Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Suche nach dem Herbst
Der Sommer ist vorbei. Das wird auf der Wanderung von Deuringen nach Neusäß klar
Landkreis Augsburg Es ist kühl geworden. Hier im Wald kurz vor Deuringen spürt man den Herbst. Zu Beginn der kleinen Wanderung finden sich die ersten stillen Zeugen. Buntes Laub an den Eichen, Pilze zwischen dem Moos auf dem Waldboden – das war’s wohl mit Sommer. Es werden nicht die einzigen Botschafter der bunten Zeit auf der Tour von Deuringen nach Neusäß sein.
An dem kleinen Trimm-dichBrunnen am Waldrand wird die Wasserflasche gefüllt. Entlang der Hauptstraße geht es mit Vorrat durch Deuringen. Und schon der nächste Herbstzeuge. Ein Wahlplakat liegt platt gefahren mitten auf der Straße. Vermutlich vom Sturm des Vorabends hierhin befördert. Die vielen anderen Köpfe an den Straßenlaternen haben das Unwetter überstanden. Herbstzeit ist Wahlzeit.
Etwas weiter laden einige ältere Damen ihre Golfschläger aus den Autos. Sie nutzen den sonnigen Tag für eine Runde über den noch menschenleeren Golfplatz zwischen Deuringen und Stadtbergen. Viermal die Woche kämen sie hierher, berichtet Renate. Sie ist eine der Seniorinnen. Seit über 30 Jahre spielt sie schon. Der Sport hält fit, da sind sich die Frauen einig. „Ich bin aber eine Kaffeegolferin“, scherzt Renate. Der Spaß stehe im Vordergrund. Und die guten Gespräche mit ihren Freundinnen. Während die Sonne langsam immer weiter in den Herbsthimmel steigt, machen sich die Damen auf zum ersten Loch.
Am Ortstrand von Stadtbergen liegt ein Haufen grüner Heckenreste auf der Straße. Zusammengekehrt wie Haare nach dem Friseurbesuch. Ein neuer Schnitt für den Herbst. In den vergangenen Jahren habe er noch immer selbst Hand an seine alte Hecke angelegt, erzählt Albert Frank. Doch nun, im Rentenalter, wolle er etwas kürzertreten. Deshalb stehen Dietmar Jarosch und Roman Zamoscik neben dem 67-Jährigen. Die beiden sind Profis, Angestellte eines Ustersbacher Gartenpflegebetriebs. Jetzt, im Herbst, erklären die beiden, sei die richtige Zeit, um die Hecke zu schneiden. Die Heckenprofis kennen sich hier am Stadtberger Ortsrand, wo die Stammkundschaft wohnt, aus. Nicht weit hat man es von hier zum Bismarckturm.
Ein Feldweg führt in seine Richtung. Es weht ein herbstlicher Wind über die Äcker zwischen Stadtbergen und Steppach. In der Ferne strahlt eines der Augsburger Wahrzeichen auf dem Steppacher Berg. 1901 wurde der Turm zu Ehren des ersten deutschen Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck gebaut. Er ist einer von vielen Denkmälern für den Reichskanzler. Um die 50 soll es davon in ganz Deutschland geben.
Beliebt ist der Turm bei allen, die in die Ferne schweifen wollen. An Silvester strömen Hunderte auf den Steppacher Berg, um von hier oben das Feuerwerk über Augsburg zu sehen. Heute ist von all diesen Menschen aber nichts zu sehen. Der Ausblick gehört allein Silvia Landes und ihren beiden Chihuahuas. Landes kommt eigentlich vom Land, wohnt aber in Augsburg an einer viel befahrenen Straße. „Ich genieße die Ruhe hier draußen“, sagt sie. Perfekt zum Gassigehen. Immer, wenn es ihr zu viel werde in der Stadt, komme sie hierher.
Der Aufsteig auf den 20 Meter hohen Turm lohnt sich. Die Steintreppen hinauf, vorbei an vergitterten Ausgucklöchern, an denen unzählige kleine Schlösser hängen. Auf ihnen stehen Initialen, „A+B“oder „M+P“, Anfangsbuchstaben zweier Verliebter. Das Schloss als romantisches Zeichen. Man kann sich vorstellen, wie die Verliebten, oben angekommen, knutschend in die Ferne sehen. Die ganze Stadt liegt ihnen hier oben zu Füßen. Man sieht den Augsburger Hotelturm, den Gaskessel, etwas näher das Klinikum. Vor dem Krankenhaus liegt das Stadtberger Virchow-Viertel.
Dort auf den Feldern vor dem Klinikum soll der neue MedizinCampus entstehen. Ab 2020 sollen Bagger und Kräne auffahren. Ein Megaprojekt. Doch noch ist davon nicht viel zu erkennen. Weiter geht es nach Steppach.
Schon von Weitem hört man Günther Pfaffelhuber bei der Arbeit. Seit über 15 Jahren ist er Hausmeister. Heute bläst er das bunte Laub vom Gehweg. Schon wieder ein Herbstzeuge. Lange Jahre, erzählt Pfaffelhuber, habe er das Laub mit der Hand rechen müssen. Da sei der Bläser natürlich eine Entlastung – auch, wenn er immer wieder zu verärgerten Nachbarn führe. Ein paar Straßen weiter, in der Steppacher Ortsmitte, wechseln Mitarbeiter des Neusässer Bauhofs die Pflanzen auf den öffentlichen Plätzen. Sommerliche Geranien weg, winterliche Kiefer hin. Die Stadt zieht ihr Herbstgewand an.
Über Westheim führt der Weg nach Neusäß. Die weiten Wiesen liegen mittlerweile in der Ferne. Reges Stadttreiben stellt sich ein. Wer es ruhiger möchte, bleibt zu Hause. Und lässt sich ganz bequem beliefern. Zum Beispiel von Robert Roth.
Er fährt mit seinem Lieferwagen von Haus zu Haus und verkauft Tiefkühlware. Ob er den Herbst schon spürt? „Die Leute kaufen kein Eis mehr“, sagt er. Das habe sich in den letzten Tagen schnell geändert. Herbstzeit sei Fischzeit, meint der Mann. Davon verkaufe er jetzt eine Menge.
Fisch, Laub, Heckenreste oder Wahlplakate – der beginnende Herbst zeigt sich auf der Wanderung von Deuringen nach Neusäß von vielen Seiten.