Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Luther im Schnelldurchlauf als Pop-Oratorium
Der Chor gewaltig, die Sänger professionell: Die Show um den Reformator kommt im Kongress am Park gut an
Die Vorzeichen des Abends waren nicht klar, die Gefühle anfangs gemischt. Es gab Stimmen, welche das Luther-Pop-Oratorium in den Himmel lobten. Auf der anderen Seite stehen Kritiker wie Jan Böhmermann oder Welt-Autor Manuel Brug. Letzterer verglich die Aufführungen mit Scientology-Veranstaltungen. Mittlerweile wurde „Luther“in allen großen deutschen Städten aufgeführt, tausende Zuschauer zog es in die Hallen. Nun war Augsburg an der Reihe, pünktlich zum Jubiläum von Luthers Augsburg-Aufenthalt 1518. Am Donnerstagabend spielte die Stammbesetzung um Frank Winkels im nicht ganz ausverkauften Kongress am Park.
Luthers Geschichte wird im PopOratorium im Schnelldurchlauf erzählt, von seiner Kindheit bis zur Wartburg. Im Mittelpunkt der Inszenierung steht Luthers Auftritt im Wormser Reichstag 1521. Im Stück wird er dort wie ein Rockstar gefeiert. Es ist laut und hell, die Performance beeindruckend. Man merkt, dass das Ensemble ein eingespieltes Team ist. Sechs Bandmitglieder, der Rest kommt vom Band. Dennoch ist das Professionalität auf höchstem Niveau. Die elf Sängerinnen und Sänger trotzen den anspruchsvollen Tonlagen mit lupenreiner Intonation. Auch der Chor ist imposant: 250 Mitglieder, von neun bis 85 Jahren. Dazu eine coole Lichtshow mit Rauch aus Nebelmaschinen.
Aus musikalischer Sicht ist die Handschrift des Komponisten Dieter Falk nicht eindeutig zu erkennen, dafür hat er sich zu vieler Genres bedient: vom Broadway-Musical, über die Popballade bis zum deutschen Popschlager. Hier und da wird das mit kirchenmusikalischen Elementen erweitert, beispielsweise mit einem Kanon oder Choral. Auch Abstecher nach Hollywood und zum amerikanischen Gospel werden gemacht. Positiv aufgefallen sind die immer wiederkehrenden und interessant verarbeiteten Leitmotive. Die Musik wird so zum Ohrwurm. Unterm Strich ist es eine musikalische Reise durch die Popgeschichte. Dieses Gesamtpaket ist für deutsche Musical-Verhältnisse ziemlich einzigartig. Das Publikum honoriert zum Schluss die Show mit Standing Ovations.
Die teilweise heftige Kritik am Stück und der Inszenierung ist nicht ganz nachzuvollziehen. Klar, Luther ist bis heute noch eine polarisierende Persönlichkeit. Es war damals sicherlich nicht alles Gold, was heute glänzt. Doch das Pop-Oratorium ist keineswegs eine Glorifizierung Luthers. Auch und vor allem die unangenehmen Themen der Kirchengeschichte werden thematisiert und in Frage gestellt – Themen, die bis heute noch von Bedeutung sind. Das Stück allein an der Figur Luther festzumachen, ist falsch. Es war keine sektenhafte Darstellung, wie mancher Kritiker behauptet. Man muss dabei gewesen sein, um mitreden zu können. Ein TV-Mitschnitt genügt nicht.