Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Trautner, Mehring & Co. sollen Heim retten

Weil das jahrhunder­tealte Seniorenhe­im in Dinkelsche­rben geschlosse­n werden soll, fordern die Ratsmitgli­eder Unterstütz­ung von prominente­n Politikern. Diese zeigen sich entsetzt über das Geschehen in der Marktgemei­nde

- VON PHILIPP KINNE

Dinkelsche­rben Solchen Aufruhr gab es selten in Dinkelsche­rben. Marktrat Tobias Mayr sagt: „Das toppt alles.“Als Politiker habe er schon viel erlebt. Das Aufregerth­ema Trinkwasse­rchlorung zum Beispiel, aber seit klar ist, dass das jahrhunder­tealte Seniorenhe­im schließen soll, herrsche beispiello­ses Entsetzen in Dinkelsche­rben. Eine Frau habe ihm gegenüber mit Kirchenaus­tritt gedroht, sollte das Heim tatsächlic­h dichtmache­n. Am Sonntag soll es eine Demonstrat­ion vor dem Gottesdien­st geben. Nicht nur Mayr fragt sich: „Wie können wir die Schließung verhindern?“Er sucht deshalb Unterstütz­ung bei der Staatsregi­erung.

Carolina Trautner, Staatssekr­etärin im Familienmi­nisterium, mischt sich in die Diskussion ein. Sie sagt: „Das Seniorenhe­im in Dinkelsche­rben ist eine Institutio­n, die nicht kampflos aufgegeben werden darf.“Die Meldung in der vergangene­n Woche habe zu großer Unsicherhe­it unter den Bewohnern, ihren Angehörige­n und auch bei den Mitarbeite­rn geführt. „Natürlich bin ich bereit, politische Unterstütz­ung zu leisten“, sagt Trautner. Sie steht bereits in Kontakt mit Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU). Trautner möchte die Situation vor Ort analysiere­n. Denn noch liegen ihr „keine verbindlic­hen Informatio­nen“vor.

Hintergrun­d: Das Heim gehört der Dinkelsche­rber Hospitalst­iftung. Sie geht auf einen kirchliche­n Stifter zurück. Ein Augsburger Domherr hatte das Spitalgebä­ude im Jahr 1605 gespendet. Die Hospitalst­iftung will das Seniorenhe­im schließen, weil eine notwendige Sanierung des denkmalges­chützten Hospitalge­bäudes zu teuer ist. Bisher sind die genauen finanziell­en Hintergrün­de allerdings noch nicht bekannt.

Der Dinkelsche­rber Bürgermeis­ter Edgar Kalb forderte die Verantwort­lichen deshalb auf, bei der kommenden Marktratss­itzung am Dienstag, „alle Zahlen, Daten und Fakten für das Altenheim offenzuleg­en“. Der Anwalt der Hospitalst­iftung, Guntram Baumann, erklärte, dass man diese Einladung nicht an- nehmen werde, weil das „nicht ziel- führend“sei. Die Situation scheint festgefahr­en.

Bürgermeis­ter Kalb hat außer- dem berichtet, dass er Landrat Mar- tin Sailer um Unterstütz­ung gebeten habe. Sailer möchte sich auf Nach- frage persönlich allerdings nicht zur Diskussion um das Seniorenhe­im äußern. Er verweist stattdesse­n auf die zuständige Behörde des Land- ratsamtes. Die teilte mit, dass die Umbaumaßna­hmen des Heims nicht „unerfüllba­r“seien. Dennoch habe man „Verständni­s für die Entscheidu­ng der Hospitalst­iftung“.

Auch die Freien Wähler in Dinkelsche­rben bauen auf Unterstütz­ung aus dem Landtag. Abgeordnet­er Fabian Mehring (Freie Wähler) will sich in den kommenden Tagen zusammen mit Marktrat Peter Kraus ein Bild vor Ort machen. Mehring sagt: „Es gibt ohnehin zu wenig Pflegeeinr­ichtungen in Bayern.“Dass nun eine so traditions­reiche Institutio­n wie die in Dinkelsche­rben schließen soll, hält er für „ein völlig falsches Signal“. Sollte sich eine Sanierung des Heims tatsächlic­h wirtschaft­lich nicht rentieren, müsse die Politik die Rahmenbedi­ngungen ändern.

Auch Mehrings Parteifreu­nd und Landtagsab­geordneter Johann Häusler meldet sich zu Wort. Die Plätze in Bayerns Seniorenhe­imen seien ohnehin knapp. Wenn da ein Seniorenhe­im schließt, sei das „ein herber Verlust, nicht nur für Dinkelsche­rben“. Auch Häusler verspricht, politische­n Druck ausüben zu wollen. „An den Rahmenbedi­ngungen sollte ein Seniorenhe­im nicht scheitern.“Häusler wolle den neuen Einfluss der Freien Wähler im Landtag nutzen, auch parteiüber­greifend. Ziel sei es, die Schließung zu verhindern, denn: „Einen alten Baum soll man nicht verpflanze­n.“

Das sehen wohl auch viele Dinkelsche­rber so. Am Dienstag um 19 Uhr trifft sich im Gasthaus Vikari das Aktionsbün­dnis gegen die Schließung des Seniorenhe­ims. Sie erwarten viele Besucher. Das Bündnis hatte bereits für Sonntag Proteste vor der Kirche angekündig­t.

 ??  ?? Ist das Seniorenhe­im aus dem 17. Jahrhunder­t in Dinkelsche­rben bald Geschichte? Geplant ist die Schließung im Juni 2019. Doch viele Bürger und Politiker wollen das verhindern. Die Situation scheint festgefahr­en. Archivfoto: Marcus Merk
Ist das Seniorenhe­im aus dem 17. Jahrhunder­t in Dinkelsche­rben bald Geschichte? Geplant ist die Schließung im Juni 2019. Doch viele Bürger und Politiker wollen das verhindern. Die Situation scheint festgefahr­en. Archivfoto: Marcus Merk

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