Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Szenen zwischen den Welten
Ausstellung Nach New York und Köln sind Christofer Kochs Arbeiten wieder in Augsburg zu sehen. Bei aller Unterschiedlichkeit des Materials und der Techniken gibt es ein wiederkehrendes Thema
Seit seiner ersten Präsentation im Augsburger Salomo-Haus vor 24 Jahren (nach dem Studium als Meisterschüler von Gerhard Berger an der Münchner Akademie) war Christofer Kochs in jedem Jahr bis heute mit Einzelausstellungen – und nicht nur mit einer – präsent, in Deutschland, Wien, Zürich, über Europa hinaus. Das Renommee der Galerien, die Internationalität nahmen dabei kontinuierlich zu. Vertreten war/ist er auf wichtigen Messen – Art Karlsruhe, Zürich, Cologne, Bodensee. Private und öffentliche Sammlungen in Deutschland, Österreich, Holland, Australien, USA, der Schweiz haben seine Kunst aufgenommen, auch der öffentliche Raum.
Aktuell rückblickend auf diesen lebhaften Karriereweg war der in Augsburg lebende, in Osnabrück geborene Künstler (Jahrgang 1969) nach eigener spontaner Einschätzung besonders glücklich über Ausstellungen in Köln bei Anja Knoess, natürlich in New Yorks „Black & White Gallery“(Kochs: „Die haben ja nun in dieser unglaublichen Szene nicht alle auf mich gewartet, aber es lief erstaunlich“) oder auch 2016 in der Kunsthalle Schweinfurt. Dort konnte er genau auf den Raum zuarbeiten.
Letzteres nun ist in seiner Ausstellung im Holbeinhaus der Fall, die ihm die Kunstsammlungen ausgerichtet haben. Und der Titel der Schau beleuchtet ebenso präzis wie in wunderbarer Paradoxie den Fleiß, das rastlose Suchen, die umtreibende Neugierde dieses Künstlers: „Für immer ist nicht lang“. Arbeiten aus den letzten beiden Jahren breiten eine Welt aus, die in aller Unterschiedlichkeit des Materials (Aquarell, Öl, Grafit, Wachs, Holz), der Techniken, des Ausdruckstemperaments doch konsequent ein wiederkehrendes Thema bespielen. Im konkreten Fall ist es das Alter Ego, der Künstler, der mit brillant figuralen Posen und Gesten in einen Raum gestellt ist, der seine Kreativität speist, aus dem er herauswächst, dem er aber ausgeliefert ist – man denkt an Martin Heideggers „Geworfenheit“. Es ist das Material, das ihm die Welt quasi anbietet. Und es beschreibt die Stimmungen, die den künstlerischen Takt vorgeben.
Die beiden Großformate im unteren Raum – sie tragen den immer wiederkehrenden Haupttitel „Für immer ist nicht lang“– zeigen eine statuarisch anmutende Figur, ein durchaus pompöses Ego, das umschlungen ist von wuchtig treibenden, abstrakten Kraftfeldern, Schlieren, auswuchernd umschlingenden Faltungen, auch herbe, Ackerfurchen imitierende innere Landschaften. Darin scheint sich der Protagonist, teils staunend spielerisch, teils mit banger Ungewissheit, zu bewegen, als wolle er sagen: „Was kommt da auf mich zu?“Neugier, Ängste und auch selbstbewusste Kraft halten sich die Balance. Kleinere Formate dazwischen, wie kurze Episoden, rhythmisieren das große Thema.
Es ist die bildnerische Auftaktfanfare der Ausstellung, die sich über die Treppe und längere Gangpassagen nach oben in den ersten Stock windet. Mit Formatwechseln und Einbeziehung der perspektivischen Aspekte nimmt Kochs die Räumlichkeiten effektvoll mit in den Präsentationsgedanken, der da heißen mag: „Zwischen den Welten“.
Auch dort treiben Formatvarianten, die Tonarten der Stimmungen, die Farbwahl ein spannendes Spiel. Die Zentralfiguren, die auch Partner, „Twins“, bekommen, wandeln sich ebenfalls. Es gibt sitzende, kraftvoll eine Tätigkeit ausübende „Darsteller“, wie bei Rodin nachdenklich grübelnde Posen auf dieser Kochs’schen Weltbühne. Die Hintergründe variieren vom abstrakten Raster hin zu realistischen Bildfindungen mit Naturräumen und menschlichen Gerätschaften, wo ein Schiff auf rätselhafter Wasserfläche gerudert wird, ein Mensch verloren vor Abgründen oder an fragilen Hausfronten balanciert.
Kochs ändert auch den meist pastos-ruhigen Blau-Grau-Ocker Farbton, zaubert bedrohliche Schwarz-Weiß-Holzschnitte für elegant bis gespenstisch gestaffeltes Schattenpersonal oder duftige, hellere Valeurs. Gefältelte Leinwandpassagen, gröbere Stoffapplikationen erzeugen in vielen Exponaten reliefartige Lichteffekte. Die das Thema aufgreifenden Holzskulpturen, dynamisch bizarr oder filigran gewunden, mit der Kettensäge virtuos bearbeitet, lassen die Bildfolgen in der dritten Dimension atmen – in Kochs’ Kunstkosmos.
Laufzeit bis 26. Oktober im Holbeinhaus (Vorderer Lech 20 in Augsburg). Geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Katalog 10 Euro.