Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Schmerz und Resignation
Gustav Mahlers Lieder im Rokokosaal
Fast alle Lieder Gustav Mahlers sind – entweder in Ur- oder in Zweitfassung – für Orchester gesetzt, werden auch in einigen Sinfonien zitiert. Wenn diese von einer Pianistin – wie in der Soiree im Rokokosaal von Mimi Park – gespielt werden, steht naturgemäß der Farbenreichtum individueller Orchesterinstrumente nicht zur Verfügung. Parks makelloses Spiel wirkte aber auch in seinem holzschnittartigen Gestus hoch differenziert, arbeitete die überwiegend düstere Grundstimmung besonders scharf heraus. Dies entsprach genau dem Ausdruckswillen des für die erkrankte Cathrin Lange eingesprungenen Sängers Young Kwon (bis 2017 Ensemblemitglied am Theater Augsburg). Mit statuarischer Körpersprache und mächtigem Bassvolumen gab er einem der beiden Grundtöne der Zyklen („Lieder eines fahrenden Gesellen“, „Rückert-Lieder“, „Kindertotenlieder“) Gestalt: schneidender Schmerz, tiefste Verzweiflung. Aber es gab auch einen zweiten Grundton, und diese Polarität gab dem Programm seine innere Struktur: Resignation, Ergebung, Sich-Abwenden vom Äußeren. Meist finden sich beide Pole im selben Lied, und oft verklingen die Gesänge nach stürmischem Beginn im Unsagbaren, schleichen sich gleichsam aus der Realität.
Hierbei zeigte Young Kwon, dass er neben der Bassfülle auch über Zwischentöne und eine ausdrucksvolle, subtile Höhenlage verfügt. Am bewegendsten aber gelang beiden Künstlern der Schluss des letzten der Kindertotenlieder „In diesem Wetter, in diesem Braus“. Angesichts der Kindersärge, die „in diesem Wetter“aus dem Haus getragen werden, wiederholt der Sänger fassungslos, fast tonlos die Anfangsworte, die Pianistin lässt wenige, karge Töne nachklingen.