Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mit Bleistift, Kohle und Kugelschreiber
Eine Ausstellung im Architekturmuseum zeigt, dass Skizzen mehr als Entwurfsideen sein können
Die Zeichnung ist in der bildenden Kunst so etwas wie die Etüde, die Solopartita oder die Improvisation in der Musik – sehr individuell, introvertiert, intim, konzentriert. Das trifft auch für die Architektur zu, doch da wird die Zeichnung darüber hinaus auch funktionell eingesetzt, als Gedankenstütze, Entwurfsidee, Wahrnehmungsschulung, Dokumentation oder Kommentar. Solcherart Gedanken kann sich machen, wer die neue Ausstellung im Architekturmuseum Schwaben besichtigt, die schlicht „Architektur zeichnen“heißt und eine Auswahl schöner Blätter präsentiert. Ein Großteil der Arbeiten stammt aus dem Museumsarchiv (und belegt damit die Sammlungserfolge dieses noch jungen Hauses), andere weisen auf eine aktuelle Erscheinung hin.
Zur internationalen Bewegung sind die „Urban Sketchers“geworden, ein lockerer Zusammenschluss von Laien und Profis, die allesamt fürs Zeichnen begeistert sind und sich da, wo sie leben, aufmachen, um gemeinsam Phänomene ihrer Umwelt mit dem Stift aufs Papier zu bannen – und die Ergebnisse dann auch zu posten und über soziale Medien zu teilen. Eine sympathische Aktivität, die auch wieder an die Musik erinnert, nämlich an die vielen musizierenden Dilettanten im Eund U-Bereich. Die Augsburger Urban-Sketchers-Gruppe um Claudia Hillebrand-Brem zeigt in einem Raum des Museums ihre Momentaufnahmen vorwiegend der Augsburger Industriearchitektur, von der Tankstelle bis zur Shedhalle. Und fragt auch mal ironisch „Was gibt’s denn da zu zeichnen?“, kommentiert dies und jenes, entfaltet einen heiteren Kosmos von durchaus wiedererkennbaren Augsburger Motiven, blättert ihre Skizzenbücher auf. Weil man da ja in der Ausstellung immer nur das eine aufgeschlagene Blatt sehen kann, lädt die Gruppe ein, weitere Ergebnisse ihrer offenbar lustvollen Arbeit im Internet anzuschauen (http://urbansketchersaugsburg.blogspot.com).
Ebenfalls aus einer jungen Gene- Augsburger Zeichner stammen die weniger dokumentarisch, sondern eher künstlerisch ausgerichteten Arbeiten. Gregor Nagler betrachtet Kirchen oder das Rathaus aus der Vogel-Draufsicht und eröffnet damit ganz ungewohnte Raumperspektiven. Nina Schmidt spielt mit verschiedenen Architekturelementen, macht sie fast unkenntlich durch Überlänge, lässt sie ins Ungefähre ausfasern.
Künstlerisch eindrucksvoll sind auch die Impressionen, die der Maler Hermann Fischer nach Kriegsende vom zerstörten Augsburg sammelte. Düstere, kalte Szenerien sind es, die er schuf. Leicht und von alganzen lem Ballast einer untergegangenen Welt befreit erscheinen dagegen die Entwurfsskizzen etwa von Gerd Wiegand aus den 1950er Jahren, der 1955 die Parkgarage in der Grottenau plante. So wollte sich die Architektur der Nachkriegszeit darstellen – unbelastet von der Historie und von allzu konkreten Bezügen. Auch Raimund von Doblhoff plante und zeichnete für den Wiederaufbau, für die Neugestaltung des Rathausplatzes inclusive Tiefgarage. Kurze Zeit später, in den 1960er Jahren, konnte der Architekt Erich R. Müller von seiner Wohnung am Leonhardsberg aus Rathaus, Perlachturm und Barfüßerkirche schon wieder als heiteration re, zarte Szenerien zeichnen, mit Kugelschreiber und Tusche.
In den 1920 Jahren plante Thomas Wechs eine Schrannenhalle für St. Moritz und ein Raumkonzept für den Ulrichsplatz samt einem Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Auch seine zeichnerischen Ideen für den Bahnhofsplatz offenbaren den kühnen Blick des Architekten. Ausdrucksvoll ist Fritz Landauers SynagogenEntwurf von 1912; mit Kohlestift wollte er seinem Blatt die expressive Wucht eines Monumentalbaus einschreiben. Heinrich Sturzenegger dagegen gestaltete um 1900 mit Weißhöhungen seine Zeichnungen der Gartenstadt-Villen im Thelottviertel besonders hübsch, die Blätter waren offenbar auch Werbemittel.
Eine besondere Preziose kommt nicht aus dem Archiv des Augsburger Museums, sondern vom Münchner Architekturmuseum. Das „Augsburger Album“, architektonische Skizzen und Aufnahmen des Akademischen Architektenvereins München, ist aufs Jahr 1886 datiert. Die exzellenten Gebäudezeichnungen und Stadtveduten stammen von so bedeutenden Baukünstlern wie Theodor Fischer oder Friedrich von Thiersch. Sie dienten als Unterrichtsmaterial für Architekturstudenten der Technischen Hochschule München, und auch für heutige sind sie noch eine Freude fürs Auge.
OLaufzeit bis 17. Februar, geöffnet Donnerstag bis Sonntag 14 – 18 Uhr.