Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Tischlein, deck dich
Verschenken An der Straße am alten Bahnhof in Horgau steht ein kleiner Tisch mit Gebrauchtem. Jeder darf sich dort bedienen. Dahinter steckt Elisabeth Rennig. Wie die 69-Jährige damit ein Zeichen setzen möchte
Horgau Eine Kiste mit Lego-Spielzeug steht auf dem Tischlein am Straßenrand. Es dauert nicht lange, dann hält ein Auto. Jemand steigt aus, und nach wenigen Minuten wechselt das Spielzeug den Besitzer. Szenen wie diese spielen sich seit etwa zwei Jahren regelmäßig an der Straße am alten Bahnhof in Horgau ab. Blumentöpfe, Vasen, Kerzenhalter, Federballschläger – beinahe täglich wechselt das Angebot. Alles zu verschenken.
Dahinter steckt Elisabeth Rennig, 69, ehemalige Grundschullehrerin. Sie ist es, die das kleine Tischlein an der Straße bestückt. Gerade bringt ihr jemand eine gebrauchte, frisch gewaschene Decke vorbei. „Die werde ich später auf den Tisch legen, mal sehen wie lange es diesmal dauert“, sagt Rennig. Ihr „Nachhaltigkeitsprojekt“, wie sie es nennt, hat sich herumgesprochen. Ab und zu bringen ihr die Arbeiter, die gegenüber in der Pension übernachten, etwas für das Tischlein. Auch der Nachbar steuere manchmal einen gebrauchten Fernseher oder andere Elektrogeräte bei, erzählt Rennig. „Da muss man schauen, dass es nicht regnet.“
Begonnen habe alles mit einem Kleidergestell. Zu alt, um es zu verkaufen, aber zu gut für den Müll, dachte sich die 69-Jährige. Da habe sie es an die Straße gestellt. Und schnell war es verschwunden.
Erlaubt ist das, was Rennig macht, eigentlich nicht. Wie eine Sprecherin des Landratsamtes auf Nachfrage erklärt, ist das Abstellen von Gebrauchtem an der Straße grundsätzlich verboten. Es sei denn, es liegt eine Genehmigung vor, oder der Stand befindet sich auf Privatgrund. In diesem Fall müsste die Gemeinde zustimmen, erklärt die Sprecherin. Zwar ist die Straße, an der das kleine Tischlein steht, eine Kreisstraße, weil der Gehweg aber im Ort liegt, sei die Gemeinde zuständig. Bürgermeister Thomas Hafner steht dem kleinen Tischlein aber gelassen gegenüber. Es werde geduldet, sagt er. Grundsätzlich schade es ja niemandem, und es sei sicher gut gemeint. Solange der Verschenkmarkt nicht überhandnehme, könne die Gemeinde das Tischlein tolerieren.
Und so möchte Elisabeth Rennig an ihrem Projekt festhalten. Sie sagt: „Es geht für mich um das große Ganze.“Es gehe um Nachhaltigkeit, um Naturschutz, darum, etwas Gu- zu tun. Alles, was Rennig auf das Tischlein legt, sei noch gut in Schuss. Ziel sei es nicht, alte Sachen loszuwerden. Rennig möchte der „Wegwerfgesellschaft“zeigen, dass es anders geht. Das kleine Tischlein am Straßenrand ist dabei längst nicht das einzige Projekt, das die ehemalige Grundschullehrerin unterstützt.
„Ich bin ein Gutmensch“, sagt die 69-Jährige über sich selbst. Das Bestellen des kleinen Tischleins am Straßenrand ist nicht das Einzige, das sie für ihre Mitmenschen macht. Rennig ist Vorsitzende der Horgauer Ortsgruppe des Bund Naturschutz. Sie gibt Deutschkurse für Flüchtlinge, hilft ihnen bei den Hausaufgaben. Bei sich zu Hause hat Rennig einen Mann aus Eritrea und eine Frau aus Polen aufgenommen. Außerdem engagiert sie sich im Kinderhilfswerk Plan schon seit Jahren für die Rechte von Mädchen überall auf der Welt. „Irgendwas ist ja immer“, sagt die Seniorin. Der Wille anderen zu helfen liege in ihren Genen.
Eben weil die Horgauerin so aktiv und engagiert ist, sammelt sich bei ihr eine ganze Menge an Kram. Die übrig gebliebenen Spielsachen vom Flohmarkt des Kinderhilfswerks zum Beispiel. Das Planschbecken, das die vergangenen Mieter nach ihtes rem Auszug dagelassen haben. Oder die Bücher, die ihr Freunde zum Verschenken mitgeben. „Das ist doch alles viel zu schade zum Wegwerfen“, meint Rennig. Manchmal, da seien die Sachen schon verschwunden, sobald Rennig die Straße überquert hat und wieder in ihrem Hof steht, sagt sie.
Und solange sich die Pendler, die morgens in Richtung Autobahn halten, oder die Einheimischen, bei denen sich das Tischlein längst herumgesprochen hat, über die kleinen Dinge am Straßenrand freuen, werde Rennig nicht aufhören. Ihr Lebensmotto: „Global denken, lokal handeln.“