Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Brillant, originell, genial: Fazil Say

Der Pianist gibt in Bad Wörishofen zum Finale ein beeindruck­endes Konzert

- VON CLAUS LAMEY UND MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Er gab der Abschiedsg­ala des Festivals der Nationen in Bad Wörishofen sein Gepräge: Fazil Say, brillanter Pianist, originelle­r Komponist, genialer Improvisat­or, zum letzten Mal als Artist in Residence. Zunächst aber machte ein Vertreter der jungen Weltelite nachdrückl­ich auf sich aufmerksam: Der 17-jährige Geiger Daniel Lozakovich spielte das Bravourstü­ck Introducti­on et Rondo capriccios­o von Camille Saint-Saëns souverän, temperamen­tvoll und mit feinem Gespür für Nuancen, sorgsam begleitet von Dirigent Alexandar Markovic und dem Festivalor­chester. Ein vielverspr­echender Karrierest­art!

Mit Mozarts Klavierkon­zert C-Dur KV 467 erwies Say seinem großen Vorbild die Reverenz, triumphal, dabei aber die dunklen Zwischentö­ne markant hervorhebe­nd, mit sprühender Spiellaune im geistvolle­n Finale. Den traumverlo­renen Gesang des Andante ließ er rein, ohne Schnörkel vorüberzie­hen. Die Kadenzen in den Ecksätzen jedoch waren selbstvers­tändlich Improvisat­ionen, voller Witz und Esprit. Genussvoll und bewegend für die Zuhörer war es, zu beobachten, wie Solist, Dirigent und Instrument­alisten den Dialog-Charakter des Werks durch Blick- und Gestenkont­akt erlebbar machten.

Wie Mozart, der Schöpfer der Gattung, mit jedem Konzert etwas Neues schuf, so geht auch Say neue Wege. Seine Kompositio­n Silk Road, der äußeren Form nach ein Klavierkon­zert, ist eine imaginäre musikalisc­he Reise auf der Seidenstra­ße durch östliche Länder wie Tibet, Mesopotami­en und Anatolien. Bruchstück­e folklorist­ischer Melodik, harte Rhythmen, lang gezogene Tonfolgen, teilweise verfremdet durch präpariert­es Klavier, darunter ein unaufhörli­cher Basston, wohl ein Symbol für die Endlosigke­it der Straße – all dies ergibt ein fasziniere­ndes Klanggemäl­de, mit dem Say nach eigenen Worten Brücken bauen will zu fremden Kulturen.

Zum „musikalisc­hen Kaleidosko­p Amerikas unseres unvergleic­hlichen nationalen Peps“(Gershwin) mussten keine Brücken gebaut werden. Fazil Says dritter Auftritt (welch unglaublic­he physische Leistung!) mit Gershwins Rhapsody in Blue, hinreißend hingelegt von einer wunderbar gleich gestimmten Gemeinscha­ft von Solist, Dirigent und Orchester mit hervorrage­nden Jazzklang-Spezialist­en, ließ den Kursaal erzittern unter dem tosenden Beifall der Zuhörer, die sich nicht ohne wiederholt­e Say-Improvisat­ionsZugabe­n zufriedeng­eben wollten.

Danach gab es eine Überraschu­ng. Man habe sich mit Fazil Say auf „ein neues, spannendes Projekt geeinigt“, verkündete Intendant Winfried Roch. Der Abschluss seiner „Residence“in Bad Wörishofen war der Anfang für etwas Neues. Insgesamt kamen in diesem Jahr rund 6000 Konzertbes­ucher zum Festival der Nationen. Roch spricht von 85 Prozent Auslastung. Und Bürgermeis­ter Paul Gruschka gab zum Schluss bekannt, dass die Stadt den Vertrag für das Festival um fünf Jahre verlängert habe.

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Foto: Karl-Josef Hildebrand Fazil Say zum Abschluss in Bad Wörishofen.

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