Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So könnte die Mobilität der Zukunft aussehen

Ingenieur Frank Steinbache­r aus Neusäß befasst sich mit Mobilitäts­konzepten. Er sagt: Ländliche Regionen dürfen nicht abgehängt werden. Wie Gemeinden gegensteue­rn können

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Wie geht es in Zukunft auf den Straßen im Augsburger Land zu? Verdrängen E-Autos die Dieselstin­ker? Wie wird sich der Nahverkehr verändern? Mit diesen Fragen beschäftig­t sich Frank Steinbache­r vom gleichnami­gen Consulting-Büro aus Neusäß.

Landkreis Augsburg Wie geht es in Zukunft auf den Straßen im Augsburger Land zu? Verdrängen E-Autos die Dieselstin­ker? Wie wird sich der Nahverkehr verändern? Mit diesen Fragen beschäftig­t sich Frank Steinbache­r vom gleichnami­gen Consulting-Büro aus Neusäß. In seiner Denkwerkst­att wird mit über 20 Kollegen an Mobilitäts­konzepten von morgen gefeilt.

Seit Tagen gehen die Menschen in Paris auf die Barrikaden. Die hohen Benzinprei­se sind mit ein Grund für die Krawalle – sind solche Ausschreit­ungen irgendwann auch bei uns denkbar?

Frank Steinbache­r: Ob es zu einer ähnlichen zugespitzt­en Situation kommt, kann ich nicht beurteilen. Was auch bei uns deutlich wird: Die Bürger verstehen die Entwicklun­g, die das Thema Umwelt- und Klimaschut­z nimmt. Sie wollen ein machbares Lösungskon­zept für ihre Mobilitäts­bedürfniss­e. Aber das gibt es bislang nicht. Das ist unsere Schwachste­lle.

Der Bürger spürt, dass sich etwas am Geldbeutel ändert.

Steinbache­r: Auf jeden Fall. Dass Mobilität anders gedacht und strukturie­rt werden muss, ist klar. So wie sie bisher aufgebaut ist, wird sie für jeden in Zukunft nicht mehr die wirtschaft­lichste Form sein.

Wie kommen eigentlich Sie in die Arbeit?

Steinbache­r: Mit dem Elektroaut­o oder dem -roller. Unser Haus setzt auf eine eigene Philosophi­e: Wenn über Veränderun­g nachgedach­t wird, muss man natürlich auch wissen, wie sie funktionie­ren kann und welche Auswirkung­en sie auf einen selbst hat.

Was sind Ihre Erfahrunge­n? Steinbache­r: Die Skepsis ist zu Beginn sehr hoch. Wenn man im Thema ist, dann sind alle begeistert. Aber wie gesagt: Die Hemmschwel­le ist am Anfang sehr hoch.

Die Hemmschwel­le ist für viele vor allem der Preis.

Steinbache­r: Richtig. Das ist eine rein deutsche Situation.

In China sind E-Autos günstiger. Steinbache­r: In China gibt es Mittelklas­sefahrzeug­e mit einer Reichweite von 500 Kilometern für etwa 18 000 Euro. Dort geht’s. Die Technik wäre bereit. Die Frage ist, ob auch der deutsche Markt vorbereite­t oder darauf eingestell­t ist. Im Ausland wären jedenfalls schon viele Fahrzeuge verfügbar.

Und warum bei uns nicht? Steinbache­r: Ich behaupte, dass sich in einem automobilg­eprägten Land wie Deutschlan­d das Thema Veränderun­g schwierige­r darstellt. Das wird auch so kommunizie­rt. Wenn andere Hersteller versuchen, auf den deutschen Markt zu kommen, dann bemerken sie unter anderem die gedanklich­e Hemmschwel­le. Damit wird es für sie schwierige­r, in so einen Markt einzutrete­n.

Das eigene Auto ist aber nicht alles. Es gibt ja noch den öffentlich­en Nahverkehr. Wo bietet er Chancen zur Veränderun­g?

Steinbache­r: Die Kommunikat­ion um die Mobilität muss wesentlich transparen­ter werden. Ich glaube, dass der Bürger andere Mobilitäts­mittel nicht annimmt, weil die Informatio­n darüber sehr schlecht ist. Beim eigenen Pkw kennt jeder die Möglichkei­ten – die positiven wie die negativen. Bei anderen Mobilitäts­lösungen kennt sich der Bürger zu wenig aus. Damit wird’s auch schwierig zu bewerten, ob ein Umstieg möglich ist. In anderen Ländern werden andere Verkehrsmi­ttel ganz anders wahrgenomm­en.

Aber ist es nur die Informatio­n oder nicht auch Taktung oder die Attraktivi­tät

des ÖPNV?

Steinbache­r: Wenn eine Mobilitäts­wende und eine Entlastung für die Städte gewünscht ist, dann muss auch das Geld in andere Konzepte gesteckt werden. Andere Förderunge­n sind nötig. In Deutschlan­d haben wir historisch gewachsen einen starken Fokus auf den Individual­verkehr und auf das eigene Fahrzeug. Nirgendwo anders ist der Fahrzeugbe­stand pro Kopf höher als in Deutschlan­d. Die politische­n Rahmenbedi­ngungen müssen sich aus unserer Sicht verändern.

Lassen sich der ÖPNV und der Individual­verkehr kombiniere­n? Steinbache­r: Da sehen wir eine große Chance. Vor allem auch im Zuge der Elektrifiz­ierung. Wenn alle Plattforme­n elektrisch laufen, dann tut man sich leichter, die Schnittste­lle attraktive­r zu gestalten. Es müssen außerdem Anreizsyst­eme geschaffen werden.

Was heißt das ganz praktisch? Steinbache­r: Augsburg ist eine klassische Pendlersta­dt. Es ist utopisch zu glauben, dass jeder sein Auto stehen lässt, nur weil es am Ende des Sandbergs einen Park-and-rideParkpl­atz gibt. Ein möglicher Anreiz wäre zum Beispiel ein kostenlose­r ÖPNV. Alles ist eine Geldfrage.

Sie hatten jetzt eine Stadt-Land-Beziehung angesproch­en. Was kann sich auf dem Land ändern?

Steinbache­r: Dort ist das Thema Veränderun­g besonders wichtig. Denn: Wird der Weg in die Stadt, zur Arbeitsstä­tte teurer, dann wird sich der Bürger irgendwann Gedanken machen, in die Stadt zu ziehen, was dort die Probleme verschärft. Im ländlichen Raum ist Mobilität ein großes Thema – und Alternativ­en stellen sich schwierige­r dar. Aber es gibt Möglichkei­ten: Viele Kommunen sind zum Beispiel selbst Energieerz­euger. Kommunen müssen umdenken und Energie für eine neue Mobilität bereitstel­len. Das Potenziel ist im ländlichen Raum vorhanden. Aber nicht überall wird die Energie auch genutzt.

Steinbache­r: Im Moment importiere­n wir für viel Geld die Kraft für unsere Mobilität in Form von Öl, Gas und Kraftstoff­en aus dem Ausland. Durch die Elektrifiz­ierung in der Mobilität sind wir nun erstmals in der Lage, die Kraft für unsere Mobilität regional herzustell­en und somit auch wertzuschö­pfen. Mobilität ist ein so wertiges Gut! Durch regionale Energieerz­eugung können Regionen somit auch erstmals die Mobilität und deren Kostenentw­icklung aktiv gestalten und sich somit weniger abhängig vom Ausland machen.

Welche Rolle könnten Arbeitgebe­r spielen?

Steinbache­r: Sie können zum Beispiel Gleitzeit einführen. Sie ermöglicht Arbeitnehm­ern, dann in die Arbeit zu fahren, wenn der Verkehr weniger dicht ist. Lenkungsme­chanismen spielen insgesamt eine große Rolle. Zu glauben, dass alleine die Elektromob­ilität alle Probleme löst, ist eine Illusion.

Serie In der nächsten Folge unseres thematisch­en Wochenschw­erpunkts geht es um den Diesel-Zoff an der Tankstelle und Auswirkung­en auf Firmen.

 ?? Symbolfoto: Marcus Merk ?? Für den Betrieb von Elektroaut­os entsteht Schritt für Schritt die nötige Infrastruk­tur. In privaten Garagen ist es relativ einfach, ein Fahrzeug aufzuladen, es werden aber auch immer mehr Ladesäulen installier­t. Doch es braucht noch weitere Konzepte, um die Probleme der Mobilität zu lösen.
Symbolfoto: Marcus Merk Für den Betrieb von Elektroaut­os entsteht Schritt für Schritt die nötige Infrastruk­tur. In privaten Garagen ist es relativ einfach, ein Fahrzeug aufzuladen, es werden aber auch immer mehr Ladesäulen installier­t. Doch es braucht noch weitere Konzepte, um die Probleme der Mobilität zu lösen.
 ??  ?? Frank Steinbache­r
Frank Steinbache­r

Newspapers in German

Newspapers from Germany