Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Disco-Patriarch unter Druck
Seit Jahrzehnten betreibt Alfons Weigl im Raum Augsburg Großdiskotheken. Mit der Sound Factory in Gersthofen ist er verstärkt in das Visier der Behörden geraten. Das hat Gründe
Seit Jahrzehnten betreibt Alfons Weigl im Raum Augsburg Großdiskotheken. Mit der Sound Factory in Gersthofen ist er ins Visier der Behörden geraten.
Gersthofen Nachts um halb eins ist der Laden so, wie er ihn haben will. Auf der Tanzfläche junge, gut gekleidete Menschen, fröhliche Stimmung. Ständig kommen mehr, am Eingang schießt ein eigens engagierter Fotograf Erinnerungsbilder von Paaren. Alfons Weigl breitet die Arme aus, blickt um sich und ruft: „Das hat doch Niveau hier.“Weigl, weißes Hemd und dunkler Anzug, muss die Stimme erheben, um verstanden zu werden. Denn in der Nähe der Tanzfläche einer Großdiskothek geht es nun mal laut zu.
Weigl, der bald 70 Jahre alt wird, betreibt seit über vier Jahrzehnten Diskotheken im Großraum Augsburg. In Gersthofen ist er seit mehr als 30 Jahren. Seine Sound Factory gehört zu den großen Discos im süddeutschen Raum. Im Untergeschoss von Spiel&Freizeit im Hery-Park finden 1200 Gäste auf einmal Platz, in guten Nächten kommen oft 2000 Menschen in die Sound Factory.
Noch nie habe er in seiner langen Laufbahn als Nachtgastronom großen Ärger mit den Behörden gehabt. Zuletzt aber macht die Gerstofer Disco weniger durch große Veranstaltungen von sich reden als durch Polizeieinsätze. Bevorzugt auf dem Parkplatz kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Schlägereien, und Weigl weiß, wenn sich die Lage nicht beruhigt, geht es um die Existenz (siehe grauer Kasten). Schon jetzt haftet seinem Laden das Etikett an, die „problematischste Diskothek im gesamten Landkreis“zu sein. Weigl findet diesen Vorwurf unfair. Er sagt: „Man will uns rausmobben.“
Der Gastronom verweist auf die Augsburger Innenstadt. Dort gab es 2017 mehr als 250 Übergriffe auf Polizeibeamte, Sorgenkind Nummer eins ist das Nachtleben. In und hauptsächlich vor der Sound Factory, die so viele Gäste aufnehmen könne wie alle Clubs in der Maxstraße zusammen, gab es laut Weigl zwischen Sommer 2015 und Sommer 2017 nur rund 30 Einsätze. Die Disco hat in der Regel nur samstags und vor Feiertagen geöffnet.
Wenn das so stimmt, dann war der Januar 2019 ein schlechter Monat. Denn da war die Polizei gleich achtmal da – viermal wegen Schlägereien. Nicht mitgerechnet ist dabei der Messerstich, den ein junger Mann offenbar bei einem Streit auf der Tanzfläche in die Leiste bekam und erst draußen bemerkte. Weigl meldet Zweifel an der Version an. Der Mann könne sich auch an einer Scherbe geschnitten haben. Das Opfer sei betrunken gewesen, mehrere Gläser seien zu Bruch gegangen.
Thomas Klingler ist stellvertretender Chef der Polizei in Gersthofen und hat mit der Sound Factory seit Jahren zu tun. Sein Urteil fällt eindeutig aus: „Es kommt immer wieder zu handgreiflichen Auseinandersetzungen, zum Teil mit schwer verletzten Personen. Natürlich gibt es auch bei anderen Diskotheken Körperverletzungen, aber nicht in dieser Häufigkeit und mit solchen Folgen.“
Auf Anfrage unserer Zeitung listet Klingler für die vergangenen zwölf Monate neun schwere Vorfälle auf: Schlägereien zwischen Gruppen mit bis zu zehn Menschen, Bierflaschen, die auf Köpfen zertrümmert werden, Gläser, die in Gesichtern landen. Einmal fahndete die Polizei auf dem Parkplatz vergeblich nach einer Schusswaffe. Den Vorwurf, seine Beamten hätten etwas gegen die Diskothek, weist der Gersthofer Polizeichef Markus Schwarz zurück: „Wir beschreiben nur die Fakten und versuchen, die Lage in den Griff zu bekommen.“
Dass die langen Nächte in einer Großdiskothek kein Kindergeburtstag sind, ist allen Beteiligten klar. Oder, wie Weigl es ausdrückt: „Wenn du tausend herinnen hast, sind bestimmt drei Idioten dabei.“Doch die Beamten in Gersthofen stellen nach eigenem Bekunden seit etwa zwei Jahren fest, dass die nächtlichen Einsätze für sie selbst immer gefährlicher werden. Sie werden beschimpft und zum Teil tätlich angegriffen. Der Tiefpunkt: Vor zwei Jahren mussten zwei Streifen einmal schlicht die Flucht vor einem Mob von 40 gewaltbereiten Menschen ergreifen. Es folgte ein Großeinsatz.
Dass Polizeibeamte zunehmend selbst Angriffen ausgesetzt sind, ist ein bundesweites Phänomen, bei dem Augsburg einen traurigen Rekord hält. In keiner anderen bayerischen Großstadt werden Beamte häufiger beschimpft und beleidigt. In Gersthofen betont DiskothekenBetreiber Weigl immer wieder, dass es den meisten Ärger auf dem Parkplatz außerhalb der Disco gebe. Doch nach den Beobachtungen der Polizei gibt es einen Zusammen-
Die Discoparty beginnt und endet auf dem Parkplatz, und wenn es Ärger gibt, seien die Beteiligten „teils hochgradig angetrunken“.
Seit einigen Jahren setzt die Großdisco, in die die Gersthofer früher traditionell nach dem Faschingsumzug gingen, auf sogenannte Eventpartys mit Mottos wie „Istanbul“„Moskau“, „Balkan“oder „Albanischer Sound“. Externe Veranstalter buchen die DJs und
sorgen für die Werbung unter den entsprechenden Nationalitäten – die Disco verkauft die Getränke und sorgt für die Sicherheit. Laut Weigl läuft das meist ohne große Probleme. Die Polizei sieht das anders. Die geschlossenen Gruppen, die zum Teil von weither anreisten, brächten ihre Konflikte mit ins Lokal, die Türsteher täten sich schwer, Problemgruppen fernzuhalten.
Problematische Gäste, sagt dagehang: gen Alfons Weigl, hat es schon immer gegeben. Doch wenn er von seinen Anfängen als Diskothekenbetreiber erzählt, wird deutlich, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. In den 1970er-Jahren in Kissing genügten ein paar kräftige Kellner, um Raufbolde an die Luft zu setzen. Heute, in Gersthofen, hat er an ganz normalen Abenden zehn Securityleute im Einsatz, die Besucher auch nach Waffen abtasten.