Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Plötzlich Lebensretter
Als ein Mann bei der Firma Keimfarben in Diedorf in ein Farbpulver-Silo stürzt, zieht Wojtek Lukas Czechaczek ihn ohne nachzudenken hinaus. Für sein Eingreifen hat er nun die „Patrona Bavaria“-Medaille erhalten
Diedorf Ein sonniger Montag im Mai: Bei der Firma Keimfarben in Diedorf rollt ein Lastwagen an, der Rohstoffpulver liefert. Wojtek Lukas Czechaczek nimmt die Lieferung entgegen. Er spricht kurz mit dem Fahrer bevor dieser auf den Laster klettert, um in etwa vier Metern Höhe eine Stoffprobe aus dem Silo zu entnehmen. Die soll Czechaczek anschließend zur Qualitätssicherung ins Labor schicken. Eigentlich ist alles wie immer. Doch plötzlich hört Czechaczek dumpfe Hilfeschreie. Sie dringen aus dem Lastwagen-Silo nach draußen. Als er nach oben schaut, sieht er nur noch die zappelnden Beine des Fahrers aus der Siloöffnung schauen.
Was zunächst lustig ausgesehen haben mag, ist bitterer Ernst. Der Fahrer schwebt in Lebensgefahr. Bei der Probenentnahme hat er das Gleichgewicht verloren und ist kopfüber ins Silo gestürzt. Mit seinem Becken steckt er noch in der Öffnung, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis er hineinstürzt. Im Inneren: feines Pulver, feiner noch als Mehl, fast flüssig. Wer ins Silo stürzt, hat quasi keine Chance, sich zu befreien, geschweige denn den Kopf an der Oberfläche zu halten.
Ohne groß nachzudenken klettert Czechaczek auf das Fahrzeug, greift den Fahrer am Gürtel und den Beinen und zieht ihn heraus. „In diesem Moment habe ich gar nicht groß nachgedacht, sondern einfach gehandelt“, erinnert sich der 31-Jährige. Aus eigener Kraft hätte sich der Fahrer niemals befreien können. Woher Czechaczek die Kraft nahm, den deutlich schwereren Mann aus dem Silo zu ziehen, wisse er selbst nicht. „Ich habe ihn anschließend erst einmal im Arm gehalten, damit er sich sicher fühlt.“Der Fahrer, meint Czechaczek, habe dem Tod in diesem Moment ins Gesicht geblickt: „Ich glaube, der hatte seinen Zug schon vorbeifahren sehen.“
Schlimmeres ist nicht passiert. Lediglich eine Verletzung an der Schulter trug der Lastwagen-Fahrer von seinem Sturz ins Silo davon. Und er sei geschockt gewesen, erinnert sich Czechaczek – genau so wie er selbst. „Ich musste das erst einmal verarbeiten, habe mit Kollegen und Freunden über das Geschehene gesprochen“, sagt der 31-Jährige, der mit seiner Lebensgefährtin in Augsburg wohnt. Auch heute noch spüre er die Nachwirkungen des Unfalls, der durch sein Eingreifen so glimpflich ausgegangen ist: „Ich habe täglich im Kopf, dass so etwas passieren kann. Jedes Mal, wenn eine Rohstoff-Lieferung kommt, erinnere ich mich an den Unfall.“
Auf den Lastwagen hätte Czechaczek zur Rettung des Mannes übrigens gar nicht klettern dürfen. „Da bin ich nicht versichert. Aber das war mir in dem Moment egal“, sagt er. „Bevor ich jemanden um Erlaubnis gefragt hätte, ob ich ausnahmsweise hinaufsteigen darf, wäre der Fahrer schon ins Silo hineingestürzt.“Heute achte Czechaczek darauf, die Lastwagen-Fahrer, die Rohstoffe anliefern, immer im Auge zu behalten, wenn sie auf dem Silo stehen und die Stoffprobe entnehmen. „Ich bin vorsichtiger geworden und passe auf, dass ich jedem helfen kann, wo es nur geht.“
Für sein beherztes Eingreifen im Frühjahr hat Wojtek Lukas Czechaczek die Medaille „Patrona Bavaria“des Ministerpräsidenten Markus Söder sowie eine Ehrenurkunde des Regierungspräsidenten Erwin Lohner erhalten. Sein Arbeitgeber hatte ihn für die Auszeichnung ● Christophorus-Medaille
Seit 1. Januar 1984 wird die „Christophorus-Medaille“für Rettungstaten verliehen, die ohne unmittelbare Le- vorgeschlagen. Landrat Martin Sailer, der Czechaczek die Medaille überreichte, sagte: „In Zeiten, in denen häufig erst das Smartphone gezückt wird, bevor darüber nachgedacht wird zu helfen, ist es besonders wichtig, dass selbstlose Rettungstaten wie Ihre in der Öffentlichkeit bekannt werden.“
Einmal noch hat Czechaczek den Lastwagen-Fahrer nach dem Unfall gesehen. „Er hat sich bei mir bedankt, dass ich ihm das Leben gerettet habe.“