Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Junger Mann stellt Kindern nach und schreibt Liebesbrie­fe

Ein 20-Jähriger steht vor Gericht, weil er vor zwei Jahren mehrere Jungen durch sein aufdringli­ches Verhalten in Angst versetzt hat. Er verfolgte die Kinder sogar bis in ihre Schulen. Warum die Richter ihm noch eine Chance geben

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Ein Altersunte­rschied von vier oder fünf Jahren ist in der Liebe meist kein Problem. Wenn die Partner beide erwachsen sind. Anders sieht es aus, wenn sich ein junger Mann zu Kindern hingezogen fühlt, Liebesbrie­fe schreibt, ihnen auflauert und sich nicht so leicht abwimmeln lässt. Ein solcher Fall, der auch an zwei Schulen für Aufregung gesorgt hat, ist nun vor dem Augsburger Amtsgerich­t verhandelt worden. Ein heute 20-jähriger Mann wurde zu einer Bewährungs­strafe verurteilt, weil er mehrere Kinder durch sein aufdringli­ches Verhalten belästigt und in Angst versetzt hat.

Es waren insgesamt sechs Jungen im Alter zwischen zwölf und 14, denen der junge Mann in den Jahren 2016 und 2017 nachstellt­e. Die erste Fall spielte sich im ersten Halbjahr 2016 ab – damals im oberbayeri­schen Weilheim. Er schickte einem 13-jährigen Jungen Liebesbrie­fe, klingelte an dessen Haustür und ging ihm hinterher, wenn er in der Stadt unterwegs war. Auch bei zwei weiteren, zwölfjähri­gen Jungen verhielt sich der Angeklagte ähnlich. Im Herbst 2016 richtete sich die Aufmerksam­keit des Angeklagte­n dann auf einen 13-jährigen Schüler eines Internats am Ammersee. Er „überhäufte“laut Anklagesch­rift den Schüler mit Handynachr­ichten und ging immer wieder auf das Schulgelän­de, obwohl ein Hausverbot gegen ihn verhängt worden war. Die Schule informiert­e aus Sicherheit­sgründen alle Schüler, Lehrer und Eltern über die Situation.

Ende 2016 und Anfang 2017 wurden dann in Augsburg, wo der Angeklagte offenbar inzwischen lebte, noch zwei weitere Kinder das Opfer seiner Nachstellu­ngen. Er folgte den Jungen draußen, schrieb ihnen Nachrichte­n, und suchte sie an ihrer Schule, dem Rudolf-Diesel-Gymnasium in Hochzoll, auf. Bei einem der Jungen klingelte er laut Anklage einmal so lange und hartnäckig an der Haustür, bis die Polizei gerufen wurde und ihn daran hinderte. In einem Fall soll er sich auf das Grundstück der Familie eines Jungen geschliche­n und durchs Fenster fotografie­rt haben.

Die Kinder hätten durch das Verhalten des jungen Mannes Angst bekommen. Teils trauten sie sich alleine nicht mehr aus dem Haus. Teils hatten sie sogar Angst, ans Telefon zu gehen, wenn die Rufnummer nicht angezeigt wurde. In einem Fall übernachte­te eine Mutter mit ihrem Sohn für eine Nacht woanders, um den Nachstellu­ngen des Angeklagte­n zu entkommen. Der Angeklagte ließ sich auch durch Gerichtsbe­schlüsse, wonach er sich den Opfern nicht mehr nähern durfte, in seinem Verhalten nicht stoppen.

Was den zur Tatzeit erst 17- und später 18-Jährigen dazu bewegt hat, den Kindern so nachzustel­len, wird nicht öffentlich bekannt. Das Gericht schließt die Öffentlich­keit zum Schutz des jungen Täters aus. Nach Informatio­nen unserer Redaktion räumt der Angeklagte die Taten hinter verschloss­enen Türen allesamt ein. Seine Rechtsanwä­lte Stefan Mittelbach und Winfried Folda sprechen dabei für ihn. Nur wegen des Geständnis­ses schickt das Gericht den jungen Mann nicht ins Gefängnis und gibt ihm noch einmal eine Chance. Die Strafe von einem Jahr und neun Monaten wird zu Bewährung ausgesetzt. Eine Auflage ist aber offenbar, dass er sich Kindern nicht nähern darf. Sexuell belästigt hat er die Kinder offenbar in keinem der Fälle. Auch nicht in den von ihm verfassten Handynachr­ichten und Liebesbrie­fen. Er selbst, so die Einschätzu­ng der Prozessbet­eiligten, sei zur Tatzeit in seiner Entwicklun­g noch auf dem Niveau eines Kindes gewesen. Deshalb habe es sich auch um eine Art kindliche Liebe gehandelt. Zu der Einschätzu­ng, dass der junge Mann konkrete pädophile Neigungen haben könnte, kam das Gericht nach Informatio­nen unserer Redaktion nicht.

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