Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Schlaf jetzt endlich ein!
Babys bauen Stress durch Schlafen ab – oder Weinen
Stadtbergen/Landkreis Baby Mia wacht in der Nacht ein- bis zweimal auf und schreit. Dann kommt Mias Mama und gibt dem Baby etwas zu trinken. Schnell schläft Mia wieder ein. Mia ist mittlerweile fünf Monate alt, und Mutter Bettinas Gedanken kreisen zunehmend häufiger darum, wie sie ihrer kleinen Tochter wohl eben dieses Verhalten abgewöhnen kann und sie zum Durchschlafen überreden soll.
Mit dieser Idee ist Mutter Bettina nicht allein. „Vier bis fünf Monate sind die meisten Eltern bereit, nachts aufzustehen, um dem Baby die Flasche zu geben oder das Kind zu stillen“, verrät die Früherziehungsberaterin Marion Hirsekorn.
Dieser Zeitpunkt fällt auch mit einer entscheidenden Entwicklung des Babys zusammen: Wenn ein Baby etwa sechs Monate alt ist, beginnt das Kind zu verstehen, dass es mit seinem eigenen Verhalten etwas bewirken kann. Das funktioniert aus kindlicher Sicht ganz einfach so: Nach dem Schreien kommt Mama. Das Kind freut sich, schenkt Mama
vielleicht sogar ein Lächeln, denn für das Baby ist es ein Erfolgserlebnis zu erkennen, dass es etwas „bewirken“kann. Folgt direkt eine Aktion der Mutter auf den kleinsten Schrei des Kindes, suggeriert das dem Baby auch: Wenn ich schreie, dann folgt darauf eine Reaktion von Mama. Einmal so gelernt und verinnerlicht, wird das Kind sich auch weiterhin so verhalten.
Um einen Weg zu einem ausgewogenen Schlaf zu finden, ist es nun wichtig, die Ausbildung der sogenannten „Eigenregulation“zu unterstützen. Da diese Umstellung recht anstrengend sein kann und nicht ohne Verunsicherung passiert, hat Marion Hirsekorn einige praktische Tipps parat, die im Fachjargon als „aufsteigende Beruhigungstechniken“deklariert werden.
Und so funktioniert’s: Beginnt das Kind zu schreien, zeigt sich Mama. Manchmal kann das bereits ausreichen, um das Kind zu beruhigen. Zeigt das noch keine Wirkung, spricht die Mutter mit dem Kind für zwei oder drei Minuten, aber ohne das Baby aus dem Bettchen zu nehmen. Der nächste Schritt ist das Auflegen der Hand auf die Brust. Auch diese Position wird für zwei oder drei Minuten gehalten. Im nächsten Schritt werden die Arme und Beine des Babys langsam zur Mitte geführt und in dieser Stellung für weitere zwei, drei Minuten gehalten. Tritt trotzdem keine Besserung ein, hebt die Mutter das Kind auf und trägt es aufrecht, laufend über der Schulter. Das Stillen oder die Gabe des Schnullers folgen anschließend.
Nun könnte sich auch der Grund zeigen, warum das Kind sich bis dahin nicht beruhigen ließ: „Wenn alle diese Techniken nicht wirken, dann ist das Weinen ein Weg, um Stress abzubauen“, erklärt die Expertin und ergänzt: „Babys haben nur zwei Möglichkeiten, sich vom Stress zu befreien: durch Schlafen und durch Weinen.“Weint das Kind, um den Stresslevel zu senken, ist es die Aufgabe der Eltern, ihr Baby dabei einfühlsam zu begleiten. Ist das Baby ganz sicher satt und hat eine frische Windel bekommen, ist es an den Eltern, die Tränen mit dem Baby im Arm auszuhalten. Dabei wird das Kind in seinem Stress begleitet. Die Mutter spricht in beruhigenden Worten und darüber mit dem Kind, was es wohl alles erlebt hat und wie es sich zeigt und fühlt. Weinen hat dabei den Sinn, Cortisol auszuschwemmen. Anschließend findet das Kind schneller wieder in den Schlaf.
Um den Stresslevel langfristig zu senken, können der Tagesablauf sowie die Kommunikation miteinander ein guter Ansatzpunkt sein. Bestimmt ein Rhythmus den Tag, sorgt das für Sicherheit. Auch wenn Eltern mit ihren Kindern sprachlich Kontakt halten, reduziert das nachhaltig den Stresslevel beim Baby. Im Alter von sieben, acht oder neun Monaten sind Schlafstörungen darauf zurückzuführen, dass das Baby die eigenen Entwicklungssprünge verarbeiten muss. Mit zwei oder zweieinhalb Jahren können Schlafprobleme auf die Trotzphase zurückgeführt werden. Dann müssen Eltern eine klare Grenze ziehen. Beide Phasen sind entscheidend für das spätere Schlafverhalten eines Kindes.