Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zusmarshausen will zurück zur Natur
Flurbereinigung Kerzengerade und viel zu schnelle Flussläufe sollen verschwinden. Welche Maßnahmen die Gemeinde dazu treffen will und was das kostet
Zusmarshausen Die Marktgemeinde liegt zwar nicht am Meer, doch sie ist eingebettet zwischen Flüssen wie Zusam und Roth und dem gleichnamigen See. Daher hat das Wasser bei der jüngsten Sitzung der Bürgervertreter eine gewichtige Rolle gespielt. Nichts Geringeres als die langsame Abkehr von der umstrittenen Flurbereinigung wurde entschieden.
Dieser massive Umbau der Umgebung, bundesweit eingeleitet vor fast einem halben Jahrhundert, hatte zum Beispiel die natürlichen Flussschleifen kerzengerade ausgerichtet und sollte der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen, insbesondere der Landwirtschaft, dienen. Doch ausgerechnet der während seines Vortrags für die ökologische Umkehr vor allem an den Gewässern appellierende Gast stellte sich vor die von Umweltschützern immer wieder kritisierte Maßnahme: „Diesem Projekt lag eine völlig andere Prämisse zugrunde“, betonte Bernhard Bacherle vom Amt für ländliche Entwicklung in Krumbach. Zuvor hatte Hubert Kraus für seine CSU-Fraktion das Änderungsvorhaben von Bacherle als „sinnstiftend“bezeichnet, es solle nicht in den Schubladen liegen bleiben, sondern umgesetzt werden: „Damit können wir die Fehler der damaligen Flurbereinigung korrigieren.“
Was ist geplant? Im Grunde genommen wollen die Fachleute der 13 Kilometer langen und bei Kutzenhausen aufquellenden Roth mehr Luft verschaffen.
Dies konnten sie anschaulich an bereits erfolgten Baumaßnahmen der beiden Roth-Zuflüsse Döllenbach und Lohbach unterhalb des Horgauer Ortsteils Auerbach aufzeigen.
Wie andere kleine Ströme auch führen sie schädliche Sedimente in den drei bis vier Meter breiten Hauptfluss ein und können wegen ihrer hohen Fließgeschwindigkeit besonders bei Starkregenfällen gefährlich werden. Der Eintrag von Erden und Sanden mit einem Nährstoffmix vor allem aus Stickstoff führt dazu, dass der Sauerstoffgehalt und der Artenreichtum von Fluss und See abnehmen.
„Vor zwei Jahren führte die Roth bei starkem Regen pro Tag rund zehn Tonnen mit sich“, begründete Fachmann Bacherle seinen Vorschlag. Und weiß dabei die Europäische Union im Rücken, deren Vorgabe lautet, dass bis zum Jahr 2027 alle Flüsse und Seen des Kontinents in gutem ökologischen Zustand sein müssen.
Doch 2016 erfüllten in Deutschland nur knapp zehn Prozent diese Vorgabe. Ausweitung des Bachprofils, Entfernung von Betonschalen und die Bepflanzung sowie Sicherung der Uferstreifen stellten nur einen Ausschnitt aus dem umfangreichen Handlungskatalog der beiden Referenten dar. Ziel aller Aktionen solle die Rückhaltung von Sedimenten, eine Erhöhung der biologischen Selbstreinigungskraft der Flüsse und das Abpuffern von Starkregen sein.
Im Fall der Korrekturen am Döllenbach gingen die Referenten von Kosten in Höhe rund 9000 Euro mit einem Förderanteil bis zu 75 Prozent aus. Neben den Finanzen bemühte sich Gemeinderat Thomas Günther um die Grundstücksfragen und die Bereitschaft aller Eigner: „Ihre tollen Planungen nützen nichts, wenn Sie nicht an die Fläche herankommen.“Konzept-Befürworter und Zweiter Bürgermeister Robert Steppich (Freie Wähler) rief bei aller Bedeutung technischer Mittel zur verstärkten Vertrauensbildung bei den Grundbesitzern auf. Und Tischnachbarin Elke Schwarz sprach sich dafür aus, alle betroffenen Gemeinden und Anlieger mit ins Boot zu holen. Von den Bodenarbeiten an den kleinen Strömen soll schließlich der für Freizeit und Touristik bedeutsame Rothsee profitieren.