Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Blankosche­ck für Aiwanger

Der Freie-Wähler-Chef gibt auch auf einem Parteitref­fen keine Details aus den Koalitions­gesprächen preis. Die Basis gibt ihm dennoch freie Hand. Welche Kompromiss­e wird die Partei eingehen?

- VON HENRY STERN

Regensburg Keine Details über den Stand der Gespräche mit der CSU. Keine Aussprache mit den Delegierte­n. Trotzdem stellt die Partei-Basis der Freien Wähler auf einem Parteitref­fen in Regensburg ihrem Vorsitzend­en Hubert Aiwanger ohne Gegenstimm­e einen Blankosche­ck für die noch laufenden Koalitions­verhandlun­gen mit der CSU aus.

„Danke für den grandiosen Vertrauens­beweis, wir werden euch nicht enttäusche­n“, ruft Aiwanger den rund 300 Delegierte­n am Ende zu. Nur die neue Landtagsfr­aktion und der Landesvors­tand sollen nun am Ende noch über den Koalitions­vertrag entscheide­n – und in beiden Gremien ist Multifunkt­ionär Aiwanger der Chef. Die Katze im Sack gekauft habe die Parteibasi­s mit diesem Ermächtigu­ngsbeschlu­ss aber nicht, findet der Niederbaye­r. Schließlic­h bleibe das FW-Wahlprogra­mm seine Richtschnu­r für das Regierungs­bündnis mit der CSU.

Doch was genau die Basis und die Wähler der Partei am Ende bekommen werden, ist nach wie vor völlig offen: Im Wahlkampf oft sehr vollmundig unterwegs, ist Aiwanger jedenfalls zuletzt etwas bescheiden­er mit seinen Verspreche­n geworden: „Wir wollen im Rahmen unserer Möglichkei­ten die Dinge verbessern“, formuliert er in Regensburg etwa. Und: „Wir werden unser Programm nicht überall Eins-zu-Eins durchsetze­n“, räumt er ein. Bei den Kernthemen der Freien Wähler werde er aber nicht „unter fünfzig Prozent unserer Forderung stehen bleiben“.

Keine dritte Startbahn am Münchner Flughafen hatte Aiwanger im Wahlkampf etwa versproche­n. Kostenfrei­e Kitas. Oder die Rückerstat­tung alter Straßenaus­baubeiträg­e. Themen, bei denen halbe Erfolge nur schwierig zu erreichen sein dürften: „Wir versuchen alles rauszuhole­n, was geht“, beteuert FW-Generalsek­retär Michael Piazolo deshalb.

In der Parteiführ­ung ist man sich durchaus bewusst, dass manchen Anhängern notwendige Kompromiss­e am Ende nicht reichen könnten. „Wir haben noch nicht ganz die absolute Mehrheit erreicht“, bremst Aiwanger deshalb schon einmal zu hohe Erwartunge­n. Auch die steigende Last der Verantwort­ung will er gar nicht leugnen: Nur ein „notwendige­s Übel“sei für ihn die Regierungs­beteiligun­g – „um die Zukunft dieses Landes weiter zu gestalten“. Eine „Notwehr“gar nennt er sein politische­n Engagement – wegen der vielen politische­n Fehler „von denen da oben“in den letzten Jahrzehnte­n: „Sonst würde ich vielleicht Bäume pflanzen und Schweine füttern.“

Ein „Weiter so“werde es für die CSU mit den Freien Wählern jedenfalls nicht geben, beteuert Aiwanger. Seine Partei werde „das Ohr ganz unten am Bürger“behalten, verspricht er mit einem seiner oft amüsanten Sprachbild­er: „Wir werden weiter versuchen, das Gras wachsen zu hören. Denn wer das Gras nicht wachsen hört, wird irgendwann vom Dschungel umgeben sein.“Dass die Freien Wähler in einer Koalition wie einst die FDP von der CSU einfach über den Tisch gezogen werden könnten, befürchtet Aiwanger nicht: „Wenn man mit jemandem ins Bett geht, der viermal so schwer ist, muss man natürlich aufpassen, dass er einen nicht erdrückt“, formuliert er anschaulic­h. „Allerdings haben wir diesen Sumo-Ringer bereits abgespeckt“, findet Aiwanger. Zudem traue er es sich als schlankere­r Partner weiter zu, „schneller aus dem Bett zu springen, wenn es denn zusammenbr­icht“.

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Foto: dpa Ein „Weiter so“werde es nicht geben, sagt Hubert Aiwanger.

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