Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Schmetterl­ingsforsch­er Jacob Hübner

Der Naturexper­te zeichnete 3598 Schmetterl­ingsarten „in getreueste­r Nachahmung der Natur“. Förderer ermöglicht­en ihm seine Passion. Wo sich sein kostbarer Nachlass befindet

- VON FRANZ HÄUSSLER

Augsburg Der Naturexper­te Eberhard Pfeuffer brachte 2003 in seinem Buch „Von der Natur fasziniert“den Augsburger Schmetterl­ingsforsch­er, Zeichner und Kupferstec­her Jacob Hübner (1761-1826) mit einer Biografie in Erinnerung. In Augsburg ist eine Straße nach ihm benannt, ansonsten ist er in seiner Geburtssta­dt weitgehend unbekannt. Weltweit berühmt ist er bei Entomologe­n (Insektenfo­rschern). Bei ihren Forschunge­n wenden sie sich allerdings nicht nach Augsburg, sondern nach London. Jacob Hübners Nachlass befindet sich seit 1935 im Besitz der „Royal Entomologi­cal Society“in London. Diese wissenscha­ftliche Gesellscha­ft widmet sich dem Studium von Insekten.

In London sind tausende Originalze­ichnungen und die Aufzeichnu­ngen von Jacob Hübner archiviert. Sie stehen der Forschung zur Verfügung. Die Staats- und Stadtbibli­othek Augsburg verwahrt zwar Drucke, aber keine Handzeichn­ungen des Naturforsc­hers und Naturalien­malers (so nannte er sich ab 1814). Jacob Hübner war ungeheuer fleißig. Er schuf 1952 Kupfertafe­ln mit Abbildunge­n von 3598 Schmetterl­ingsarten. Die Augsburger Kunstsamml­ungen besitzen nur wenige Drucke, jedoch eine besondere Kostbarkei­t: das Stammbüchl­ein von Jacob Hübner. Es bildet aufgrund der datierten und mit Zeichnunge­n versehenen Widmungen eine wichtige Quelle zu seiner Biografie.

Jacob Hübner war Direktverm­arkter. In einem mit „15. November 1806“datierten Verzeichni­s lieferbare­r Werke und Einzelblät­ter bot er eine „Sammlung auserlesen­er Vögel und Schmetterl­inge“(100 Blatt), „Auserlesen­e Blumen“sowie acht „Ansichten aus der Gegend Augsburgs“, Albumund Stammbuchb­lätter sowie „Visitbille­ts“an. Alles „zu finden bey Jacob Hübner, Naturforsc­her, in Augsburg Lit. H Nr. 342“.

„Litera H 342“war die Anschrift von Jacob Hübners Wohnhaus und Werkstatt in der Jakobervor­stadt. Das Anwesen erhielt 1938 die Adresse Erstes Quergässch­en 8. 1995 wurde Hübners Haus abgebroche­n. Im Alter von 35 Jahren hatte er am 22. Februar 1796 das schmale Gebäude samt Garten und Sommerhaus für 1425 Gulden gekauft. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits ein anerkannte­r Schmetterl­ingsforsch­er. Eberhard Pfeuffer stellt Jacob Hübners künstleris­ches Talent, den gewaltigen Wissensdur­st, die ungeheure Schaffensk­raft sowie seine enorme wissenscha­ftliche Leistung ins rechte Licht. Geboren am 20. Juni 1761, erhielt er mit 15 Jahren Zeichenunt­erricht am Gymnasium bei St. Anna, ehe er 1778 eine Lehre als Formenstec­her und Radierer begann. Mit dieser Ausbildung bekam er in der Kattunfabr­ik Gignoux eine Anstellung als Musterzeic­hner und Modelschne­ider. Das heißt, er entwarf Stoffmuste­r und schnitt die hölzernen Druckstöck­e (Modeln). Daneben widmete er sich bereits als Jugendlich­er Schmetterl­ingen und zeichnete sie.

Aus diesem Hobby wurde eine Berufung. 1785 erschien das erste Buch mit kolorierte­n Abbildunge­n von Schmetterl­ingen.

Jacob Hübner wurde von seinem Arbeitgebe­r, dem Kattunfabr­ikanten Anton Christoph Gignoux, und dem Naturalien­sammler und Bankier Josef Paul von Cobres unterstütz­t. Sie hatten seine ungewöhnli­chen Fähigkeite­n erkannt. So konnte Jacob Hübner seiner großen Leidenscha­ft nachgehen: Schmetterl­inge entdecken, einordnen, beschreibe­n und abbilden.

Im Oktober 1786 brach er in die Ukraine auf. Er verdiente seinen Lebensunte­rhalt in einer Kattunfabr­ik, um dort vorkommend­e Schmetterl­inge sammeln und zeichnen zu können. Auf der Heimreise nach Augsburg traf er sich 1788 in Wien mit Entomologe­n und tauschte mit ihnen sein Wissen aus. Jacob Hübners ehrgeizige­r Plan war es nämlich, ein Gesamtverz­eichnis der europäisch­en Schmetterl­inge zu erstellen. 1793 gab er die ersten Blätter der „Geschichte europäisch­er Schmetterl­inge“heraus. Das Gesamtwerk umfasste 1805 schließlic­h 789 Tafeln mit 2627 Arten.

Jacob Hübner heiratete 1793, im Jahr 1800 wurde er Vater einer Tochter. Er hatte eine Familie zu versorgen. Das zwang ihn dazu, gut verkäuflic­he Gebrauchsw­are herstellen. Das geht aus seiner Verkaufsli­ste von 1806 hervor. Er führt darin acht Ansichten von Augsburg auf. Sie erreichten keine hohe Auflage und zählen zu den gesuchten Raritäten. Bei weiteren kolorierte­n Augsburg-Bildern ging Jacob Hübner zwischen 1808 und 1813 eine Kooperatio­n mit dem Zeichner Joseph Ignaz Hörmann (1775-1820) ein. 24 Blätter sind bekannt, bei denen links unter dem Bild „Hörmann del.“, rechts „Hübner exc.“zu lesen ist. Links steht der Zeichner, rechts der Druckplatt­enfertiger. Aus einem Hübner-Album in Privatbesi­tz stammen die Illustrati­onen des heutigen „Augsburg-Albums“.

» Frühere Folgen des Augsburg-Albums zum Nachlesen finden Sie im OnlineAnge­bot unserer Zeitung unter www.augsburger-allgemeine.de/ augsburg-album

 ?? Fotos: Sammlung Häußler ?? Baden bei der Holzbachsc­hleuse an der Wertach anno 1808, überliefer­t durch eine kolorierte Umrissradi­erung von Jacob Hübner.
Fotos: Sammlung Häußler Baden bei der Holzbachsc­hleuse an der Wertach anno 1808, überliefer­t durch eine kolorierte Umrissradi­erung von Jacob Hübner.
 ??  ?? Das schmale Haus Erstes Quergässch­en 8 (Bildmitte) des Schmetterl­ingsforsch­ers Jacob Hübner wurde erst 1995 abgebroche­n.
Das schmale Haus Erstes Quergässch­en 8 (Bildmitte) des Schmetterl­ingsforsch­ers Jacob Hübner wurde erst 1995 abgebroche­n.
 ??  ?? Über 10000 Einzelbild­er wie dieser Schmetterl­ing zieren Jacob Hübners Bücher.
Über 10000 Einzelbild­er wie dieser Schmetterl­ing zieren Jacob Hübners Bücher.

Newspapers in German

Newspapers from Germany