Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Weltmusiker tritt ab
Porträt Paul Simon sagt in New York der Bühne Lebewohl. Ohne Ex-Partner Art Garfunkel fand der Poesie-König der „Sounds of Silence“zum Ethno-Pop
Vielleicht kommt Mrs. Robinson ja zum letzten Live-Konzert von Paul Simon in den Flushing Meadows Corona Park in New York. Falls sie noch von ihrem Sonntagnachmittags-Sofa hochkommt, schließlich hat der ihr gewidmete Song schon gut 50 Jahre auf dem Buckel.
Geht mit dem Auftritt des Ausnahmemusikers wieder mal ein Kapitel Folk-, Rock- und Pop-Geschichte zu Ende? Seit Februar war der 76-jährige Simon auf Abschiedstour. Sollte er seine Ankündigung wahr machen, bleiben Nostalgikern immer noch die Alben, die man seit der Hitversion von „Sounds of Silence“(1966) gesammelt hat. Oder die Erinnerungen an das Mädchen, mit dem man im Kino „Die Reifeprüfung“gesehen hat. Unvergessen, wie der verliebte Dustin Hoffman im roten Cabrio nach Berkeley fährt, während im Hintergrund Simon & Garfunkel das verträumte „Scarborough Fair“anstimmen.
Auch wenn Simon als Solokünstler ab den 1970er Jahren eine gigantische Karriere hinlegte, fehlten die Magie des New Yorker Duos Paul Simon und Art Garfunkel und dessen Lieder-Schatzkästlein. Markenzeichen waren die fragile Stimme Garfunkels und die fein ziselierten Melodien und Texte, für die Kreativkopf Simon verantwortlich war. „Homeward Bound“, „I Am A Rock“und „The Boxer“wurden zu Hymnen der Jugend und bringen noch heute junge Musiker dazu, die Oldies zeitgemäß zu covern.
Persönliche Differenzen führten
1970 zur Trennung.
Dass Gar- funkel im Scheinwerferlicht stand, wenn er die Edelschnulze „Bridge Over Troubled Water“sang, passte dem Autor Simon gar nicht. Schneller als gedacht, fand Simon in den 70er Jahren eine eigene musikalische Identität. Das Publikum vermisste dennoch den Doppelpack. Und so trafen sie sich immer wieder. Spektakulär war der Auftritt von Simon & Garfunkel 1981 im Central Park. 500 000 Zuschauer kamen zu dem bis dahin größten Konzert eines Acts. Die Science-FictionFreaks weltweit fanden es aber viel spannender, dass Simon 1983 Carrie Fisher, die Prinzessin Leia aus den „StarWars“-Filmen, heiratete. Was schiefging. Heute ist die Popsängerin Edie Brickell seine Ehefrau.
Aber da war der Komponist und Denker Paul Simon, der von den Literaten Emily Dickinson und Robert Frost sang und den Mythos des New Yorker Baseballstars Joe DiMaggio beschwor, längst musikalisch weitergezogen. Die Begegnung mit populärer Musik aus Südafrika inspirierte ihn 1986 zu dem Weltmusik-Meisterwerk „Graceland“, das er mit schwarzen Künstlern einspielte. Heute sagt Paul Simon: „Ich bin ausgeschrieben“.
Da scheint was dran zu sein. Sein jüngstes Album „In The Blue Light“enthält nur neue Versionen seiner Solostücke. Zieht er künftig tatsächlich der Live-Musik die Sounds der Stille vor? Oder schubst ihn Art Garfunkel doch noch mal rauf auf die Bühne? Rupert Huber