Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bloß keinen Blues
Die Sonne ist weg und alles gähnt. Ein Plädoyer gegen die Trübsal
Ja, es dumpert und nieselt und frösteln tut’s auch. Und ja: Natürlich haben die Damen und Herren Mediziner recht, wenn sie darauf hinweisen, dass unsereiner jetzt deshalb letschert in den Seilen hängt, weil sich die Sonne rarmacht. Die Tage werden kürzer – Showtime für das Schlafhormon Melatonin. Die Augenlider werden ganz schwer.
Alles richtig. Aber muss deshalb gleich wieder jeder vom kollektiven „November-Blues“reden? Von der deutschen „Winter-Depression“? Obwohl noch gar nicht Winter ist und man mit dem Begriff Depression eh vorsichtig umgehen sollte. Am Ende titelt der Boulevard: „HorrorHerbst schockt den kleinen Mann. Was nun, Frau Merkel?“
Nun erst recht! Raus aus dem Haus, Bewegung, Vitamine, viel trinken, Sauna, Entspannung, für die ganz Harten Wechselduschen. Und schöne Gedanken natürlich. Mit den Worten von Herbert Grönemeyer: Lache, wenn es nicht zum Weinen reicht.
Und wenn durch den Lichtmangel das Glückshormon Serotonin unter die Räder kommt, am besten dagegen anlesen. Unsere Zeitung widmet dem Glück am kommenden Samstag gleich eine ganze Ausgabe. Nebenbei: Müsste nach diesem Mega-Sommer (der im April begann) der emotionale Sonnenspeicher nicht randvoll sein? Was sind im Vergleich dazu ein paar mickrige Tristesse-Einheiten? Also: für die dunklen Momente die schönsten Sonnenfotos 2018 auf Wiedervorlage. Wenn alle vom Blues reden, einfach auf die Seite der Trendverweigerer wechseln. Denn je öfter man von der Müdigkeit spricht, umso dösiger wird man selbst. Das hat die Medizin sicher auch schon herausgefunden.