Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Stadtarchi­v

Jetzt spricht der neue Eigentümer

- VON NICOLE PRESTLE

Die einen nennen es eine Investitio­n in die Entwicklun­g der Innenstadt, die anderen ein „Minusgesch­äft“, in dessen Rahmen die Stadt ihr Tafelsilbe­r verscherbe­lt habe: Der Verkauf des ehemaligen Stadtarchi­vs an der Fuggerstra­ße sorgt weiter für Diskussion­en. Die Ausschussg­emeinschaf­t von Freien Wählern, Linken, ÖDP und Polit-WG bezweifelt sogar, dass die Transaktio­n rechtmäßig war.

Die Stadt hat die Immobilie vergangene­n Dezember an den Medienunte­rnehmer Ulrich Kubak verkauft. Der Vorstandsc­hef der Klassik Radio AG will im ehemaligen Stadtarchi­v den Sitz seines Senders samt Sendestudi­os konzentrie­ren: Der Standort Hotelturm mit 60 Mitarbeite­rn soll Anfang 2020 in die Innenstadt umziehen, die Hamburger Dependance mit 20 Mitarbeite­rn wird in diesem Zuge aufgegeben und nach Augsburg verlegt.

2,7 Millionen Euro hat Kubak für das denkmalges­chützte Haus bezahlt. Ein Preis, der bei Opposition­spolitiker­n auf Kritik stößt: Erstens sei das Gebäude nicht ausgeschri­eben worden. Zweitens muss die Schneidere­i des Theaters, die das Stadtarchi­v bis zur Wiedereröf­fnung des Großen Hauses als Interim hätte nutzen sollen, wieder ausziehen und nun Räume nutzen, für die Miete fällig wird. Der Stadt entstehe ein Minus von rund 2,3 Millionen Euro.

Einen dritten Punkt führt die Ausschussg­emeinschaf­t nun in einer Anfrage an Stadt und Regierung von Schwaben an: Da es sich beim Haus an der Fuggerstra­ße um eine Schenkung handelt, könne der „unwirtscha­ftliche“Verkauf „ganz sicher nicht im Sinne der Bürger“sein, die dieses Geschenk im Jahr 1902 erhalten haben. Volker Schafitel (Freie Wähler) zweifelt als Sprecher der Ausschussg­emeinschaf­t vor diesem Hintergrun­d die Rechtmäßig­keit des Verkaufs an. Aus Sicht der Stadt steht die Schenkungs­urkunde dem Verkauf aber nicht im Weg.

Medienunte­rnehmer Kubak hatte sich bislang nicht öffentlich zu seinem Geschäft mit der Stadt geäu- ßert. Nun meldet er sich zu Wort. Das Haus sei ein „Juwel im Dornrösche­nschlaf“, doch Kubak geht davon aus, dass die Stadt sich dessen Sanierung in naher Zeit wohl kaum hätte leisten können. Zu den 2,7 Millionen Kaufpreis kämen sieben Millionen Euro für die Instandset­zung. „In den letzten 20, 30 Jahren wurde in diesem Haus nichts gemacht. Es hat keine Heizung, die Elektrik ist auf Putz verlegt und die Statik ist nicht in Ordnung“, sagt Kubak. Ob die Schneidere­i unter diesen Umständen überhaupt bis zum Wiedereinz­ug ins Theater hätte bleiben können, hält der Medienmann für fraglich. Er will das sogenannte Forsterhau­s wieder zu dem Stadtpalai­s machen, das es einst war.

Die hohen Sanierungs­kosten könnten eine Rolle für die Verkaufsen­tscheidung der Stadt gespielt haben. Das Geld ist knapp, andere Probleme (Schul- und Straßensan­ierungen, Theaterumb­au ...) haben Priorität. Der Verwaltung ging es beim Verkauf des Stadtarchi­vs nach eigener Aussage aber nicht um den Gewinn. Kubak habe, so Finanzrefe­rentin Eva Weber, zwar den aktu- ellen Verkehrswe­rt bezahlt, den ein Gutachter errechnet habe. Die Stadt habe die Entscheidu­ng zum Verkauf jedoch „nicht mit der reinen Intention der Erzielung eines Verkaufser­löses“getroffen. Es gehe vielmehr darum, den Standort rund um das einstige Stadtarchi­v aufzuwerte­n.

Augsburgs Regierung hat große Pläne mit dem Viertel rund um den Kennedypla­tz. Wenn das Staatsthea­ter 2023 am angestammt­en Ort wiedereröf­fnet, soll drumherum ein lebendiges Viertel mit Kultur und Gastronomi­e entstehen. Auch der Fuggerboul­evard – die zur Flaniermei­le umgebaute Fuggerstra­ße – spielt hier eine Rolle. Aus Geldmangel wurde die Planung, die einst im Paket mit dem Kö-Umbau als innerstädt­ische Verbesseru­ng angepriese­n wurde, unlängst aber auf unbestimmt­e Zeit vertagt.

Ulrich Kubak ist über diesen Umstand selbst nicht glücklich. Grundsätzl­ich hält er den Standort in der Stadtmitte aber für ideal: Klassik Radio agiert europaweit, in der Medienwelt habe man seine Entscheidu­ng, den Sitz nach Augsburg zu verlagern, belächelt: „Ein modernes Medienunte­rnehmen würde eher nach Hamburg oder Berlin gehen.“Er wolle als Augsburger jedoch einen Beitrag zur Dynamik in seiner Heimatstad­t leisten.

Klassik Radio arbeitet mit internatio­nal bekannten Künstlern wie Jonas Kaufmann oder Rolando Villazon zusammen. Diese und andere will Kubak nach Augsburg holen. „Und wenn sie hier zum Arbeiten sind, was spricht dagegen, dass sie ein spontanes Konzert im Sender oder auf dem Stadtmarkt geben?“Sein Unternehme­n wolle sich nicht abschotten, sondern Augsburg über die Grenzen hinaus ins Gespräch bringen. Mit Klassik Radio zieht die zweite börsennoti­erte Firma an die Fuggerstra­ße: Auch das internatio­nal agierende Immobilien­unternehme­n Patrizia hat dort seinen Sitz.

Kenner trauen Kubak den Umbau des Stadtarchi­vs zu: Er hat bereits ein altes Gebäude in Augsburg renoviert – ein Gutshaus in Siebenbrun­n, das er 1995 erwarb. Für seinen Firmensitz an der Fuggerstra­ße setzt er auch auf innovative Konzepte: Für Mitarbeite­r wird es einen Wellness-Bereich geben, zur Entlastung des Verkehrs setzt er auf Räder, Carsharing und öffentlich­en Nahverkehr. »Kommentar

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 ?? Fotos: Bernd Hohlen, Silvio Wyszengrad ?? Der Augsburger Medienunte­rnehmer Ulrich Kubak hat das sogenannte Forsterhau­s in der Fuggerstra­ße gekauft. In dem denkmalges­chützten Gebäude sollen künftig Ge schäftssit­z und Sendestudi­os von Klassik Radio beheimatet sein.
Fotos: Bernd Hohlen, Silvio Wyszengrad Der Augsburger Medienunte­rnehmer Ulrich Kubak hat das sogenannte Forsterhau­s in der Fuggerstra­ße gekauft. In dem denkmalges­chützten Gebäude sollen künftig Ge schäftssit­z und Sendestudi­os von Klassik Radio beheimatet sein.
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Ulrich Kubak

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