Augsburger Allgemeine (Land Nord)
SPD: Abgeordneter fordert Rücktritt von Nahles
Parteien Nach der Beförderung des Verfassungsschutzchefs Maaßen sagt der Stadtberger SPD-Politiker Herbert Woerlein: „Jetzt reicht’s.“Und seine Kollegin Simone Strohmayr stellt die Koalition in Berlin infrage
Landkreis Augsburg Die Beförderung des umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär im Innenministerium treibt den SPDLandtagsabgeordneten Herbert Woerlein auf die Barrikaden. Er nimmt die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles ins Visier und fordert ihren Rücktritt. Er geht damit noch weiter als die bayerische SPD-Landesvorsitzende Natascha Kohnen. Sie verlangt bislang lediglich die Rücknahme der Beförderung.
Die ebenfalls aus Stadtbergen kommende SPD-Landtagsabgeordnete Simone Strohmayr, die als stellvertretende Fraktionsvorsitzende ihrer Partei zum landespolitischen Spitzenpersonal der SPD gehört, stellte dagegen die Koalitionsfrage. „Die Regierung passt nicht“, sagte Strohmayr gestern gegenüber unserer Zeitung. Sie sei an einem Punkt angelangt, „wo man die Koalitionsfrage stellen muss“. Nach Strohmayrs Ansicht ist nicht Nahles das eigentliche Problem, sondern CSUChef und Innenminister Horst Seehofer. Schließlich habe dieser die Entscheidung getroffen, Maaßen zu befördern.
Woerlein arbeitet sich dagegen an Nahles und ihrer Rolle ab. In einer Erklärung, die unserer Zeitung vorliegt, schreibt der Politiker aus Stadtbergen, der seit fünf Jahren im Landtag sitzt und sich im Augsburger Land um die Wiederwahl bewirbt, er sehe die Werte der Sozialdemokratie gefährdet.
Woerlein: „Ich habe akzeptiert, dass sich zwei Drittel meiner Genossinnen und Genossen für eine Koalitionsregierung entschieden haben. Ich akzeptiere nicht, dass meine Partei jetzt Seehofer im Amt hält und Maaßen befördert.“
Der ehemalige Schulleiter der Realschule Neusäß geht mit seiner Parteivorsitzenden hart ins Gericht: „Andrea Nahles trägt die Verantwortung. Sie führt eine Partei mit klar definierter sozialer und demokratischer Grundausrichtung. Wenn dagegen so massiv verstoßen wird, dann müsste sie Haltung zeigen. Dies hat die Vorsitzende nun zum wiederholten Male nicht getan. Ihr Rücktritt ist deshalb nicht nur angebracht, sondern notwendig, um die derzeitige Irrfahrt der Sozialdemokratie zu beenden.“
Zustimmung erfährt Woerlein vom SPD-Kreisvorsitzenden Florian Kubsch. Die Erklärung Woerleins stelle zwar dessen Privatmeinung dar, „aber ich bin nicht weit von der Auffassung von Herbert Woerlein entfernt“, sagte Kubsch auf Anfrage unserer Zeitung. Beide hatten zu den erklärten Gegnern einer Regierungsbeteiligung in Berlin gehört, in die Nahles die SPD geführt hat. Laut Kubsch will sich der Kreisvorstand der SPD demnächst mit der Entwicklung befassen. Die Reaktionen vieler Mitglieder schildert er so: „Blankes Entsetzen.“Maaßen sei befördert worden, obwohl er als Chef einer Sicherheitsbehörde Zweifel an der Echtheit eines Videos geäußert habe, ohne dafür Beweise zu haben. Kubsch: „Er hat Fake News verbreitet, das geht gar nicht.“
Woerlein, der seit März jeden Samstag auf einem anderen Marktplatz in Schwaben haltmacht, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen, sorgt sich indessen um seine Partei: „Es macht mich traurig, mit anzusehen, wie sich immer mehr Menschen von der SPD abwenden.“
Rücktrittsforderungen in Richtung des Spitzenpersonals hat es im Augsburger Land auch schon bei der Konkurrenz der SPD gebeben. Anfang des Jahres 2016 hatte Landrat Martin Sailer (CSU) Kanzlerin Angela Merkel zum Rücktritt aufgefordert, falls die CDU-Chefin die Asylkrise nicht in den Griff bekomme. Nach der vergeigten Bundestagswahl 2017 hatte der CSU-Kreisvorstand für die eigene Partei eine personelle Neuaufstellung an der Spitze gefordert. Das Ergebnis ist bekannt: Seehofer und Merkel haben mit Nahles im Streit über Maaßen jenen Kompromiss ausgehandelt, der Woerlein jetzt so auf die Palme bringt. »Kommentar