Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Telefonzelle wird zum Igelhotel
Die Tiere gelten als bedroht. Besonders im kalten Winter überleben viele Igelbabys nicht. Doris Engelhardt aus Welden nimmt deshalb verwaiste und kranke Igel bei sich auf. Wie die Igelmama die Kleinen wieder fit macht
Welden Was macht ein Igel in einer englischen Telefonzelle? Nun, sicherlich will er nicht nach Hause telefonieren wie einst E.T. in Steven Spielbergs legendärem Spielfilm. Gemütlich hat er es sich dort gemacht und genießt die warmen Temperaturen, die noch einmal im Dezember zurückgekehrt sind. Und er fühlt sich sichtlich wohl im roten Kasten, eingehüllt in einem kuschelig ausgepolsterten grauen Filzhut. Er lebt bei Doris Engelhardt aus Welden. Sie hat es sich zum Ziel gemacht, verwaiste Igelbabys wieder aufzupäppeln.
Die anderen Igel befinden sich noch im Freigehege, sieben sind es insgesamt. „Die Igel haben mich gefunden“, sagt Doris Engelhardt, „nicht umgekehrt.“Mitte September kamen die kleinen verwaisten Igel aus dem Unterallgäu zur Familie Engelhardt nach Welden. Denn es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die Igelemama aus Welden sich um kranke und verwaiste Tiere kümmert. Seit zehn Jahren schon mache sie das, erzählt Engelhardt. Die ersten kranken Igel habe sie beim Spazierengehen mit ihrem Hund gefunden. Dass die Tiere ausgerechnet in einer englischen Telefonzelle aufgepäppelt werden, habe sich so ergeben. Vor Jahren schon habe ihr Mann die Telefonzelle aus Großbritannien gekauft. Heuer fühlen sich darin zum ersten Mal nicht nur größere Igel, sondern auch Babys wohl.
Für die jungen Tiere ist der anstehende Winter besonders gefährlich, weiß Hannelore Pentenrieder, Igelexpertin aus Neusäß. Auch sie päppelt seit 26 Jahren kranke und verwaiste Tiere wieder auf. Heuer gebe es besonders viele hilfebedürftige Igel. Das liege vor allem am trockenen Sommer, meint Pentenrieder. Denn der habe dafür gesorgt, dass es weniger Insekten als üblich gebe. Und die sind eine wichtige Nahrungsquelle für Igel. Auf ihrer Station in Neusäß leben deshalb viele unterernährte Igel.
Weil sich das mittlerweile herumgesprochen hat, kann sich Pentenrieder vor Anfragen kaum mehr retten. Derzeit leben rund 50 Igel bei ihr zu Hause. 28 davon auf einer Wärmestation. Denn wenn draußen Minusgrade herrschen, überleben Igel, die weniger als 500 Gramm wiegen, in der Regel nicht. „Sie sind noch nicht groß genug, um einen Winterschlaf zu halten“, sagt Pentenrieder. Unterkühlte Igel und Igelbabys brauchen viel Wärme.
„Ich war erschrocken darüber, wie klein die Igel sind“, sagt Doris Engelhardt, „gerade mal so groß wie ein Daumen.“Von da an bestimmten die stacheligen Kleinen auch ihr Leben. Das Aufpäppeln von den Jungtieren sei gar nicht so einfach, erklärt die Expertin. Dreiverwaiste einhalb Wochen lang war sie Ersatzmutter, gab ihnen Spezialmilch und musste sie warmhalten. Um sie auseinanderhalten zu können, hatte sie die Igelbabys mit Nagellack gekennzeichnet. Sie führte Buch über ihr Gewicht, wann sie entwurmt worden sind und wie sie behandelt worden sind. Alle zwei Stunden mussten sie mit Spezialmilch gefüttert werden, auch nachts, erklärt die Weldenerin, die dabei schon an ihre Grenzen gestoßen sei. „Wenn die Igel aber das erste Mal ihre kleinen Knopfaugen öffnen, wird man für alles entschädigt.“
Inzwischen sind die kleinen Tiere größer geworden. Sie haben sich Winterspeck angefressen und bereiten sich auf den Winterschlaf vor. Nicht mehr lange, dann werden sie sich ins gut isolierte Winterquartier zurückziehen und die nächsten fünf bis sechs Monate verschlafen. Kein Wunder, dass sich das Fünf-SterneWinterquartier in Welden bei den stacheligen Gästen herumgesprochen hat. Glückliche Igel kommen
Die ersten kranken Igel hat sie beim Spazierengehen mit ihrem Hund gefunden
Sie freut sich, wenn ihr jemand eine Spende für die bedrohten Tiere überreicht
jedes Jahr wieder, sagt man. Und auch bei Familie Engelhardt gibt es mittlerweile Stammgäste.
Ohne Unterstützung ihres Mannes würde diese Aufzucht nicht funktionieren, sagt sie. Gemeinsam hatten sie auch schon ein verletztes Tier operiert. Sie finanziert alles selbst – vom Futter bis zum Tierarzt. Deswegen freut sich, wenn ihr jemand eine kleine Spende für die bedrohten Tiere überreicht. Denn Gefahren für die Igel gibt es zur Genüge.
Elektrische Gartenhelfer zum Beispiel können die stacheligen Tiere schwer verletzen, sagt Engelhardt. Auch die Zäune der Grundstücke seien gefährlich, weil die Tiere nicht hindurchkommen oder in grobmaschigen Drahtzäunen hängen bleiben. Eine weitere Bedrohung seien Unkrautbekämpfungsmittel wie Glyphosat, die eine Vielzahl von Insekten töten und auch für Igel gefährlich werden könnten, so die Engelhardt. Sie gibt noch einen Tipp: „An heißen Sommertagen kann man für die Igel frisches und sauberes Wasser in flachen Schalen und Futter bereitstellen.“
OInfo Was zu tun ist, wenn man einen hilfebedürftigen Igel findet, lesen Sie auch im Internet unter www.igelhilfeschwaben.de