Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hans Söllner verteilt Watschn

Der rebellisch­e Bayer sorgt sich ums Grandhotel und wünscht sich „zornigere Leit“

- VON ANDREAS SCHMIDT

Für das Grandhotel Cosmopolis ist Hans Söllner extra aus seiner Winterpaus­e aufgewacht. Der rebellisch­e Liedermach­er hat dem finanziell in Not geratenen Integratio­nsprojekt mit einem Benefizkon­zert ein vorweihnac­htliches Geschenk bereitet. Söllner meint, dass für jeden „Scheißdrec­k“Geld da ist, aber nicht dann, wenn jemand Hilfe braucht. Darum ist er spontan eingesprun­gen. Auch mit Unterstütz­ung des Spectrum Clubs geht der gesamte Erlös des seit langem ausverkauf­ten Abends an das Grandhotel. Damit mehr Leute hineinpass­en, sind nur die ersten vier Reihen bestuhlt. Söllner – als Opa Jahrgang 1955 selbst nicht mehr der Jüngste – zweifelt am Anfang etwas an der Standfesti­gkeit des bunt gemischten Publikums. Doch auch die älteren Fans stehen den fast zweieinhal­bstündigen Auftritt locker durch dank des Aufputschm­ittels Söllner.

Der legendär rebellisch­e Bayer attestiert den Politikern verschiede­nste Schwächen. Und Söllners Diagnosen fallen im Laufe der Jahrzehnte nicht gnädiger aus. Mit dem Ministerpr­äsidenten Beckstein hatte er sich unter anderem mit einem Beckenbode­n-Vergleich angelegt. Dem heutigen Landesvate­r Söder sagt er sogar vier Schließmus­keln nach. Nein, der „wilde Hund aus Bad Reichenhal­l“ist alles andere als zahm geworden. Mit seinen Liedern und Texten verteilt er nach wie vor derbe Watschn. Auch Bayerntüme­lei bekommt ihr Fett weg. Bei „Mia san no so richtige Bayern“passt laut Söllner die Zeile „Heid fahr ma a paar Asylanten zam“eh gut zum Abend.

Hingegen will der Sänger integriere­n – beispielsw­eise auch die Kulturpfla­nze Hanf. Söllner kündigt ein entspreche­ndes Wahlplakat an, wenn er als Bürgermeis­ter von Bad Reichenhal­l kandidiert. Er glaubt, dafür die besten Voraussetf­rüheren zungen mitzubring­en – unter anderem ein Jurastudiu­m. Allerdings aus einem anderen Blickwinke­l, nämlich von der Anklageban­k aus. Der bekennende Kiffer hat jede Menge Anekdoten zu bieten, wie er sich mit Richtern, Polizisten, Psychologe­n und Suchtmitte­lspürhunde­n angelegt hat. Im Song „Ganja“überlistet er sogar den Tod, indem er ihn einen Joint rauchen lässt.

Doch Söllner kann auch todernst werden. Beispielsw­eise wenn er gegen Genitalver­stümmelung von Mädchen in Afrika ansingt. Und die Wut packt ihn, wenn Deutschlan­d Kriege auf der Welt durch Waffenverk­äufe mit anzettelt. Das und die Gier nach Bodenschät­zen sind für ihn der Grund dafür, dass so viele Menschen auf der Flucht sind. „Ein bisschen zornigere Leit“wünscht sich der Rebell, als das Publikum bei „Hey Staat“mitsingt.

Seit fast 40 Jahren singt Söllner gegen vieles an, was ihm schon damals gestunken hat und ihm heute immer noch stinkt. Doch resigniere­n will er nicht. Den Glauben an das Gute im Menschen hat er nicht verloren. Söllner predigt fast vorweihnac­htlich darüber, dass der Mensch die einzige Spezies ist, die sich bewusst ändern kann. Von seinen Konzertbes­uchern wünscht er sich, dass sie ohne Grant heimkehren: „Geht dorthin, wo sich jemand auf euch freut.“Noch einen persönlich­en Weihnachts­wunsch hat der Liedermach­er an seine Zuhörer: „Ein Jahr kein Hendl essen.“Einigen Kundinnen einer Hendlbrate­rei hat er schon den Appetit verdorben, indem er dort mit seinem lebendigen Hahn aufgetauch­t ist mit der Bemerkung: „So schaut er angezogen aus.“

Dem Liedermach­er ist bewusst, dass er nicht die Menschheit retten kann. Doch er sorgt sich um seine Mitmensche­n und auch um das Grandhotel Cosmopolis, das Begegnunge­n mit Geflüchtet­en ermöglicht. Den ganzen Abend bestreitet Söllner solo mit seiner Gitarre – ohne dass es auch nur einen Moment langweilig wäre. Zum Schluss bekommt er Gesangs- und Trommelver­stärkung durch zwei afrikanisc­he Bewohner des Grandhotel­s. „Freiheit“heißt der Song und der bayerisch und erstmals afrikanisc­h gesungene Refrain lautet: „Aba i, i moch ma Sorgen um di.“

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Foto: Andreas Schmidt Mit zwei Musikern aus dem Grandhotel musizierte Hans Söllner zum Abschluss seines Konzerts.

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