Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Pralinen sind nichts für schwache Nerven
Frauen lernen in der Wertinger Landwirtschaftsschule den richtigen Umgang mit Schokolade. Warum die Lehrstunde mehr ist als reine Handarbeit
Wertingen Hunderte Kompositionen aus Früchten, Nüssen, Gewürzen, Sahne und Schokoladen sitzen nach vier Stunden handwerklicher Präzisionsarbeit in Reih und Glied auf Pergamentpapier und geben ein optisch überaus attraktives Bild ab. Selbst Mozartkugeln fehlen nicht. Jetzt sieht man, ob sich der ganze Aufwand gelohnt hat. In der Wertinger Landwirtschaftsschule wird nicht nur gekocht und gebacken. Auch auf die hohe Kunst der Pralinenherstellung verstehen sich die Lehrkräfte. Monika Weber beispielsweise gibt sich nur ungern mit einfachen Rezepten ab. Sie selbst liebt die Herausforderung und probiert leidenschaftlich gern Neues aus. Von ihren Erfahrungen profitieren die Studierenden, die die Teilzeitschule besuchen, um den Titel „Fachkraft für Ernährung und Haushaltsführung“zu erwerben.
So steht Monika Weber am Donnerstagvormittag vor ihrer achtköpfigen Frauengruppe und referiert zunächst über Grundsätze, die bei der Schokoladenverwendung in der Küche unbedingt zu beachten sind. Denn bevor der Praxisteil startet, sollten alle wissen, dass Schokolade nicht gleich Schokolade ist. Ob Kuvertüre, Schoko-Fettglasur, Tafeloder Blockschokolade – jede Art reagiert beim Erwärmen anders. „Das liegt an den Inhaltsstoffen“, erklärt die Fachfrau. Weil Blockschokolade nur aus 18 Prozent Kakaobutter besteht, sei sie zum Überziehen von Pralinen weniger geeignet als Kuvertüre mit 31 Prozent Fettanteil.
Bei der Pralinenherstellung ist vor allem die richtige Schmelztemperatur der Schokolade das A und O. Vier Arbeitsgänge sind dafür nötig: Schmelzen, Temperieren, Abkühlen und wieder Erwärmen. 45 Grad Celsius sollten nie überschritten werden und kein Tropfen Wasser in die Schokolade gelangen.
Ohne gute Vorbereitung kein gutes Ergebnis: Mit einigen Spezialgeräten wie Pralinentauchgabel, Tauchspirale, Abtropfgitter und Küchenthermometer erleichtern sich die angehenden Chocolatiers ihre klebrige Arbeit wesentlich. Doch auch Geschick und starke Nerven braucht, wer die Chocolatierskunst beherrschen will. Ein besonders schnelles Händchen erfordert die Herstellung von Mandelkrokant. Diese Erfahrung muss die Heilerziehungspflegerin Jessica Kinzel aus Hirschbach machen. Nachdem die gehackten Mandeln karamellisiert sind, muss sie gegen die Uhr ankämpfen. So helfen an diesem Donnerstag gleich drei Frauen mit, die Masse teelöffelweise aufs Backpapier zu setzen, bevor sie hart wird. „Verdoppeln Sie nie die Mengenangaben“, rät Monika Weber und lacht dabei.
Pralinen herzustellen ist ein köstliches Vergnügen für alle Sinne: Schokoladenfinger und Schokoladenmünder gehören einfach dazu. Genauso wie Kleckse auf Arbeitsfläche und Schürze.
„Ich kann nur jedem empfehlen, hier zu lernen“, sagt Kleja Helmer. Die 47-Jährige aus Donauwörth arbeitet als Köchin in einem Kinderheim. In Wertingen kann sie sich weiterqualifizieren. So wie die Heilerziehungspflegerin Susanne Kischkat aus Unterknöringen. Sie will ihr Wissen in Familien tragen, die sie beruflich unterstützt. Und bevor eine Teilnehmerin ihr Hof-Café im Allgäu eröffnet, macht sie sich an der Landwirtschaftsschule fit in Theorie und Praxis.
Das Leben in der Küche müsse man sich nicht unnötig schwer machen: Monika Weber verrät, wie man mit vorgefertigten Pralinenhohlkörpern wunderbare TrüffelKreationen schaffen kann, gefüllt mit Eierlikör, Nugat und Grand Manier. Für kleinste Pralinen verwendet Monika Weber am liebsten Eiswürfelformen aus Silikon. Die erhärtete Schokoladenmasse lässt sich so ganz einfach herausdrücken. Dann können die Pralinen verziert werden.
In der Pralinenküche der Landwirtschaftsschule breitet sich nicht nur ein besonderer Duft nach feiner Schokolade und weihnachtlichen Gewürzen aus. Eine gewisse Anspannung ist ebenso zu spüren, während die Frauen Handgriff für Handgriff durchführen. Für Gespräche bleibt da wenig Zeit. Die flüssige Schokolade fordert ständige Beachtung.
Dass die Stimmung dabei äußerst heiter bleibt, liegt womöglich an der Schokolade. Schließlich soll ihr Genuss Glückshormone ausschütten. Wurde da vielleicht gelegentlich genascht?