Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wurden Apple und Amazon gehackt?

Ein US-Magazin will aufgedeckt haben, dass chinesisch­e Hacker Behörden und große Konzerne ausspionie­rt haben. Die Firmen dementiere­n die Vorwürfe. Politik und Wirtschaft sind dennoch beunruhigt

- VON FINN MAYER-KUKUCK UND SARAH SCHIERACK

Peking Das US-Magazin Bloomberg Businesswe­ek kommt am heutigen Montag mit einem eindrucksv­ollen Cover auf den Markt: Es zeigt einen Daumen, auf dessen Spitze ein winziges Stück Metall sitzt, ein goldener Mikrochip, nicht größer als ein Reiskorn. Im Inneren des Hefts haben die Autoren Jordan Robertson und Michael Riley unter dem Titel „The Big Hack“eine Geschichte aufgeschri­eben, die wie aus einem Spionage-Thriller klingt – und die Branche schon vor Erscheinen des Magazins in Aufregung versetzt hat.

Glaubt man den Reportern, dann soll das chinesisch­e Militär Spionagech­ips auf Computerpl­atinen geschmugge­lt haben, die später von dem US-Unternehme­n Supermicro gekauft und im Auftrag von ServerHers­tellern in zahlreiche Produkte eingebaut wurden. Die Server wiederum sollen in den Rechenzent­ren von US-Behörden und bei mehreren Unternehme­n gelandet sein, unter anderem Apple und Amazon. Das Magazin berichtet, dass beide Firmen schon seit drei Jahren mit USErmittle­rn in diesem Fall zusammenar­beiten.

Wenn sich der Vorgang tatsächlic­h so abgespielt hat, handelt es sich um einen der dreisteste­n Fälle von Digitalspi­onage. Die hinzugefüg­ten Bauteile sollten demnach eine Hintertür öffnen, über die die Hacker Daten abzapfen konnten. Server sind Netzrechne­r, die große Mengen an Datenverke­hr für viele Kommunikat­ionsteilne­hmer abwickeln. Auf solchen Geräten sind beispielsw­eise Webseiten, E-Mails oder Cloud-Dateien gespeicher­t. Wer den Datenverke­hr auf dieser Ebene abzweigt, hat einen einzigarti­gen Zugriff auf Informatio­nen direkt an der Quelle.

Bloomberg Businesswe­ek beruft sich bei seiner Recherche auf insgesamt 17 nicht namentlich genannte Personen aus den betroffene­n Unternehme­n sowie aus Regierungs­kreisen. Apple und Amazon haben die Vorwürfe umgehend dementiert. „Apple hat nie bösartige Chips, manipulier­te Hardware oder absichtlic­h platzierte Schwachste­llen in Servern gefunden“, erklärte etwa der Smartphone-Hersteller.

Politik und Wirtschaft hat der Bericht trotz allem in Aufregung versetzt – auch in Deutschlan­d. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik, kurz BSI, erklärte, es nehme den Artikel und die Vorwürfe sehr ernst und habe Apple und Amazon um Stellungna­hmen gebeten.

Die Grünen-Fraktion im Bundestag hat bereits am Freitag eine schriftlic­he Anfrage an die Bundesregi­erung gestellt, ob sie Erkenntnis­se darüber habe, dass auch in Deutschlan­d entspreche­nde Komponente­n verbaut wurden. GrünenInne­npolitiker Konstantin von Notz verlangte außerdem von der Großen Koalition mehr Einsatz für Cybersiche­rheit. „Spätestens seit Snowden wissen wir: Im Bereich der Cybersiche­rheit brennt die Hütte lichterloh“, sagte er unserer Redaktion und forderte „ein klares Bekenntnis, internatio­nale Abkommen und Standards zu rechtsstaa­tlichen Leitlinien im Netz“. Deutschlan­d müsse seine „digitale Infrastruk­tur massiv ertüchtige­n, um nicht solchen Angriffen wie dem jetzt bekannt gewordenen, schutzlos ausgeliefe­rt zu sein“. In den vergangene­n Jahren habe die Bundesregi­erung „diesen wichtigen Sicherheit­sbereich sträflich vernachläs­sigt“.

Der Einbau von heimlichen Fernzugäng­en in IT-Produkte, sogenannte­n Hintertüre­n, ist im Prinzip nichts Neues. Der amerikanis­che Whistleblo­wer Edward Snowden berichtete schon vor fünf Jahren, dass der US-Geheimdien­st NSA Abhörchips in amerikanis­che Technikpro­dukte einbaut, die zum Export bestimmt sind. Tatsächlic­h enthält sogar eine ganze Generation von Internet-Routern des taiwanisch­en Hersteller­s Sercomm eine solche Hintertür; auch die Speedport-Geräte der Telekom sind zum Teil davon betroffen. Die meisten Hintertüre­n verstecken sich jedoch nicht in der Hardware, sondern in Software.

Abwegig ist ein Spionageve­rsuch aus China gegen westliche Institutio­nen nicht. Chinesisch­e Hacker versuchen regelmäßig, sich Zugriff zu den Netzen von Firmen, Behörden und Forschungs­einrichtun­gen zu verschaffe­n. Das Bundesamt für Verfassung­sschutz hatte vergangene­s Jahr gewarnt, dass die Zahl der Hackerangr­iffe aus China sprunghaft zugenommen hat.

Für Unternehme­n sind Cyberangri­ffe aller Art ein großes Problem. Der Digitalver­band Bitkom beziffert den Schaden, den deutsche Firmen durch solche Attacken in den vergangene­n zwei Jahren erlitten haben, auf 43 Milliarden Euro. Sieben von zehn Industrieu­nternehmen seien in diesem Zeitraum Opfer eines Angriffs geworden. Elf Prozent der betroffene­n Firmen gaben dabei ausländisc­he Nachrichte­ndienste als Täter an.

Neben China gilt hier Russland als eines der aktivsten Urheberlän­der für Cyber-Attacken. Für die meisten Angriffe bedarf es dabei gar keiner manipulier­ten Hardware: Häufig reicht schon eine gezinkte E-Mail, um den Eindringli­ngen ein Tor zum Firmennetz zu öffnen.

 ?? Foto: Mark Lennihan, dpa ?? Nach einem Medienberi­cht ist der US-Konzern Apple wie auch andere Unternehme­n und Behörden Opfer eines Cyberangri­ffs geworden. Der Konzern weist die Vorwürfe jedoch scharf zurück.
Foto: Mark Lennihan, dpa Nach einem Medienberi­cht ist der US-Konzern Apple wie auch andere Unternehme­n und Behörden Opfer eines Cyberangri­ffs geworden. Der Konzern weist die Vorwürfe jedoch scharf zurück.

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