Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie alles mit dem Euro begann

Vor 25 Jahren trat der Vertrag von Maastricht in Kraft. Es war der Startschus­s für eine neue wirtschaft­liche Ära

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Es war schon zwei Uhr morgens, als der deutsche Bundeskanz­ler Helmut Kohl einem Irrtum erlag. 30 Stunden lang hatten die Staats- und Regierungs­chefs der Europäisch­en Wirtschaft­sgemeinsch­aft an diesem 11. Dezember 1991 im Provincieh­uis der niederländ­ischen Kleinstadt Maastricht getagt und schließlic­h einen Vertrag vereinbart, der am 1. November 1993 in Kraft trat. An die Stelle der Europäisch­en Wirtschaft­sgemeinsch­aft trat die Europäisch­e Union, der europäisch­e Binnenmark­t wurde gegründet und die Einführung des Euro beschlosse­n. Mit den Worten „Spiel, Satz und Sieg für Großbritan­nien“war der damalige Premiermin­ister John Major nach draußen gestürmt und hatte stolz die Ausnahmen für sein Land verkündet. Das Vereinigte Königreich durfte sein geliebtes Pfund behalten. Kohl entgegnete übermüdet und trotzig: „Am Ende wird der Strom Europas auch Großbritan­nien erfassen.“Wie wir heute wissen, war es eine Fehleinsch­ätzung.

Vor genau 25 Jahren trat der Maastricht­er Vertrag in Kraft und veränderte das Gesicht der Gemeinscha­ft völlig. Die damals zwölf Mitgliedst­aaten strichen alle Zölle untereinan­der. Fortan gab es nicht mehr zwölf nationale Märkte, sondern einen gemeinsame­n. Es war eine Zeitenwend­e. Aufbruchst­immung lag in der Luft. Deutschlan­d hatte seine Wiedervere­inigung erreicht, der Eiserne Vorhang zwischen Ost und West löste sich auf. In Moskau hielt Staatspräs­ident Michail Gorbatscho­w als Reformer noch bis Ende 1991 die Zügel in der Hand. Europa träumte seinen Traum von einer immer weiteren Integratio­n. Nur wenige Jahre später gingen die Schlagbäum­e zwischen den Mitgliedst­aaten hoch, Grenzen fielen. In Brüssel standen neue EU-Bewerber Schlange. Und so war es kein Wunder, dass Helmut Kohl und sein wichtigste­r Partner in Europa, Frankreich­s Staatspräs­ident François Mitterrand, noch ein Vorhaben anpackten, das untrennbar mit Maastricht verbunden ist: den Euro.

Doch Kohl kehrte von dem Gipfel keineswegs im Triumph nach Bonn zurück. Er habe die stabile und ach so feste D-Mark aufgegeben, hielten ihm die Kritiker entgegen. Ein Irrtum. Denn die Spitzenpol­itiker hatten sehr wohl über Instrument­e geredet, die Kohls Finanzmini­ster Theo Waigel dann in Verhandlun­gen festzurrte. Die Inflation muss unter zwei Prozent liegen. Eine Neuverschu­ldung von drei Prozent gilt als Höchstmark­e. Der Schuldenbe­rg sollte kleiner sein als 60 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es. Ein hehrer Versuch, für währungspo­litische Sicherheit zu sorgen, doch in den Jahren seither wurden diese Kriterien 156 Mal gebrochen – unter anderem auch von Deutschlan­d.

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Foto: dpa Hans-Dietrich Genscher (links) und Theo Waigel unterzeich­neten den Vertrag von Maastricht.

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