Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bitte schön inkognito!
Forscher haben eine Technik entwickelt, mit der man das eigene Gesicht auf fremden Fotos pixeln kann – oder durch ein anderes ersetzen
Facebook tut es schon wieder. Nachdem der amerikanische Konzern die automatische Gesichtserkennung im Jahr 2012 aus Datenschutzgründen deaktiviert hatte, ist die Funktion seit kurzem wieder scharf gestellt. Gibt man dem Internet-Riesen die Erlaubnis dazu, greifen seine Algorithmen auf alle Fotos zu, die ein Nutzer online gestellt hat und verrechnen die Gesichter der darauf abgebildeten Menschen zu einem jeweils eindeutig identifizierbaren Datensatz. Der kann dann mit den Millionen anderer Bilder auf den Facebookservern abgeglichen werden – und plötzlich weiß Facebook, wer mit wem auf einem Foto ist, dank der Bilddaten oft auch, wann und wo das Foto aufgenommen wurde oder ob neue Fotos einer Person hochgeladen wurden. Schöne neue Datenwelt. Und Facebook ist natürlich nicht allein bei der Nutzung dieser Technik. Gesichtserkennung findet immer weitere Verbreitung – mit allen datenschutzrechtlichen Problemen, die das mit sich bringt.
Forscher des Saarbrücker MaxPlanck-Instituts für Softwaresysteme haben dies zum Anlass für ein neues Forschungsprojekt genommen. Wenn heute schon so viel fotografiert wird wie nie, und die Bilder mühelos ins Internet gelangen und weltweit verbreitet werden, wäre es doch gut, dem einzelnen Nutzer mehr Kontrolle über Bilder von ihm zu geben. I-Pic heißt ihre Erfindung, die das gewährleisten soll.
Konkret haben sich Paarijaat Aditya und Peter Druschel mit Bildern aus dem Smartphone beschäftigt. Keine andere Kamera ist heutzutage so schnell bei der Hand und wird so achtlos benutzt. Und Smartphones bieten die Vernetzung, die nötig ist, damit die Technik funktioniert. Denn der Fotoapparat muss wissen, ob eine Person, die auf einem Bild zu sehen ist, ihr Gesicht verpixelt haben möchte oder nicht. Dazu müsste in Zukunft jedes neue Smartphone mit einer Software ausgestattet werden, in der man als Besitzer seine diesbezügliche Präferenz festlegt: immer verpixelt oder nur an bestimmten Orten; für Bilder aller Fotografen verpixelt oder nur für Fotos von Smartphones, deren Nummer nicht im eigenen Telefonbuch gespeichert ist, …
Diese Informationen bekommt das Telefon des Fotografen über die drahtlose Daten-Schnittstelle Bluetooth mitgeteilt. Das Problem dabei: Das Smartphone des Fotografen bekommt natürlich erst einmal die Bluetooth-Daten aller anderen Smartphones in der Nähe, also auch von Personen, die gar nicht auf dem Bild zu sehen sind. Deswegen muss die Software wissen, welches Smartphone zu welchem Gesicht gehört, um nur bei den Personen auf dem Bild die richtigen Einstellungen vorzunehmen.
Jedes Smartphone muss also erst einmal lernen, den eigenen Besitzer am Gesicht zu erkennen. Diese Daten schickt es dann – in verschlüsselter Form – permanent an alle potenziellen Fotografen in einem Umkreis von wenigen Metern, weiter reicht die Bluetooth-Sendestärke nicht. Das Telefon des Fotografen gleicht dann die Daten der Gesichter auf dem Bild ab mit allen Gesichtsdaten, die um es herumschwirren.
Das klingt kompliziert – und ist es auch. Allerdings merkt der Nutzer davon nichts. Problematischer sind eher andere Aspekte: Ständig mit sendender Bluetooth-Schnittstelle herumzulaufen, öffnet potenziellen Angreifern auch einen weiteren Kanal auf das Smartphone. Und noch gravierender: Um die eigenen Persönlichkeitsrechte und das Recht am eigenen Bild zu schützen, muss jeder Nutzer erst einmal sehr viel persönliche Daten von sich preisgeben und darauf vertrauen, dass diese Daten dann tatsächlich sicher gespeichert sind.
Dass so etwas möglich ist, versichern die Forscher. Die Software könne feststellen, ob zwei Bilder gleich sind, ohne die Bilder als solches preiszugeben. Das heißt, das Smartphone eines Fotografen speichert nie die realen Bilddaten einer Person, wenn diese ihre Präferenz auf gepixelt eingestellt hat. Das Gesicht im geschossenen Bild ist schon verpixelt, wenn das Foto auf dem Handy-Bildschirm erscheint.
All diese Rechenprozesse würden die Rechenleistung und den Akku eines Smartphones aber ziemlich schnell in die Knie gehen lassen. Deswegen werden die ganzen Prozesse im Hintergrund auf eine Cloud ausgelagert und nur die Ergebnisse zurück ans Smartphone geschickt.
Aber die Technik kann noch mehr. Denkbar wäre, dass man in den eigenen Präferenzen einstellt, wie man auf fremden Fotos aussehen will: Warum nicht einmal eine andere Haar- oder gar Hautfarbe ausprobieren? Oder sich ein paar Jahre jünger machen lassen? Oder sich gleich statt dem eigenen Gesicht ein fremdes auf den Körper montieren lassen? Und noch eine Erweiterung ist denkbar: Was bei Fotos geht, funktioniert im Grundsatz auch bei Videos. In jedem Falle Grund genug, Bildern noch mehr zu misstrauen. Matthias Zimmermann