Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Einfach mal so eine Revolution, darf man das?
Heute starten wir hier im Feuilleton regional mit einer neuen Serie, drehen wir die Zeit um 100 Jahre zurück und lassen den Historiker Reinhold Forster erzählen, was in Augsburg geschah, als es in Bayern 1918/19 die rote Revolution gab. Im Mai haben wir uns das erste Mal mit Forster über diese Serie unterhalten. Damals war uns nicht bewusst, wie viel mehr in Augsburg zu diesem Thema in diesen Tagen angeboten wird.
Je näher nun der November und das Jubiläum kam, desto mehr Flyer und Vorankündigungen trudelten ein. In den Thalia-Kinos gibt es eine Kombination aus Filmen und Lesung; der Buchhändler Kurt Idrizovic und der Schauspieler Matthias Klösel haben eine Veranstaltungsreihe aus Lesungen, Vorträgen und Theaterstücken zum Thema zusammengestellt. Das Stadtarchiv plant im nächsten Jahr eine kleine Ausstellung, die Staatsund Stadtbibliothek eine größere Schau, die sich mit Bertolt Brecht und der Revolution auseinandersetzt. Die wilden Monate in Bayern, die so blutig endeten, treffen heute auf einen fruchtbaren Boden. Damals schien alles möglich, auch eine revolutionäre Regierung, geführt unter anderem von der linken Münchner Künstlerbohème.
Und ja: Ich erinnere mich noch, eine meiner ersten Anschaffungen als Germanistikstudent war eine Ernst-Toller-Gesamtausgabe. Damals dachte ich mir: Was für Schriftsteller, was für Kerle! Heute stelle ich mir die Frage, ob sie nicht hätten ahnen müssen, welche Folgen ein Scheitern der Revolution nach sich zieht – und ob sie nicht selbst sich hätten fragen müssen, ob sie das richtige Personal für eine Revolution sind. Das ist ja aktuell: In Syrien ist zu sehen, was geschehen kann, wenn eine Revolution nicht zum Ziel kommt.
Es lohnt sich, diese verrückten und entscheidenden Monate nach dem Ersten Weltkrieg noch einmal genau anzuschauen. So vieles nimmt dort seine Anfänge: die uneinige und zerrissene Arbeiterschaft in Deutschland, dann auch eine Formierung von rechten, nationalen, gewaltbereiten Kreisen, die ein paar Jahre später in München zum Hitler-Putsch 1923 führte. Wie es von da an weitergeht, ist bekannt.
* * * „Intermezzo“ist unsere KulturKolumne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefallen ist.