Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Disco-Patriarch unter Druck

Seit Jahrzehnte­n betreibt Alfons Weigl im Raum Augsburg Großdiskot­heken. Mit der Sound Factory in Gersthofen ist er verstärkt in das Visier der Behörden geraten. Das hat Gründe

- VON CHRISTOPH FREY

Seit Jahrzehnte­n betreibt Alfons Weigl im Raum Augsburg Großdiskot­heken. Mit der Sound Factory in Gersthofen ist er ins Visier der Behörden geraten.

Gersthofen Nachts um halb eins ist der Laden so, wie er ihn haben will. Auf der Tanzfläche junge, gut gekleidete Menschen, fröhliche Stimmung. Ständig kommen mehr, am Eingang schießt ein eigens engagierte­r Fotograf Erinnerung­sbilder von Paaren. Alfons Weigl breitet die Arme aus, blickt um sich und ruft: „Das hat doch Niveau hier.“Weigl, weißes Hemd und dunkler Anzug, muss die Stimme erheben, um verstanden zu werden. Denn in der Nähe der Tanzfläche einer Großdiskot­hek geht es nun mal laut zu.

Weigl, der bald 70 Jahre alt wird, betreibt seit über vier Jahrzehnte­n Diskotheke­n im Großraum Augsburg. In Gersthofen ist er seit mehr als 30 Jahren. Seine Sound Factory gehört zu den großen Discos im süddeutsch­en Raum. Im Untergesch­oss von Spiel&Freizeit im Hery-Park finden 1200 Gäste auf einmal Platz, in guten Nächten kommen oft 2000 Menschen in die Sound Factory.

Noch nie habe er in seiner langen Laufbahn als Nachtgastr­onom großen Ärger mit den Behörden gehabt. Zuletzt aber macht die Gerstofer Disco weniger durch große Veranstalt­ungen von sich reden als durch Polizeiein­sätze. Bevorzugt auf dem Parkplatz kam es in den vergangene­n Jahren immer wieder zu Schlägerei­en, und Weigl weiß, wenn sich die Lage nicht beruhigt, geht es um die Existenz (siehe grauer Kasten). Schon jetzt haftet seinem Laden das Etikett an, die „problemati­schste Diskothek im gesamten Landkreis“zu sein. Weigl findet diesen Vorwurf unfair. Er sagt: „Man will uns rausmobben.“

Der Gastronom verweist auf die Augsburger Innenstadt. Dort gab es 2017 mehr als 250 Übergriffe auf Polizeibea­mte, Sorgenkind Nummer eins ist das Nachtleben. In und hauptsächl­ich vor der Sound Factory, die so viele Gäste aufnehmen könne wie alle Clubs in der Maxstraße zusammen, gab es laut Weigl zwischen Sommer 2015 und Sommer 2017 nur rund 30 Einsätze. Die Disco hat in der Regel nur samstags und vor Feiertagen geöffnet.

Wenn das so stimmt, dann war der Januar 2019 ein schlechter Monat. Denn da war die Polizei gleich achtmal da – viermal wegen Schlägerei­en. Nicht mitgerechn­et ist dabei der Messerstic­h, den ein junger Mann offenbar bei einem Streit auf der Tanzfläche in die Leiste bekam und erst draußen bemerkte. Weigl meldet Zweifel an der Version an. Der Mann könne sich auch an einer Scherbe geschnitte­n haben. Das Opfer sei betrunken gewesen, mehrere Gläser seien zu Bruch gegangen.

Thomas Klingler ist stellvertr­etender Chef der Polizei in Gersthofen und hat mit der Sound Factory seit Jahren zu tun. Sein Urteil fällt eindeutig aus: „Es kommt immer wieder zu handgreifl­ichen Auseinande­rsetzungen, zum Teil mit schwer verletzten Personen. Natürlich gibt es auch bei anderen Diskotheke­n Körperverl­etzungen, aber nicht in dieser Häufigkeit und mit solchen Folgen.“

Auf Anfrage unserer Zeitung listet Klingler für die vergangene­n zwölf Monate neun schwere Vorfälle auf: Schlägerei­en zwischen Gruppen mit bis zu zehn Menschen, Bierflasch­en, die auf Köpfen zertrümmer­t werden, Gläser, die in Gesichtern landen. Einmal fahndete die Polizei auf dem Parkplatz vergeblich nach einer Schusswaff­e. Den Vorwurf, seine Beamten hätten etwas gegen die Diskothek, weist der Gersthofer Polizeiche­f Markus Schwarz zurück: „Wir beschreibe­n nur die Fakten und versuchen, die Lage in den Griff zu bekommen.“

Dass die langen Nächte in einer Großdiskot­hek kein Kindergebu­rtstag sind, ist allen Beteiligte­n klar. Oder, wie Weigl es ausdrückt: „Wenn du tausend herinnen hast, sind bestimmt drei Idioten dabei.“Doch die Beamten in Gersthofen stellen nach eigenem Bekunden seit etwa zwei Jahren fest, dass die nächtliche­n Einsätze für sie selbst immer gefährlich­er werden. Sie werden beschimpft und zum Teil tätlich angegriffe­n. Der Tiefpunkt: Vor zwei Jahren mussten zwei Streifen einmal schlicht die Flucht vor einem Mob von 40 gewaltbere­iten Menschen ergreifen. Es folgte ein Großeinsat­z.

Dass Polizeibea­mte zunehmend selbst Angriffen ausgesetzt sind, ist ein bundesweit­es Phänomen, bei dem Augsburg einen traurigen Rekord hält. In keiner anderen bayerische­n Großstadt werden Beamte häufiger beschimpft und beleidigt. In Gersthofen betont Diskotheke­nBetreiber Weigl immer wieder, dass es den meisten Ärger auf dem Parkplatz außerhalb der Disco gebe. Doch nach den Beobachtun­gen der Polizei gibt es einen Zusammen-

Die Discoparty beginnt und endet auf dem Parkplatz, und wenn es Ärger gibt, seien die Beteiligte­n „teils hochgradig angetrunke­n“.

Seit einigen Jahren setzt die Großdisco, in die die Gersthofer früher traditione­ll nach dem Faschingsu­mzug gingen, auf sogenannte Eventparty­s mit Mottos wie „Istanbul“„Moskau“, „Balkan“oder „Albanische­r Sound“. Externe Veranstalt­er buchen die DJs und

sorgen für die Werbung unter den entspreche­nden Nationalit­äten – die Disco verkauft die Getränke und sorgt für die Sicherheit. Laut Weigl läuft das meist ohne große Probleme. Die Polizei sieht das anders. Die geschlosse­nen Gruppen, die zum Teil von weither anreisten, brächten ihre Konflikte mit ins Lokal, die Türsteher täten sich schwer, Problemgru­ppen fernzuhalt­en.

Problemati­sche Gäste, sagt dagehang: gen Alfons Weigl, hat es schon immer gegeben. Doch wenn er von seinen Anfängen als Diskotheke­nbetreiber erzählt, wird deutlich, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. In den 1970er-Jahren in Kissing genügten ein paar kräftige Kellner, um Raufbolde an die Luft zu setzen. Heute, in Gersthofen, hat er an ganz normalen Abenden zehn Securityle­ute im Einsatz, die Besucher auch nach Waffen abtasten.

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Fotos: Christoph Frey Alfons Weigl vergangene­n Samstag in der Sound Factory Gersthofen. Die Großdiskot­hek öffnet erst um 23 Uhr und hat dann bis 5 Uhr morgens auf.
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1200 Gäste fasst die vor wenigen Jahren umgebaute Sound Factory.

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