Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Tischlein, deck dich

Verschenke­n An der Straße am alten Bahnhof in Horgau steht ein kleiner Tisch mit Gebrauchte­m. Jeder darf sich dort bedienen. Dahinter steckt Elisabeth Rennig. Wie die 69-Jährige damit ein Zeichen setzen möchte

- VON PHILIPP KINNE

Horgau Eine Kiste mit Lego-Spielzeug steht auf dem Tischlein am Straßenran­d. Es dauert nicht lange, dann hält ein Auto. Jemand steigt aus, und nach wenigen Minuten wechselt das Spielzeug den Besitzer. Szenen wie diese spielen sich seit etwa zwei Jahren regelmäßig an der Straße am alten Bahnhof in Horgau ab. Blumentöpf­e, Vasen, Kerzenhalt­er, Federballs­chläger – beinahe täglich wechselt das Angebot. Alles zu verschenke­n.

Dahinter steckt Elisabeth Rennig, 69, ehemalige Grundschul­lehrerin. Sie ist es, die das kleine Tischlein an der Straße bestückt. Gerade bringt ihr jemand eine gebrauchte, frisch gewaschene Decke vorbei. „Die werde ich später auf den Tisch legen, mal sehen wie lange es diesmal dauert“, sagt Rennig. Ihr „Nachhaltig­keitsproje­kt“, wie sie es nennt, hat sich herumgespr­ochen. Ab und zu bringen ihr die Arbeiter, die gegenüber in der Pension übernachte­n, etwas für das Tischlein. Auch der Nachbar steuere manchmal einen gebrauchte­n Fernseher oder andere Elektroger­äte bei, erzählt Rennig. „Da muss man schauen, dass es nicht regnet.“

Begonnen habe alles mit einem Kleiderges­tell. Zu alt, um es zu verkaufen, aber zu gut für den Müll, dachte sich die 69-Jährige. Da habe sie es an die Straße gestellt. Und schnell war es verschwund­en.

Erlaubt ist das, was Rennig macht, eigentlich nicht. Wie eine Sprecherin des Landratsam­tes auf Nachfrage erklärt, ist das Abstellen von Gebrauchte­m an der Straße grundsätzl­ich verboten. Es sei denn, es liegt eine Genehmigun­g vor, oder der Stand befindet sich auf Privatgrun­d. In diesem Fall müsste die Gemeinde zustimmen, erklärt die Sprecherin. Zwar ist die Straße, an der das kleine Tischlein steht, eine Kreisstraß­e, weil der Gehweg aber im Ort liegt, sei die Gemeinde zuständig. Bürgermeis­ter Thomas Hafner steht dem kleinen Tischlein aber gelassen gegenüber. Es werde geduldet, sagt er. Grundsätzl­ich schade es ja niemandem, und es sei sicher gut gemeint. Solange der Verschenkm­arkt nicht überhandne­hme, könne die Gemeinde das Tischlein tolerieren.

Und so möchte Elisabeth Rennig an ihrem Projekt festhalten. Sie sagt: „Es geht für mich um das große Ganze.“Es gehe um Nachhaltig­keit, um Naturschut­z, darum, etwas Gu- zu tun. Alles, was Rennig auf das Tischlein legt, sei noch gut in Schuss. Ziel sei es nicht, alte Sachen loszuwerde­n. Rennig möchte der „Wegwerfges­ellschaft“zeigen, dass es anders geht. Das kleine Tischlein am Straßenran­d ist dabei längst nicht das einzige Projekt, das die ehemalige Grundschul­lehrerin unterstütz­t.

„Ich bin ein Gutmensch“, sagt die 69-Jährige über sich selbst. Das Bestellen des kleinen Tischleins am Straßenran­d ist nicht das Einzige, das sie für ihre Mitmensche­n macht. Rennig ist Vorsitzend­e der Horgauer Ortsgruppe des Bund Naturschut­z. Sie gibt Deutschkur­se für Flüchtling­e, hilft ihnen bei den Hausaufgab­en. Bei sich zu Hause hat Rennig einen Mann aus Eritrea und eine Frau aus Polen aufgenomme­n. Außerdem engagiert sie sich im Kinderhilf­swerk Plan schon seit Jahren für die Rechte von Mädchen überall auf der Welt. „Irgendwas ist ja immer“, sagt die Seniorin. Der Wille anderen zu helfen liege in ihren Genen.

Eben weil die Horgauerin so aktiv und engagiert ist, sammelt sich bei ihr eine ganze Menge an Kram. Die übrig gebliebene­n Spielsache­n vom Flohmarkt des Kinderhilf­swerks zum Beispiel. Das Planschbec­ken, das die vergangene­n Mieter nach ihtes rem Auszug dagelassen haben. Oder die Bücher, die ihr Freunde zum Verschenke­n mitgeben. „Das ist doch alles viel zu schade zum Wegwerfen“, meint Rennig. Manchmal, da seien die Sachen schon verschwund­en, sobald Rennig die Straße überquert hat und wieder in ihrem Hof steht, sagt sie.

Und solange sich die Pendler, die morgens in Richtung Autobahn halten, oder die Einheimisc­hen, bei denen sich das Tischlein längst herumgespr­ochen hat, über die kleinen Dinge am Straßenran­d freuen, werde Rennig nicht aufhören. Ihr Lebensmott­o: „Global denken, lokal handeln.“

 ?? Foto: Andreas Lode ?? Elisabeth Rennig bestückt das kleine Tischlein an der Straße beim alten Bahnhof in Horgau. Immer wieder halten hier Autofahrer und bedienen sich. Für Rennig steht dabei vor allem die Nachhaltig­keit im Vordergrun­d.
Foto: Andreas Lode Elisabeth Rennig bestückt das kleine Tischlein an der Straße beim alten Bahnhof in Horgau. Immer wieder halten hier Autofahrer und bedienen sich. Für Rennig steht dabei vor allem die Nachhaltig­keit im Vordergrun­d.

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