Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Rabatte, Rabatte, Rabatte
Die Drogeriekette Müller löst die Coupons ihrer Konkurrenten Rossmann und dm ein und schlägt sogar noch etwas obendrauf. Was bringt diese andauernde Preisschlacht?
Augsburg Die Rabattschlacht der Drogerieketten geht in die nächste Runde. Diesmal eröffnet Müller den Kampf – mit einer etwas ungewöhnlichen Maßnahme. Seit einiger Zeit wirbt die Kette des Ulmer Unternehmers Erwin Müller mit großen roten Hinweisschildern vor und in ihren Geschäften. Darauf steht: „Jetzt Ihren 10-Prozent-Coupon von Rossmann, dm und Douglas einlösen und 15 Prozent auf das gesamte Müller-Sortiment erhalten.“
Seit der Schlecker-Pleite 2012 ist der Drogeriemarkt in Deutschland hart umkämpft. Denn die Ketten dm, Rossmann und Müller wollen in einem Geschäftsfeld wachsen, das eigentlich gar nicht mehr wächst. Das heißt: Größer werden geht nur, wenn man den Konkurrenten Marktanteile und damit Kunden abjagt. Und dieser Kampf um die Kunden nimmt immer absurdere Züge an. So gibt es etwa Berichte von dm-Mitarbeitern, die Aktionsware aus Rossmann-Filialen aufkaufen und im eigenen Geschäft günstiger anbieten. Schon lange setzen der Marktführer dm und der Zweitplatzierte Rossmann im Kampf um Kunden auch auf die jeweils günstigsten Preise. Dass die beiden großen Ketten Rabatt-Coupons vom jeweils anderen annehmen, ist schon fast normal – auch die wesentlich kleinere Kette Müller macht das.
Vor zweieinhalb Jahren urteilte sogar der Bundesgerichtshof, dass es nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, die Rabatte des Drogeriekonkurrenten auch in der eigenen Filiale einzuräumen. Bei dm machen das dennoch nicht alle. So teilt dm-Geschäftsführer Erich Harsch auf Anfrage mit: „Jeder dm-Markt kann selbst entscheiden, ob und welche Rabatt-Coupons von Mitbewerbern akzeptiert werden. Das ist eine Kulanzentscheidung, die die dm-Kollegen vor Ort am besten treffen können.“Dabei stellt sich aber die Frage: Warum machen die das? H&M gibt ja auch nicht plötzlich Prozente, weil bei K&L eine Werbe-Aktion läuft.
Der Handelsexperte Gerrit Heinemann weiß eine Antwort: „Weil die Produkte in Drogeriemärkten viel vergleichbarer sind als im Textilhandel und weil Kunden sie viel häufiger einkaufen. Deshalb versuchen die Ketten, sich gegenseitig zu unterbieten.“Heinemann ist Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule Niederrhein und vermisst bei den ständigen RabattSchlachten der Drogeriemärkte die Kreativität. „Die Händler blasen immer wieder nur ins Preishorn. Es ist schon fast erstaunlich, dass das funktioniert“, sagt er. Tut es aber. Und warum?
„Die Deutschen sind sehr preissensibel“, urteilt Heinemann. Der Wolfsburger Handelspsychologe Joachim Hurth sagt: „Rabatte sind für viele ein gewisses Erfolgserlebnis. Es macht sie glücklich. Sie freuen sich, wenn sie ein Schnäppchen gemacht haben.“Die Menschen stehen ja auch extra früh auf und Schlange, um das Sonderangebot bei Aldi zu ergattern. Und obwohl es andauernd irgendwo Rabatte gibt, nutze sich der Effekt nicht ab. Aber dennoch müssten Unternehmen aufpassen.
Denn Rabatte zu gewähren funktioniert nur, wenn Kunden im Geschäft auch Produkte zum Normalpreis kaufen. Bestes Negativ-Beispiel ist der Baumarkt Praktiker. Der versuchte lange Zeit, mit der Aktion „20 Prozent auf alles außer Tiernahrung“Kunden anzulocken. Irgendwann war Praktiker pleite. „Die Kunden waren so erzogen, dass sie nur bei Ermäßigungsaktionen kamen und nichts mehr zu normalen Preisen gekauft haben“, sagt Hurth.
Das Besondere an der Aktion bei Müller: Der Drogeriemarkt bietet noch einmal fünf Prozent an, wenn Kunden ihre Rabatt-Gutscheine bei ihm statt bei den Konkurrenten einlösen. Dazu sagt Heinemann: „Auch wenn es wieder nur um den Preiskampf geht, ist das wenigstens ein bisschen kreativ.“Dennoch kann er sich schwer vorstellen, dass Müller mit dieser Strategie Rossmann und dm wirklich schädigt. „Beide sind jeweils etwa viermal größer als Müller“, sagt er. Er rät der Ulmer Handelskette, sich lieber auf andere Dinge zu fokussieren als auf den Preiskampf. Denn inzwischen hätten auch viele Online-Händler das Drogeriegeschäft für sich entdeckt. Die wiederum locken junge Kunden an. „Das ist die Kundschaft der Zukunft. Für die braucht es Strategien.“