Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Verzweifelt gesucht: Pflegekräfte
Weil Personal fehlt, können manche Einrichtungen und ambulante Pflegedienste niemanden mehr annehmen. Es gibt aber auch kreative Ideen, um neue Fachkräfte zu gewinnen
Landkreis Augsburg Die geplante Schließung des Seniorenheims in Dinkelscherben hat ein altbekanntes Problem in den Fokus gerückt: Es fehlt an Pflegekräften. Das Landratsamt bestätigt, dass die Personalsituation in Heimen „zum Teil durchaus angespannt ist“. Viele Einrichtungen würden über Schwierigkeiten bei der Akquise sowohl von Pflegefachkräften als auch von Pflegehilfskräften klagen. Wie viele Mitarbeiter eine Einrichtung braucht, richtet sich nach der Anzahl der Plätze und nach dem Pflegegrad der Bewohner. Mindestens die Hälfte der Pflegekräfte müssen ausgebildete Fachkräfte sein.
Renate Mayer, die Fachbereichsleiterin Senioren beim Landratsamt, erklärt: „Eine Einrichtung darf grundsätzlich nur so viele Menschen aufnehmen, für wie viele das vorhandene Personal ausreicht.“Wenn es zu wenige Pflegekräfte gibt, muss sich eine Einrichtung einen „freiwilligen Aufnahmestopp“auferlegen. Zweimal wurde das heuer bei der Behörde bekannt. Allerdings betont Mayer: „Aufnahmestopps müssen dem Landkreis nicht mitgeteilt werden.“
Auch der Pressesprecher der Caritas in Augsburg, Bernhard Gattner, bestätigt die Problemlage: „Der Markt ist leer gefegt, es ist schwer, Mitarbeiter zu finden.“Für ihn ist klar: Der Pflegenotstand ist Fakt, auch im Landkreis. Viele Einrichtungen der Caritas könnten aus Personalmangel nicht alle verfügbaren Plätze vergeben. Hin und wieder müssten einzelne Mitarbeiter außerdem die Teilnahme an Fortbildungen absagen, weil ihre Einrichtung nicht auf sie verzichten könne, erklärt er.
Dr. Heinz Münzenrieder, der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Schwaben, hat „ein Stück weit Verständnis“für die Schließung des Heims in Dinkelscherben. „Wir stehen vor dem gleichen Problem“, sagt er. In manchen Einrichtungen musste auch die AWO sich entscheiden, ob Abteilungen vorübergehend geschlossen werden sollen. Mit 25 Einrichtungen in Schwaben hätte die AWO zwar mehr Möglichkeiten als andere Träger, erklärt Münzenrieder. Trotzdem betont er: „Wir kommen mit Ach und Krach über die Runden, aber wir könnten ständig gute Kräfte einstellen.“
Um Fachkräfte in den Pflegeheimen zu halten, biete die AWO ihren Pflegern kostenlose Kindergartenplätze und ist aktuell auf der Suche nach Wohnungen, die sie für ihre Mitarbeiter kaufen oder anmieten kann. Außerdem soll Verstärkung aus Albanien kommen. Der Verband bildet gerade zehn Kräften aus dem Balkanland aus. Da die albanischen Kräfte nicht nur fachlich, sondern auch sprachlich geschult werden müssen, sei die Maßnahme mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden, so der AWO-Vorsitzende. Für Albanien habe man sich in Absprache mit dem Sozialministerium entschieden. Die Bevölkerung sei dort sehr jung, man entziehe dem Markt vor Ort also keine Fachkräfte, meint Heinz Münzenrieder.
Auch die ambulante Pflege sucht nach Mitarbeitern. „Von manchen Sozialstationen habe ich schon gehört, dass sie Kunden ablehnen müssen“, sagt Gattner. Natürlich gebe es Einrichtungen, in denen es sehr gut laufe. Aber gerade im ländlichen Raum suche auch die ambulante Pflege dringend nach Unter- stützung. „Leiter von Sozialstationen haben mir gesagt, dass sie gerne noch zwei bis drei Mitarbeiter mehr anstellen würden, aber sie finden niemanden“, erklärt der Pressesprecher.
Daniela Gräf, Geschäftsführerin des Pflegedienstes Sonnenschein mit Sitz in Biberbach und 50 Beschäftigten, bestätigt: „Personal zu finden ist natürlich immer schwer. Den Beruf will ja leider kaum mehr jemand machen.“Dennoch muss der Pflegedienst selten Patienten aufgrund von Personalmangel im Außendienst abweisen, sofern sie zeitlich flexibel sind.
Das sagt auch Marion Demel, die in Stadtbergen-Leitershofen den Ambulanten Kranken- und Pflegedienst Sonnenschein betreibt. Auch sie beschäftigt 50 Mitarbeiter, will derzeit aber auch nicht noch mehr Personal einstellen. Sie sagt: „Wir stocken nicht mehr auf, die Belastungsgrenze ist irgendwann erreicht.“Die allgemeine Situation in der ambulanten Pflege sei heutzutage so, „dass man sich meist keine Wunschzeiten mehr aussuchen kann“, erklärt Demel. Das heißt, dass der Pflegedienst morgens nicht zwischen 7 und 8 Uhr kommen kann, sondern etwas früher oder später.
Das Landratsamt hat mittlerweile verschiedene Maßnahmen gegen den Pflegenotstand ergriffen. Demnächst soll eine Werbekampagne zur Verbesserung des Bildes von Pflegeberufen starten. Dazu gehören kurze Filme, Flyer und Plakate. Außerdem erhalten ambulante Pflegedienste, die Auszubildende aufnehmen, schon jetzt finanzielle Unterstützung vom Landkreis. 20 000 Euro stellt das Landratsamt zusätzlich zur Grundförderung von 279000 Euro insgesamt zur Verfügung.
Der Pflegenotstand wird allerdings nicht nur durch den Personalmangel verschärft. Renate Mayer erklärt: „Seitens einiger Träger wurde auch beklagt, dass teilweise Pflegefachkräfte von anderen Organisationen im Gesundheitsbereich mit finanziellen Anreizen aktiv abgeworben werden. Dies verschärft die personelle Situation insbesondere in der Altenpflege.“Der Beirat für Soziales und Senioren habe deshalb den Landkreis gebeten, „beim zuständigen Bundesminister darauf hinzuwirken, dass Personal in der Pflege besser bezahlt wird“, sagt Mayer. Dabei gehe es nicht nur um höhere Löhne, sondern auch um die Reduzierung der Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden, „sodass die Pflegekräfte auch körperlich entlastet »Kommentar werden“.