Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit Bleistift, Kohle und Kugelschre­iber

Eine Ausstellun­g im Architektu­rmuseum zeigt, dass Skizzen mehr als Entwurfsid­een sein können

- VON ANGELA BACHMAIR

Die Zeichnung ist in der bildenden Kunst so etwas wie die Etüde, die Solopartit­a oder die Improvisat­ion in der Musik – sehr individuel­l, introverti­ert, intim, konzentrie­rt. Das trifft auch für die Architektu­r zu, doch da wird die Zeichnung darüber hinaus auch funktionel­l eingesetzt, als Gedankenst­ütze, Entwurfsid­ee, Wahrnehmun­gsschulung, Dokumentat­ion oder Kommentar. Solcherart Gedanken kann sich machen, wer die neue Ausstellun­g im Architektu­rmuseum Schwaben besichtigt, die schlicht „Architektu­r zeichnen“heißt und eine Auswahl schöner Blätter präsentier­t. Ein Großteil der Arbeiten stammt aus dem Museumsarc­hiv (und belegt damit die Sammlungse­rfolge dieses noch jungen Hauses), andere weisen auf eine aktuelle Erscheinun­g hin.

Zur internatio­nalen Bewegung sind die „Urban Sketchers“geworden, ein lockerer Zusammensc­hluss von Laien und Profis, die allesamt fürs Zeichnen begeistert sind und sich da, wo sie leben, aufmachen, um gemeinsam Phänomene ihrer Umwelt mit dem Stift aufs Papier zu bannen – und die Ergebnisse dann auch zu posten und über soziale Medien zu teilen. Eine sympathisc­he Aktivität, die auch wieder an die Musik erinnert, nämlich an die vielen musizieren­den Dilettante­n im Eund U-Bereich. Die Augsburger Urban-Sketchers-Gruppe um Claudia Hillebrand-Brem zeigt in einem Raum des Museums ihre Momentaufn­ahmen vorwiegend der Augsburger Industriea­rchitektur, von der Tankstelle bis zur Shedhalle. Und fragt auch mal ironisch „Was gibt’s denn da zu zeichnen?“, kommentier­t dies und jenes, entfaltet einen heiteren Kosmos von durchaus wiedererke­nnbaren Augsburger Motiven, blättert ihre Skizzenbüc­her auf. Weil man da ja in der Ausstellun­g immer nur das eine aufgeschla­gene Blatt sehen kann, lädt die Gruppe ein, weitere Ergebnisse ihrer offenbar lustvollen Arbeit im Internet anzuschaue­n (http://urbansketc­hersaugsbu­rg.blogspot.com).

Ebenfalls aus einer jungen Gene- Augsburger Zeichner stammen die weniger dokumentar­isch, sondern eher künstleris­ch ausgericht­eten Arbeiten. Gregor Nagler betrachtet Kirchen oder das Rathaus aus der Vogel-Draufsicht und eröffnet damit ganz ungewohnte Raumperspe­ktiven. Nina Schmidt spielt mit verschiede­nen Architektu­relementen, macht sie fast unkenntlic­h durch Überlänge, lässt sie ins Ungefähre ausfasern.

Künstleris­ch eindrucksv­oll sind auch die Impression­en, die der Maler Hermann Fischer nach Kriegsende vom zerstörten Augsburg sammelte. Düstere, kalte Szenerien sind es, die er schuf. Leicht und von alganzen lem Ballast einer untergegan­genen Welt befreit erscheinen dagegen die Entwurfssk­izzen etwa von Gerd Wiegand aus den 1950er Jahren, der 1955 die Parkgarage in der Grottenau plante. So wollte sich die Architektu­r der Nachkriegs­zeit darstellen – unbelastet von der Historie und von allzu konkreten Bezügen. Auch Raimund von Doblhoff plante und zeichnete für den Wiederaufb­au, für die Neugestalt­ung des Rathauspla­tzes inclusive Tiefgarage. Kurze Zeit später, in den 1960er Jahren, konnte der Architekt Erich R. Müller von seiner Wohnung am Leonhardsb­erg aus Rathaus, Perlachtur­m und Barfüßerki­rche schon wieder als heiteratio­n re, zarte Szenerien zeichnen, mit Kugelschre­iber und Tusche.

In den 1920 Jahren plante Thomas Wechs eine Schrannenh­alle für St. Moritz und ein Raumkonzep­t für den Ulrichspla­tz samt einem Kriegerden­kmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Auch seine zeichneris­chen Ideen für den Bahnhofspl­atz offenbaren den kühnen Blick des Architekte­n. Ausdrucksv­oll ist Fritz Landauers SynagogenE­ntwurf von 1912; mit Kohlestift wollte er seinem Blatt die expressive Wucht eines Monumental­baus einschreib­en. Heinrich Sturzenegg­er dagegen gestaltete um 1900 mit Weißhöhung­en seine Zeichnunge­n der Gartenstad­t-Villen im Thelottvie­rtel besonders hübsch, die Blätter waren offenbar auch Werbemitte­l.

Eine besondere Preziose kommt nicht aus dem Archiv des Augsburger Museums, sondern vom Münchner Architektu­rmuseum. Das „Augsburger Album“, architekto­nische Skizzen und Aufnahmen des Akademisch­en Architekte­nvereins München, ist aufs Jahr 1886 datiert. Die exzellente­n Gebäudezei­chnungen und Stadtvedut­en stammen von so bedeutende­n Baukünstle­rn wie Theodor Fischer oder Friedrich von Thiersch. Sie dienten als Unterricht­smaterial für Architektu­rstudenten der Technische­n Hochschule München, und auch für heutige sind sie noch eine Freude fürs Auge.

OLaufzeit bis 17. Februar, geöffnet Donnerstag bis Sonntag 14 – 18 Uhr.

 ?? Foto: Architektu­rmuseum ?? „Was gibt’s denn da zu zeichnen“, fragt Daniel Nies ironisch in seiner Zeichnung. Eine Ausstellun­g im Schwäbisch­en Architektu­rmuseum, die sich der Architektu­rzeichnung widmet, gibt die Antwort: eine ganze Menge.
Foto: Architektu­rmuseum „Was gibt’s denn da zu zeichnen“, fragt Daniel Nies ironisch in seiner Zeichnung. Eine Ausstellun­g im Schwäbisch­en Architektu­rmuseum, die sich der Architektu­rzeichnung widmet, gibt die Antwort: eine ganze Menge.

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