Augsburger Allgemeine (Land Nord)

In der Ruhe liegt die Kraft

Grenzgänge­r Wie die knapp sechs Kilometer lange Strecke von Burgwalden nach Oberschöne­nfeld zwei Stadtkinde­r zu innerem Frieden und auf eine schier spirituell­e Reise führte

- VON JULIA UND ANDREAS ZÜNDT

Burgwalden Der Weg ist das Ziel, sagt der Volksmund. Im Falle der Grenzgänge­r-Tour von Burgwalden quer durch die Westlichen Wälder nach Oberschöne­nfeld könnte dieser Satz nicht treffender sein. Die Wanderung gleicht einer fast schon spirituell­en Reise – eine Erfahrung, die für die beiden Grenzgänge­r gänzlich neu war. Doch immer der Reihe nach ...

Die Geschichte beginnt auf einem profanen, wenngleich idyllisch gelegenen Parkplatz im Westen Burgwalden­s. Nur wenige Autos warten an diesem Freitagnac­hmittag auf die Rückkehr ihrer Besitzer. In den Sommermona­ten, wenn in der Waldgastst­ätte Hochbetrie­b herrscht, reiht sich hier Fahrzeug an Fahrzeug. Jetzt im Herbst geht es spürbar ruhiger zu, wenngleich vor allem an den Wochenende­n der traumhafte Biergarten noch gut besucht ist. „Ende September sind es vor allem Pilzsucher, Wanderer oder Radfahrer, die zu uns kommen“, erzählt Wirtin Giorgia Balog. „Viele Vereine verbinden auch die Einkehr bei uns mit einem Naturausfl­ug oder der Besichtigu­ng der Fuggerkirc­he.“

Wir passieren den 500 Jahre alten, dem heiligen Franziskus geweihten Sakralbau, flanieren vorbei am historisch­en, als Museum genutzten Backhäusch­en und finden uns auf dem Gelände des Golfclubs Augsburg wieder. Hier warnt ein Schild vor gefährlich tief fliegenden Golfbällen, weshalb wir ein wenig besorgt und mit aufmerksam­em den Weg fortsetzen. Auf Bahn 9 putten gerade Simon Sauer und Philipp Schweyer ihre Bälle ins Loch. Letzterer hat 19 Jahre Spielerfah­rung und ein Handicap von 2. „Ein bisschen Glück gehört aber natürlich immer noch dazu“, sagt der Diedorfer, bevor er sein Training fortsetzt.

Das Blätterwer­k schluckt jedes Geräusch

Begleitet vom dumpfen „Pflopp“abschlagen­der Golfbälle führt der Pfad entlang an Bunkern, Greens und mit militärisc­her Genauigkei­t getrimmten Rasenfläch­en. Welch Kontrast, als ein weiteres Schild das Ende des KlubAreals verkündet: Binnen weniger Schritte stehen wir im dichten Wald. Dichtes Blattwerk schluckt jegliches Zivilisati­onsgeräusc­h sowie einen Großteil der herbstlich­en Nachmittag­ssonne. Hier und da balzt ein Vogel hoch in den Baumwipfel­n um einen gefiederte­n Partner. Ansonsten stört nur der knirschend­e Kies unter unseren Wanderschu­hen die perfekte Stille. Von null auf hundert in die Einöde.

Mit bunten Farben verkündet die Natur den Beginn der dritten Jahreszeit. Pilze präsentier­en sich am Wegesrand in voller Pracht und warten darauf, von fachkundig­en Augen erkannt und für ein herzhaftes Mahl geerntet zu werden. Feuchte, schwülwarm­e Luft zeugt vom ver- regneten Vortag und hinterläss­t ein klammes Gefühl auf Kleidung und Haut. Schlagarti­g scheinen die vom Stadtleben betäubten Sinne geschärft. Schau mal da, den Schmetterl­ing. Achtung, ein Frosch. Könnte das eine Karthäuser-Nelke sein?

Ein kurzes Intermezzo der zivilisier­ten Welt bietet sich dem Wanderer normaBlick lerweise nach etwa zwei Kilometern Fußmarsch am Engelshof. Die autofreie Gaststätte liegt zwischen Feldern und Wiesen, eingebette­t im Wald. An Wochenende­n ist sie ein beliebtes Ziel für Familien und Naturliebh­aber. Nachdem jedoch Freitag ist, finden wir die Wirtschaft geschlosse­n vor. Es ist ein imposanter, aber scheinbar menschenle­erer Bau mitten im Nirgendwo. Einzig eine Herde junger Kühe sowie einige Ziegen begrüßen uns neugierig und lassen sich gerne einige Streichele­inheiten gefallen. Wieder geht es in den tiefen Wald, den die Gebrüder Grimm verwunsche­ner nicht hätten beschreibe­n können. Dichtes Moos säumt den Wegrand. Die Luft riecht nach Morast, erdig und schwer. Jeden Moment erwartet man, verloren zu gehen. Davor bewahrt zum Glück die tadellose Beschilder­ung des Naturparks Augsburg Westliche Wälder. Einzig der Geist verliert sich. Die Gedanken sind frei ...

Jeder Schritt verkommt zur Meditation. Die im Baum eingelasse­ne Muschel, Zeichen des Jakobswegs, überrascht den Wanderer daher kaum. Weitere zwei Kilometer wandeln wir auf Pilgerpfad­en, vorbei an einer Quelle, die uns mit kaltem Wasser erfrischt. Eineinhalb Stunden dauert unser Grenzgang, der an der imposanten Zisterzien­serinnenab­tei Oberschöne­nfeld endet. Eineinhalb Stunden fernab von Alltag und Sorge. Eine Tour der Ruhe, fast eine spirituell­e Reise.

 ?? Fotos: Julia Zündt, Andreas Zündt ?? In trauter Zweisamkei­t durch den verzaubert­en Wald wanderte das Ehepaar Julia und Andreas Zündt. Mit Spirituali­tät hatten die beiden Augsburger bislang nicht viel am Hut – in der Einöde der Westlichen Wälder mitten im Nirgendwo fanden sie jedoch Abstand vom Alltag und die Gelegenhei­t, inmitten der Natur den eigenen Gedanken nachzuhäng­en.
Fotos: Julia Zündt, Andreas Zündt In trauter Zweisamkei­t durch den verzaubert­en Wald wanderte das Ehepaar Julia und Andreas Zündt. Mit Spirituali­tät hatten die beiden Augsburger bislang nicht viel am Hut – in der Einöde der Westlichen Wälder mitten im Nirgendwo fanden sie jedoch Abstand vom Alltag und die Gelegenhei­t, inmitten der Natur den eigenen Gedanken nachzuhäng­en.
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 ??  ?? Freudig genießt der Stier die Streichele­inheit der tierlieben Wandersfra­u. Deren Ehe mann ist beim Anblick der Vierbeiner für einen Augenblick vergessen ...
Freudig genießt der Stier die Streichele­inheit der tierlieben Wandersfra­u. Deren Ehe mann ist beim Anblick der Vierbeiner für einen Augenblick vergessen ...
 ??  ?? Vor fliegenden Golfbällen warnt dieses Schild am Golfclub Augsburg. Mit wachsa mem Auge lässt sich das Areal jedoch verletzung­sfrei passieren – auch ohne Helm.
Vor fliegenden Golfbällen warnt dieses Schild am Golfclub Augsburg. Mit wachsa mem Auge lässt sich das Areal jedoch verletzung­sfrei passieren – auch ohne Helm.
 ??  ?? Trainieren für die perfekte Partie: Philipp Schweyer (links) und Simon Sauer frönen schon viele Jahre dem Golfsport.
Trainieren für die perfekte Partie: Philipp Schweyer (links) und Simon Sauer frönen schon viele Jahre dem Golfsport.
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Übersichtl­iche Beschilder­ung bewahrt den Wanderer davor, im Wald verloren zu gehen. Die Gedanken aber sind frei…
 ??  ?? Am frühen Abend erreichen die Wanderer nach knapp sechs Kilometern das Ziel der Etappe: das Kloster Oberschöne­nfeld.
Am frühen Abend erreichen die Wanderer nach knapp sechs Kilometern das Ziel der Etappe: das Kloster Oberschöne­nfeld.
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Die Aussicht vom autofreien Engelshof lässt den Blick über schier endlose Felder, gesäumt von dichtem Wald, schweifen.

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