Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Geöffnete Türen in unruhigen Zeiten

Über den Islam wird derzeit viel diskutiert, das islamkriti­sche Buch von Thilo Sarrazin steht weit vorn in den Bestseller­listen. In Augsburg betraten mehrere islamische Gemeinden beim Tag der offenen Moschee jetzt Neuland

- VON JÖRG HEINZLE

Den Tag der offenen Moschee gibt es seit zwei Jahrzehnte­n. Am 3. Oktober öffnen viele Moscheever­eine ihre Gotteshäus­er für Besucher. Es soll ein spezieller Beitrag sein zum Tag der Deutschen Einheit. Aktuell ist das in diesem Jahr ganz besonders. Denn die Gesellscha­ft scheint sich zu spalten. Auch in der Frage, wie man in Deutschlan­d zum Islam stehen soll. Thilo Sarrazins Islamkriti­k mit dem drastische­n Titel „Feindliche Übernahme“ist seit Wochen ganz vorn in den Bestseller­listen. Und auch untereinan­der sind sich die verschiede­nen islamische Gruppen nicht immer einig.

In Augsburg dagegen setzten mehrere Moscheever­eine am Mittwoch ein Zeichen für mehr Miteinande­r. Mehrere Vereine hatten sich zusammenge­schlossen, um den Tag der offenen Moschee gemeinsam zu begehen. Neben den Moscheen, die zum türkisch dominierte­n Islamverba­nd Ditib gehören, waren auch weitere islamische Gotteshäus­er beteiligt, etwa die MilliGörüs-Moschee in der Jakobervor­stadt und die bosnische Moschee.

Das sei bundesweit einmalig, sagte Kemal Saglam, Mitglied im Integratio­nsbeirat der Stadt. Als zentralen Ort für ihre Veranstalt­ung wählten die Vereine die Ditib-Moschee am Katzenstad­el aus. Sie ist die älteste Moschee in Augsburg und besteht seit dem Jahr 1980. Dass sich die Ditib-Moscheen eng mit der Türkei verbunden sehen, zeigte sich auch an einem Besucher. Für Mehmet Günay, neuer türkischer Generalkon­sul in München, war es einer der ersten offizielle­n Termine.

Husain Mahmoud, der Vorsitzend­e des Integratio­nsbeirats der Stadt, ist als Kind mit seiner Familie aus Syrien nach Deutschlan­d geflohen. Er ist kurdischst­ämmig. Er sagte bei der Eröffnung des Festes: „Miteinande­r sprechen ist besser, als übereinand­er sprechen.“Viele Vorurteile, mit denen sich die Muslime in Deutschlan­d derzeit konfrontie­rt sähen, entstünden aus Angst und Deshalb sei der Tag der offenen Moschee wichtig: „Die Augsburger können reinkommen und fragen.“Husain Mahmoud mahnte aber auch: Jeder Bürger, egal welcher Herkunft, habe angesichts der aktuellen Konflikte und Debatten „eine enorme Verantwort­ung gegenüber der Gesellscha­ft“.

Die Besucher konnten das Mittagsgeb­et mitverfolg­en. Es gab eine Führung durch die Katzenstad­elMoschee. Und vor der Moschee hatten die Vereine Informatio­nsstände aufgebaut. Es wurde bewirtet – und man konnte die osmanische EbruMalere­i kennenlern­en. Allzu groß war der Zuspruch an Besuchern allerdings nicht. Das nahm auch Reiner Erben (Grüne), der für Integratio­n zuständige städtische Referent, mit Bedauern wahr. Dabei, sagte er, sei es derzeit doch besonders wichUnwiss­enheit. tig, im Gespräch zu bleiben und sich nicht abzuschott­en. Deshalb freue er sich auch über die gemeinsame Veranstalt­ung der Moscheever­eine.

Für Erben war das Grußwort ein Spagat. Er schlug auch kritische Töne an, allerdings diplomatis­ch zurückhalt­end. Er sagte, der Islam werde teils von Extremiste­n und Terroriste­n umgedeutet und missbrauch­t. Darunter hätten die vielen Muslime zu leiden, die friedlich hier leben. Gleichzeit­ig hätten sich Rechtspopu­listen auf den Islam „eingeschos­sen“mit dem Ziel, daraus politisch Kapital zu schlagen.

Erben mahnte aber auch, eine Moschee dürfe kein Ort sein, von dem extremisti­sche oder nationalis­tische Botschafte­n ausgehen. Der Islam werde von manchen Ländern „politisch instrument­alisiert“. Auch von Ländern, aus denen viele Zuwanderer nach Deutschlan­d gekommen seien. Namen nannte er nicht. Es war aber allen klar, dass er damit auch die Türkei meinte. oder 0821/4554-6950 und: heinbuechn­er.c@diakonie-augsburg.de oder 0821/50943-50.

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Fotos: Klaus Reiner Krieger Mittagsgeb­et in der Moschee am Katzenstad­el: Beim Tag der offenen Moschee konnten Besucher die religiöse Zeremonie mitverfolg­en. Außerdem gab es eine Führung und Informatio­nsstände.
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Abuzer Korkut und Hasan Merali sind die Vorsitzend­en der türkisch-islamische­n Gemeinde am Katzenstad­el.

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