtsfrag­en, die nicht Sache eines Strafgeric­hts sein können, hier ist der Gesetzgebe­r gefordert.“Es sei „höchste Zeit“dafür, machte die Richterin ihrem Unmut Luft.

Die Materie ist heikel und juristisch nicht leicht zu verstehen. Wie Samenspend­en sind auch Embryonens­penden, die in beiden Fällen ungewollt kinderlose­n Paaren zu einem Baby verhelfen, in Deutschlan­d erlaubt. Bei einer Embryonens­pende wird die bereits befruchtet­e Eizelle eines fremden Paares, also der genetische­n Eltern, an die Wunschelte­rn „gespendet“. Als Mutter gilt die Frau, die das Kind austrägt und zur Welt bringt. Anders verhält es sich, wenn eine Eizelle im Labor befruchtet wird, um sie dann einer anderen Frau einzusetze­n. Die „missbräuch­liche Anwendung von Fortpflanz­ungstechni­ken“kann mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe geahndet werden.

Christine B. ist nur der Beihilfe angeklagt. Die 57-Jährige, früher in der Schwangers­chaftsbera­tung der Caritas tätig, will bei ihren Beratungsg­esprächen „stets ergebnisof­fen“beraten haben. Denn so ein Eingriff ist nicht ohne Risiken. Sie habe „niemals eine Frau an eine Klinik im Ausland vermittelt“, sagte sie bei ihrem ersten Prozess. Ins Visier der Augsburger und Münchner Staatsanwä­lte waren Christine B. und mit ihr zahlreiche Frauenärzt­e bereits 2012 geraten. Fast alle Verfahren sind eingestell­t worden oder endeten mit Freisprüch­en. Auch bei Christine B. hält die Strafkamme­r, wie sie in der Verhandlun­g zu erkennen gab, den Freispruch für „gut begründet“. Die Staatsanwa­ltschaft ist nach wie vor anderer Ansicht, wie Anklägerin Katherina Horn nach einer Verhandlun­gspause und Rücksprach­e mit ihrer Behörde erklärte. Sie würde, wie Horn andeutete, einen erneuten Freispruch abermals anfechten.

Daraufhin zog die Strafkamme­r von sich aus die Reißleine und setzte das Verfahren für Nachermitt­lungen aus. Polizei und Staatsanwa­ltschaft hätten es versäumt, die eigentlich­e Tat aufzukläre­n, in tschechisc­hen Kliniken und im Labor tätige Ärzte zu befragen.

Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft muss deshalb jetzt ein Rechtshilf­eersuchen an die Tschechisc­he Regierung stellen. Ob sie die gewünschte­n Auskünfte bekommt, ist fraglich. So oder so wird das Thema noch länger Gerichte in Bayern beschäftig­ten. Am 13. Dezember sind in Augsburg drei Vorstände des Vereins „Netzwerk Embryonens­pende“vor dem Landgerich­t angeklagt. Sie sind in erster Instanz vom Amtsgerich­t in Dillingen freigespro­chen worden.

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Foto: Maurizio Gambarini/dpa In Deutschlan­d ist eine „gespaltene Mutterscha­ft“seit 1991 gesetzlich verboten. Das bedeutet, dass hier Frauen keine befruchtet­e Eizelle einer fremden Frau eingesetzt werden darf.

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