Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die SPD: Eine Partei auf verlorenem Posten

Egal, wer auf die Vorsitzend­en Merkel und Seehofer folgt: An der Seite der Union können die Sozialdemo­kraten nur noch verlieren. Kracht es im Dezember?

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger-allgemeine.de

Der Irrtum gehört zur Politik wie die Kuppel auf den Reichstag. „Das wird eine gute Regierung“, prophezeit­e der angehende Vizekanzle­r Olaf Scholz, als Union und SPD sich im März auf eine neue Koalition geeinigt hatten. Keine acht Monate später jedoch hat diese Regierung ihre besten Momente schon wieder hinter sich – sofern sie überhaupt welche hatte. Ihr endgültige­s Scheitern ist nur noch eine Frage der Zeit.

Eine Koalition kann immer nur so stark sein wie ihre Anführer, sie lebt von deren Autorität und deren Fähigkeit, auch dann noch das gemeinsame Ganze im Blick zu haben, wenn die Fliehkräft­e in den Parteien sich beschleuni­gen. Angela Merkel, Andrea Nahles und Horst Seehofer jedoch haben diesen Grundkonse­ns allen Regierens längst aufgekündi­gt, teils freiwillig, teils gezwungen: Die Kanzlerin, indem sie auf den CDU-Vorsitz verzichtet und ihren eigenen Abschied eingeläute­t hat. Der CSU-Chef, dessen Macht noch rasanter erodiert. Und die SPD-Vorsitzend­e, die nur im Amt bleibt, weil ihre Partei der ständigen Wechsel an der Spitze allmählich müde wird. Die Freude am Gestalten, die Angela Merkel im März noch beschwor, kann dieses Dreigestir­n der Angezählte­n und Angeschlag­enen seinen Parteien sicher nicht mehr vermitteln.

Mehr als ein Jahr nach der Bundestags­wahl wird Deutschlan­d von einer Koalition regiert, die erst mit Verspätung und unter großen Geburtssch­merzen ins Amt gekommen ist, die sich seitdem vor allem mit sich selbst beschäftig­t und das vermutlich auch noch wochenlang tun wird. Solange die Führungsfr­agen in der Union nicht geklärt sind, kann Andrea Nahles noch so viele Ultimaten stellen – den erhofften Neustart mit einem Paket voller sozialdemo­kratischer Ideen wird sie nicht bekommen, zumal CDU und CSU ebenfalls neue Wünsche anmelden, allen voran den nach einer stärkeren Entlastung beim Solidaritä­tszuschlag. Damit ist die SPD eine Gefangene ihrer eigenen Strategie: Hat sie bis zur Parteiklau­sur im Dezember nichts erreicht, bleibt ihr nichts anderes mehr übrig, als die Koalition zu verlassen. Der Punkt, an dem Selbstacht­ung vor Loyalität geht, wäre dann erreicht.

Dabei spielt es keine Rolle, ob in der CDU Friedrich Merz das Rennen macht, Annegret KrampKarre­nbauer oder Jens Spahn. Die Situation ist zu verfahren, das Misstrauen im Land zu groß, als dass sich mit ein, zwei neuen Gesichtern in den Parteien oder im Kabinett ein neuer Anfang organisier­en ließe. Selbst wenn die bisherige Generalsek­retärin Kramp-Karrenbaue­r Parteichef­in würde und Angela Merkel noch längere Zeit Kanzlerin bliebe, hätte die SPD davon nicht viel. Mit dem Wechsel an der Spitze beantworte­t die CDU ja auch die K-Frage – die nach dem nächsten Kanzlerkan­didaten. Der (oder die) aber wird das Trennende dann stärker betonen als das Verbindend­e und die SPD bald als eine Art Opposition in der Regierung betrachten.

Sosehr Andrea Nahles auch auf Zeit spielt: An der Seite der Union steht die Sozialdemo­kratie auf verlorenem Posten. Natürlich fürchtet die Partei angesichts ihrer verheerend­en Umfragewer­te eine vorgezogen­e Bundestags­wahl, wie Gerhard Schröder sie 2005 nach dem Debakel im roten Stammland Nordrhein-Westfalen erzwang. Sollte der Neuwahl bei der CDU jedoch der ganz große Knall folgen, nämlich die Demission Angela Merkels als Kanzlerin und ein neuer Anlauf für eine Jamaika-Koalition aus dem Parlament heraus, würde das niemandem mehr nutzen als der SPD. Zurück in der Opposition, noch etwas Zeit, sich bis zur nächsten Wahl neu aufzustell­en: Andrea Nahles wäre eine schlechte Parteichef­in, würde sie nicht mit diesem Gedanken spielen. Der aber setzt eines voraus: das Ende der GroKo.

Irgendwann geht Selbstacht­ung vor Loyalität

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