Augsburger Allgemeine (Land Nord)
In einer Woche eineinhalb Mal um die Erde
Paul Kienberger stieg mit 21 Jahren in den Familienbetrieb in Thierhaupten ein. Der Geschäftsführer ist auch für ungewöhnliche Bitten der Azubis offen
Thierhaupten Dieser Fuhrpark entgeht niemandem, der im Lechtal unterwegs ist. In Großbuchstaben steht auf der Busflotte der Firma Egenberger der Name des Großvaters, der im Jahr 1938 ein Fuhrunternehmen angemeldet hat. Das in Thierhaupten ansässige Unternehmen hat 60 Fahrzeuge im Einsatz. Ein Team von über 110 Mitarbeitern sorgt dafür, dass das Tagesgeschäft reibungslos läuft, und auch dafür, dass sich Geschäftsführer Paul Kienberger um spezielle Angelegenheiten kümmern kann, an die zunächst keiner denkt.
Das Einsatzgebiet des Betriebs ist groß: Würde man alle Strecken hintereinander abfahren, würden die Busse wöchentlich eineinhalb Mal die Erde umrunden. Hinzu kommen etliche Kilometer, die die Busse bei Urlaubsreisen oder für Ausflüge zurücklegen. Was dem 49-jährigen Geschäftsführer besonders am Herzen liegt, sind seine Auszubildenden. Acht Azubis und 15 Mitarbeiter, die seit 2018 in eine Weiterbildung gestartet sind, gibt es aktuell im Team von Egenberger. Sie alle sind den Werbebotschaften gefolgt, die Kienberger platziert, um die jungen Menschen dazu zu animieren, sich fürs Team Egenberger zu engagieren und sich dort zu bewerben.
Wer beispielsweise mit dem Egenberger-Bus zur Jobmesse fährt, findet dort eine Einladung ins „Team Egenberger“. Hinter den QR-Codes auf den Flyern verbergen sich Videos, die die EgenbergerAzubis selbst gedreht haben. „Authentisch“sollten die Werbemaßnahmen sein, wünscht sich Kienberger.
Eine besondere Herausforderung ist es für den Unternehmer vor allem, Nachwuchs für die Riege der Busfahrer zu bekommen, und das hat einen einfachen Grund: Den Busführerschein dürfen angehende Berufskraftfahrer in der Personenbeförderung erst im Alter von 24 Jahren machen. Doch Kienbergers Bemühungen um den Nachwuchs gehen auf: Von den gerade mal 32 Schülern, die 2018 im IHK-Bezirk Schwaben in die Ausbildung gestartet sind, stammen vier Azubis aus dem Team Egenberger.
Was die jungen Leute dort erwartet, ist ein eigener Fahrschulbus, ein Schulungsraum, Fahrsicherheitstrainings und die Schulungsmodule, die jeder Berufskraftfahrer regelmäßig absolvieren muss. Wichtig ist dem Geschäftsführer eine offene, fast schon familiäre Kommunikation zwischen dem Nachwuchs und der Chefriege.
So bat erst kürzlich ein Azubi den Chef via Messenger-Nachricht darum, einen Egenberger-Bus zur Berufsschule mitnehmen zu dürfen. Diese befindet sich in Memmingen im Landkreis Unterallgäu – und da-
Eine Herausforderung ist es, Nachwuchs für die Riege der Busfahrer zu bekommen
mit immerhin in 120 Kilometer Entfernung vom Ausbildungsbetrieb. Der Grund: Der Azubi wollte auf „seinem Bus“die Prüfung ablegen, und Kienberger stimmte zu. Für neue Ideen ist der Chef immer zu haben.
Aktuell arbeiten die Azubis daran, Inhalte im Bereich „Streckenkunde“visuell in Form von OnlineVideos darzustellen. Doch auch für gemeinnützige Aktionen engagiert sich Kienberger gerne – beispielsweise dann, wenn es um die Musik geht, die ihm ganz persönlich wichtig ist, oder auch, wenn es um eine Spendenaktion der DKMS für den Kampf gegen den Blutkrebs geht. „Das finde ich gut. Hier will ich meinen Beitrag leisten“, erklärt der Unternehmer. Dass der Betrieb jung, authentisch und engagiert auftritt, ist Kienberger sehr wichtig, der im Jahr 1991 ins Unternehmen eingestiegen ist.
Mit 21 Jahren hängte er seinen Job als Reiseverkehrskaufmann an den Nagel und verabschiedete sich damit nicht ohne Wehmut von den Reisen, die ihn in die ganze Welt brachten.
Der Grund für seine Rückkehr in den Betrieb, den zu dieser Zeit seine Eltern Max und Franziska Kienberger leiteten, hatte einen Grund, der der größte Vorteil des Unternehmens ist und zugleich auch die größte Herausforderung darstellt: Die Firma Egenberger ist ein Familienbetrieb. Kienbergers Mutter bat ihn zu helfen. Sein Vater sei erkrankt. Heute führt Kienberger das Unternehmen mit Herzblut und Individualismus. Gerne besinnt sich Kienberger auf die Wurzeln des Unternehmens.
Er weiß: Hätte sein Großvater, Anton Egenberger, das Unternehmen nicht auf dem Grund eines Bauernhofs gegründet, und hätten seine Eltern nicht die Weichen für das erfolgreiche Unternehmen gestellt, wäre der Betrieb nicht da, wo er heute steht.
Doch Kienberger lebt nicht nur in der Gegenwart, sondern weiß bereits jetzt, was in zehn Jahren sein soll: „Im Jahr 2030 stehe ich nicht mehr als Geschäftsführer zur Verfügung“, verrät er.