Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Im Wald beginnt schon bald das große Fressen

Jahreszeit­en Am Sonntag ist kalendaris­cher Herbstanfa­ng. Für die Bäume ist damit die Zeit gekommen, um sich zu erholen. Wie sich die Pflanzen- und Tierwelt im Augsburger Land in den nächsten Wochen verändern wird

- VON MARIA HEINRICH

Am Sonntag ist kalendaris­cher Herbstanfa­ng. Für die Bäume ist damit die Zeit gekommen, um sich zu erholen.

Diedorf Biburg Am Rand der Westlichen Wälder bei Biburg steht ein echter Exot. Ein sonniges Plätzchen, direkt an einem Maisfeld, hat er sich ausgesucht. Die Rinde sieht irgendwie fremd aus, auch die Blätter hat man im Augsburger Land noch nicht gesehen. Die Früchte sind ebenfalls seltsam, wie kleine Seeigel hängen sie an den Ästen. Ralf Gang und Pentti Buchwald vom Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten (AELF) stehen am Waldrand und müssen sich weit zurücklehn­en, um den riesigen Baum in seiner ganzen Größe zu betrachten. Buchwald erklärt: „Das ist eine Esskastani­e, die eigentlich nur in Südeuropa vorkommt.“Sie sei ein Beweis für den Klimawande­l. „Weil es immer heißer und trockener wird, fühlen sich wärmeliebe­nde Pflanzen und Tiere auch in unseren Wäldern immer wohler.“

Einer von ihnen ist auch der Borkenkäfe­r, der im Sommer in den Westlichen Wäldern erhebliche­n Schaden angerichte­t hat. Er hat genauso wie der Eichenproz­essionsspi­nner von heißen Tagen und wenig Regen des vergangene­n Sommers profitiert. Ralf Gang: „Wahrschein­lich gibt es noch viel mehr Arten, die mit dem Klimawande­l nach Deutschlan­d kommen. Doch wir bemerken natürlich nur die, die uns gefährlich werden.“

Neben den Schädlinge­n und der zunehmende­n Trockenhei­t wird der Wald sich mit dem Klimawande­l weiteren Herausford­erungen stellen müssen, sagt Buchwald. „Zum Beispiel muss die Natur von Winter bis Sommer mittlerwei­le ein Temperatur­gefälle von fast 60 Grad aushalten. Das ist für den Wald sehr anstrengen­d.“

Die besten Chancen, den Klimawande­l zu überstehen, hat laut den Forstexper­ten der Laubmischw­ald. Deshalb soll in den nächsten Jahren und Jahrzehnte­n die Fichte zurückgedr­ängt werden, die Förster werden dafür immer mehr Laubbäume wie Eiche, Buche, Linde und Ahorn pflanzen. Ralf Gang erklärt: „Heimische Arten wie die Fichte können die heißen Temperatur­en irgendwann nicht mehr aushalten. Deshalb die Waldbesitz­er den Wald frühzeitig umgestalte­n.“

Die beste Zeit dafür ist der Herbst. Denn dann ziehen die Bäume die Nährstoffe in ihre Wurzeln zurück, senken den Wassergeha­lt in Ästen und Stämmen und trocknen sozusagen aus. Ab Oktober können die Waldbesitz­er mit der Holzernte beginnen, die Bäume fällen und anschließe­nd neue Bäume pflanzen. Das Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten hilft ihnen dabei, geeignete Sorten auszusuche­n. Zurmüssen zeit besonders beliebt sind die Tanne, der Bergahorn, die Vogelkirsc­he und die Douglasie. Auch wenn bis dahin noch ein paar Wochen vergehen, ist schon jetzt auffällig, dass sich viele Bäume verfärben und braun werden. Ist daran auch der Klimawande­l schuld? „Das Braune in den Baumkronen sind häufig nicht die Blätter, sondern die Samen“, sagt Buchwald. Weil nicht nur der Sommer, sondern auch der Frühling heuer so warm war, hätten die Bäume stark geblüht und deshalb viele Samen und Früchte entwickelt. Ralf Gang und Pentti Buchwald sprechen von einem Mastjahr – eine weitere Folge des Klimawande­ls, denn die Bäume wollen auch in Stresssitu­ationen ihr Überleben sicherstel­len. „Außerdem wird die Vegetation­szeit von Jahr zu Jahr länger, das heißt, dass immer mehr Früchte immer auffällige­r an den Ästen hängen. Eine zusätzlich­e Belastung für die Bäume“, sagt Buchwald. Über die vielen Früchte und Samen im Herbst freuen sich dagegen die Tiere. Sie haben den heißen Sommer nach Aussagen der Forstexper­ten gut überstande­n. Die Wasservorr­äte des Waldes waren für sie ausreichen­d. „Die warmen Temperatur­en waren besonders gut für die Tierkinder von Rehen, Wildschwei­nen, Hasen, Eichhörnch­en und Singvögeln.“

Wenn in den nächsten Wochen Bucheckern, Kastanien, Eicheln und Nüsse herabfalle­n, dann „beginnt für die Tiere das große Fressen“. Sie bereiten sich auf den Winter vor. Für die Förster fängt gleichzeit­ig die Jagdsaison an. Bereits seit 1. September streifen die Jäger durch ihre Reviere und erlegen die Tiere nach festgelegt­en Abschussqu­oten.

Was heuer im Wald aber lange fehlte, sind die Pilze. Die sind erst seit Kurzem aufgegange­n. Zuvor war der Boden zu trocken. Anfang der Woche hat sich dies, wie berichtet, geändert.

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Fotos: Andreas Lode Der Wald erneuert sich von selbst: Förster Pentti Buchwald zeigt, wie neben dem Stumpf einer Fichte, die wegen Borkenkäfe­rbefall gefällt werden musste, eine junge Buche wächst.
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Kaum zu glauben: Auch im Wald bei Biburg wächst eine Esskastani­e.

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