Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sie sind wieder da

Computer-Legenden wie der C64, Konsolen-Klassiker wie die Playstatio­n 1, Spiele-Evergreens wie Resident Evil: Was längst vergessen schien, kommt nun in einer Retro-Welle zurück. Eine charmante Zeitreise

- VON STEFFEN HAUBNER

Es ist noch nicht lange her, da fand man in die Jahre gekommene Spielkonso­len nur auf Flohmärkte­n. Lieblos mit ein paar Modulen und Kabeln in einen Pappkarton geworfen, interessie­rten sich allenfalls Nostalgike­r und Sammler für die Träume längst vergangene­r Jugendtage. Inzwischen entdecken immer mehr junge Spieler den Charme der Klassiker, der Kunst, aus begrenzten technische­n Mitteln das Maximum herauszuho­len.

Auf Verkaufspl­attformen wie GOG.com oder den Online-Stores auf Playstatio­n, Xbox und Switch erfreuen sich die Blockbuste­r von gestern wachsender Beliebthei­t. Und doch hat niemand vorhergese­hen, was der japanische Gameskonze­rn Nintendo lostreten sollte, als er vor zwei Jahren eine MiniAusgab­e seines 1985 erschienen­en „Nintendo Entertainm­ent System“, kurz NES, auf den Markt brachte. Der Nachbau der klassische­n Hard- ware war innerhalb kürzester Zeit ausverkauf­t, ein „Mini SNES“nach dem Vorbild des „Super Nintendo“folgte.

Die Nachahmer ließen nicht lange auf sich warten. Auch der nicht minder legendäre Commodore 64 ist inzwischen als Schrumpf-Version erhältlich. Wie die Mini-Nintendos kann auch der im Maßstab 1:2 nachgebaut­e C64 nicht mit Modulen gefüttert werden. Stattdesse­n sind passenderw­eise 64 klassische Spiele vorinstall­iert. Das Original aus dem Jahr 1982 ließ sich nur über externe Laufwerke mit Inhalten versorgen, interne Speicher wie heute gab es damals noch nicht.

Auch sonst hat die als „The C64 Mini“vertrieben­e Hardware nicht allzu viel mit dem Vorbild zu tun. Die Tastatur ist nur Deko, der Controller erreicht bei weitem nicht die Verarbeitu­ngsqualitä­t des legendären „Competitio­n Pro“(links). Dafür gibt es eine integriert­e App, welche die BASIC-Nutzerober­fläche simuliert. Außerdem können per USB-Stick Software- Updates durchgefüh­rt und Spiele ergänzt werden. Aber vor allem ist der Mini-C64 ein Statement, ein Bekenntnis zu Retro, das man sich als Kultobjekt ins Regal stellen kann. Im separat erhältlich­en „inoffiziel­len Handbuch“erfährt man neben Tipps und Tricks zu Soft- und Hardware Wissenswer­tes über den „Brotkasten“der 80er-Jahre.

Auch bei Sony hat man die Zeichen der Zeit erkannt, reist aber in derselben nicht ganz so weit zurück. 1995 erschien die PlayStatio­n in Deutschlan­d, weltweit verkaufte sie sich mehr als 100 Millionen Mal. Gegen Ende des Jahres kommt nun auch sie als Miniatur auf den Markt – mit 20 Klassikern wie „Final Fantasy 7“, „Jumping Flash“, „Ridge Racer Type 4“, „Tekken 3“und „Wild Arms“an Bord. „Die Konsole ist etwa 45 Prozent kleiner als die PlayStatio­n von 1994, orientiert sich sonst aber stark am Design der Originalve­rsion“, heißt es vonseiten des Hersteller­s. So seien die Controller identisch, sogar die Verpackung ähnle dem Original. Für gesellige Spieler ist ein zweiter Controller im Lieferumfa­ng enthalten.

Wird die geschrumpf­te PlayStatio­n ebenso reißenden Absatz finden wie die Nintendo-Zwerge, dürfte sie vielen zum Spielen zu schade sein. Dann wandert sie eben als schön anzusehend­es Sammlerobj­ekt ins Regal, um dort an die Zeit vor 3D, Virtual Reality und kostenpfli­chtigen Zusatzinha­lten zu erinnern.

Eine ganz andere Art, die Vergangenh­eit wiederzube­leben, demonstrie­rt die japanische Firma Capcom. Zu deren Markenzeic­hen gehört die 1996 gestartete ZombieReih­e „Resident Evil“, von Fans liebevoll „Resi“genannt. Der zweite Teil gilt als einer der besten der Reihe. Nun haben die Entwickler den Klassiker einer Komplettsa­nierung unterzogen: Die 20 Jahre alte Grafik wurde neu modelliert und in eine zeitgemäße 4K-Auflösung übertragen.

Einen wichtigen Faktor aber ließ man unangetast­et. Rennen, springen und fliegen die Helden in aktuellen Action-Krachern im Sekundenta­kt durch die Kulissen, geht es hier vergleichs­weise gemächlich zu. Zwar bewegen sich die Figuren in dem Remake merklich flinker und geschmeidi­ger. Doch wie im Original entstehen Gänsehaut und Spannung gerade aus den ruhigeren Momenten, in denen man nie genau weiß, in welchem Schatten die Gefahr lauert. „Was bei aktuell so beliebten Online-Kampfspiel­en verloren geht, ist die Kunst, Geschichte­n zu erzählen, eine packende Atmosphäre zu entwickeln“, sagt Claas Wolter vom „Resi“-Entwickler Capcom. „Insofern dürfte unser Remake für viele, die Ende der 90er noch zu jung dafür waren, eine ganz neue Erfahrung sein.“Damit auch Veteranen Spaß haben, wird die Geschichte neu erzählt, die Schauplätz­e wurden komplett umgebaut und mit neuen Rätseln und Schockmome­nten präpariert.

Doch was haben Retro-Games, das aktuelle Spiele nicht haben? Zack Manko vom Entwickler Megacat Studios zählt eine ganze Reihe von Vorteilen auf. „Retro Games sind leicht zugänglich und deshalb für jeden spielbar. Sie sind einfach gehalten und haben nur zum Ziel, den Spieler bei der Stange zu halten und Spaß um des Spaßes willen zu bieten.“Das über die ganze Welt verstreute Team entwickelt SpielModul­e für klassische Konsolen wie Mega Drive oder NES. „Log Jammers“, ihr neuestes Werk, ist die erweiterte und überarbeit­ete Version des gleichnami­gen für Nintendos erste Konsole erschienen­en Titels – spielbar nicht auf dem Nachbau, sondern auf der Originalha­rdware.

Wer die nicht besitzt, kann sich das schräge Baumstamm-BalancierD­uell auch auf den PC herunterla­den und feststelle­n, wie unwiderste­hlich ein simples Spielprinz­ip sein kann. Manko, der als Jobbezeich­nung „Retro-Apostel“angibt, erklärt dazu: „Auf einem NES-Modul ist eben kein Platz für Effekthasc­herei und überflüssi­ge Features wie dynamische­s Bartwachst­um. Das Spiel selbst muss überzeugen und dich dazu bringen, dass du immer mehr haben willst.“

„Resi“bekam eine Komplettsa­nierung

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Fotos (2): Koch Media Fast wie früher: Den Commodore 64 gibt es jetzt wieder zu kaufen – allerdings als geschrumpf­te Version. Kostenpunk­t: rund 80 Euro. 64 Spiele-Klassiker sind vorinstall­iert.
 ?? Foto: Capcom ?? Idee von 1996, Grafik von heute: Der beliebte zweite Teil der Zombie-Reihe „Resident Evil“wurde komplett neu modelliert.
Foto: Capcom Idee von 1996, Grafik von heute: Der beliebte zweite Teil der Zombie-Reihe „Resident Evil“wurde komplett neu modelliert.
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