Augsburger Allgemeine (Land Nord)
In der Ruhe liegt die Kraft
Grenzgänger Wie die knapp sechs Kilometer lange Strecke von Burgwalden nach Oberschönenfeld zwei Stadtkinder zu innerem Frieden und auf eine schier spirituelle Reise führte
Burgwalden Der Weg ist das Ziel, sagt der Volksmund. Im Falle der Grenzgänger-Tour von Burgwalden quer durch die Westlichen Wälder nach Oberschönenfeld könnte dieser Satz nicht treffender sein. Die Wanderung gleicht einer fast schon spirituellen Reise – eine Erfahrung, die für die beiden Grenzgänger gänzlich neu war. Doch immer der Reihe nach ...
Die Geschichte beginnt auf einem profanen, wenngleich idyllisch gelegenen Parkplatz im Westen Burgwaldens. Nur wenige Autos warten an diesem Freitagnachmittag auf die Rückkehr ihrer Besitzer. In den Sommermonaten, wenn in der Waldgaststätte Hochbetrieb herrscht, reiht sich hier Fahrzeug an Fahrzeug. Jetzt im Herbst geht es spürbar ruhiger zu, wenngleich vor allem an den Wochenenden der traumhafte Biergarten noch gut besucht ist. „Ende September sind es vor allem Pilzsucher, Wanderer oder Radfahrer, die zu uns kommen“, erzählt Wirtin Giorgia Balog. „Viele Vereine verbinden auch die Einkehr bei uns mit einem Naturausflug oder der Besichtigung der Fuggerkirche.“
Wir passieren den 500 Jahre alten, dem heiligen Franziskus geweihten Sakralbau, flanieren vorbei am historischen, als Museum genutzten Backhäuschen und finden uns auf dem Gelände des Golfclubs Augsburg wieder. Hier warnt ein Schild vor gefährlich tief fliegenden Golfbällen, weshalb wir ein wenig besorgt und mit aufmerksamem den Weg fortsetzen. Auf Bahn 9 putten gerade Simon Sauer und Philipp Schweyer ihre Bälle ins Loch. Letzterer hat 19 Jahre Spielerfahrung und ein Handicap von 2. „Ein bisschen Glück gehört aber natürlich immer noch dazu“, sagt der Diedorfer, bevor er sein Training fortsetzt.
Das Blätterwerk schluckt jedes Geräusch
Begleitet vom dumpfen „Pflopp“abschlagender Golfbälle führt der Pfad entlang an Bunkern, Greens und mit militärischer Genauigkeit getrimmten Rasenflächen. Welch Kontrast, als ein weiteres Schild das Ende des KlubAreals verkündet: Binnen weniger Schritte stehen wir im dichten Wald. Dichtes Blattwerk schluckt jegliches Zivilisationsgeräusch sowie einen Großteil der herbstlichen Nachmittagssonne. Hier und da balzt ein Vogel hoch in den Baumwipfeln um einen gefiederten Partner. Ansonsten stört nur der knirschende Kies unter unseren Wanderschuhen die perfekte Stille. Von null auf hundert in die Einöde.
Mit bunten Farben verkündet die Natur den Beginn der dritten Jahreszeit. Pilze präsentieren sich am Wegesrand in voller Pracht und warten darauf, von fachkundigen Augen erkannt und für ein herzhaftes Mahl geerntet zu werden. Feuchte, schwülwarme Luft zeugt vom ver- regneten Vortag und hinterlässt ein klammes Gefühl auf Kleidung und Haut. Schlagartig scheinen die vom Stadtleben betäubten Sinne geschärft. Schau mal da, den Schmetterling. Achtung, ein Frosch. Könnte das eine Karthäuser-Nelke sein?
Ein kurzes Intermezzo der zivilisierten Welt bietet sich dem Wanderer normaBlick lerweise nach etwa zwei Kilometern Fußmarsch am Engelshof. Die autofreie Gaststätte liegt zwischen Feldern und Wiesen, eingebettet im Wald. An Wochenenden ist sie ein beliebtes Ziel für Familien und Naturliebhaber. Nachdem jedoch Freitag ist, finden wir die Wirtschaft geschlossen vor. Es ist ein imposanter, aber scheinbar menschenleerer Bau mitten im Nirgendwo. Einzig eine Herde junger Kühe sowie einige Ziegen begrüßen uns neugierig und lassen sich gerne einige Streicheleinheiten gefallen. Wieder geht es in den tiefen Wald, den die Gebrüder Grimm verwunschener nicht hätten beschreiben können. Dichtes Moos säumt den Wegrand. Die Luft riecht nach Morast, erdig und schwer. Jeden Moment erwartet man, verloren zu gehen. Davor bewahrt zum Glück die tadellose Beschilderung des Naturparks Augsburg Westliche Wälder. Einzig der Geist verliert sich. Die Gedanken sind frei ...
Jeder Schritt verkommt zur Meditation. Die im Baum eingelassene Muschel, Zeichen des Jakobswegs, überrascht den Wanderer daher kaum. Weitere zwei Kilometer wandeln wir auf Pilgerpfaden, vorbei an einer Quelle, die uns mit kaltem Wasser erfrischt. Eineinhalb Stunden dauert unser Grenzgang, der an der imposanten Zisterzienserinnenabtei Oberschönenfeld endet. Eineinhalb Stunden fernab von Alltag und Sorge. Eine Tour der Ruhe, fast eine spirituelle Reise.