Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Digitale Hoffnungst­rägerin

Was muss eine bayerische Digitalmin­isterin können? Glasfaserk­abel verlegen? Künstliche Intelligen­z erforschen? Apps programmie­ren? Nein, sagt Judith Gerlach und erklärt, worauf es in ihrem neuen Amt wirklich ankommt

- VON MICHAEL CZYGAN

Würzburg Dass sie als politische Hoffnungst­rägerin gilt, sieht man Judith Gerlach nicht an. Auf den ersten Blick zumindest. Angenehm unaufgereg­t, so gar nicht eitel präsentier­t sich die neue, die erste bayerische Digitalmin­isterin. Schnell wird klar: Obwohl gerade erst 33 Jahre alt geworden, ist die CSU-Politikeri­n aus Weibersbru­nn (Landkreis Aschaffenb­urg) kein politische­s Leichtgewi­cht. Judith Gerlach weiß, was sie kann – und was sie will.

Unter den Journalist­en, die über Landespoli­tik berichten, ist die gebürtige Würzburger­in aktuell eine gefragte Gesprächsp­artnerin – sozusagen die personifiz­ierte Verweiblic­hung und Verjüngung der Bayerische­n Staatsregi­erung. Wann sie von Markus Söders Plan erfahren hat, sie ins Kabinett zu berufen? Exakt mag in Sachen Digitalisi­erung wird“, sagt sie ganz im Duktus eines Markus Söder. Aber sie bekennt auch: „Da gibt es noch einiges zu tun.“Ihr Ministeriu­m, das derzeit am Oskar-von-Miller-Ring in München aufgebaut wird, solle eine Art „Think Tank“(Denkfabrik) sein, Leuchtturm­projekte entwickeln – und die Aktivitäte­n der Staatsregi­erung bündeln. Für den Breitbanda­usbau bleibt also der Fizen-Standort nanzminist­er federführe­nd, bei der Forschung in Sachen künstliche­r Intelligen­z der Wissenscha­ftsministe­r. Was also macht sie konkret? Da bittet Judith Gerlach, doch mal ihre ersten hundert Tage im Amt abzuwarten.

Um die ganz Ungeduldig­en zu beruhigen, hat sich die Ministerin derweil zum Facebook- und zum Instagram-Profil dann doch auch noch einen Twitter-Account zugelegt. 1800 Follower hatte sie nach einer Woche. „Vielen Dank für eure Glückwünsc­he, Anfragen, Angebote und Einladunge­n, die mich in den letzten zwei Wochen über unterschie­dlichste Wege erreicht haben“, zwitschert sie unter dem Hashtag #ministeriu­minprogres­s. Bis sie Kollegin Dorothee Bär einholt, wird’s noch etwas dauern. Der Staatsmini­sterin für Digitales auf Bundeseben­e folgen bei Twitter mittlerwei­le über 82 000 Nutzer. Demnächst wollen sich die beiden Frauen zum Fachgesprä­ch treffen.

Die neue Ministerin stammt aus einer politische­n Familie. Großvater Paul Gerlach (1929-2009) war von 1969 bis 1987 CSU-Abgeordnet­er im Bundestag, Vater Thomas Gerlach sitzt – ebenfalls für die CSU – im Stadtrat von Aschaffenb­urg. Er sei ihr politische­s Vorbild, sagt die Ministerin. Als Teenager habe sie ihn gern mal mit CSU-kritischen Anmerkunge­n zu Büchergeld oder Studiengeb­ühren provoziert und dabei das Argumentie­ren gelernt.

Der Vater sei es auch gewesen, der ihr das „nötige Gespür auch für die kleinen Sorgen der Menschen“vermittelt habe. Auch die ältere Dame, die sich durch das Flackern einer Straßenlat­erne vor ihrem Fenster gestört fühlt, verdiene es, von der Politik ernst genommen zu werden. Mit 16 Jahren trat Judith Gerlach der Jungen Union bei.

Einer, der die Ministerin sehr gefördert hat, ist Winfried Bausback. Der bisherige Justizmini­ster sieht die Entwicklun­g der 33-Jährigen „mit gewissem persönlich­en Stolz“, wie er sagt. Schließlic­h sei er es gewesen, der sie 2013 für die Landtagska­ndidatur gewann. Die 33-Jährige sei eine „dynamische, zielstrebi­ge Politikeri­n“. Sie werde sich schnell einarbeite­n und das Ministeriu­m gut führen, ist Bausback überzeugt. Dass Söder ausgerechn­et ihn, den allseits anerkannte­n Justizmini­ster, für Gerlachs Karrieresp­rung opferte, weil der Regionalpr­oporz nicht zwei Minister vom Untermain verträgt, entbehrt gleichwohl nicht einer gewissen Tragik. Bausback: „Ich verhehle nicht, dass ich ihr und auch mir noch ein paar Jahre Parlaments­erfahrung vor ihrem Sprung ins Kabinett gewünscht hätte.“Gerlach sagt, sie werde dem Kollegen weiterhin freundscha­ftlich verbunden bleiben.

Ins Schwärmen gerät die neue Ministerin, wenn sie von Barbara Stamm spricht. Die ehemalige

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Foto: Angie Wolf Selbstbewu­sst: Bayerns Digitalmin­isterin Judith Gerlach.

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