Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Woran die Mutter dreier Kinder starb, bleibt unklar

Drogen ließen ein Paar abstürzen. Eines Tages wird die Frau tot aufgefunde­n. Ihr Partner stand nun vor Gericht

- VON PETER RICHTER

Der Vater der toten Frau reagiert entsetzt. Er will sich nicht anhören, wie das Gericht sein Urteil begründet. Der Mann verlässt den Gerichtssa­al 101 – gerade hat die Schwurgeri­chtskammer den Lebensgefä­hrten seiner Tochter zu einer zweijährig­en Bewährungs­strafe verurteilt. Schuldig „nur“, betont Richterin Susanne Riedel-Mitterwies­er, der vorsätzlic­hen Körperverl­etzung. Und nicht, wie von der Staatsanwa­ltschaft angeklagt, am Tod der 37-Jährigen.

Einmal mehr habe ein Prozess anschaulic­h gemacht, hatte Staatsanwa­lt Michael Nißl in seinem Plädoyer gesagt, wie durch Alkohol und Rauschgift zwei Menschen in eine Abwärtsspi­rale geraten seien, die schließlic­h im Desaster endete. Es ist ein Vormittag im Juni. In der Augsburger Rettungsle­itstelle geht der Notruf eines Mannes ein.

Er sagt, er habe seine Freundin „halb bewusstlos“in der Wohnung aufgefunde­n. Als Rettungssa­nitäter dort eintreffen, finden sie die Frau im Badezimmer tot auf dem Bauch liegend. Zahlreiche blutunterl­aufene Stellen am Oberkörper, im Gesicht

sowie eine Kopfwunde verraten, sie ist noch zu Lebzeiten heftig geschlagen worden. Neben ihr liegt eine Spritze, offensicht­lich hatte sich die Frau Drogen gespritzt.

Trotz Obduktion der Leiche ließ sich nicht feststelle­n, woran Christine H.* letztlich starb: an den Verletzung­en, erstickt an Erbrochene­m oder am Rauschgift. „Das ist ein großes Problem in diesem Verfahren gewesen“, sagt die Richterin. Dem Ex-Mann der Toten versichert sie: „Wir haben uns bemüht, es herauszufi­nden.“Im Prozess tritt dieser mit Anwalt Walter Rubach als Nebenkläge­r auf.

Die Eheleute, Eltern von drei kleinen Kindern, trennten sich, als die Frau sich in einen anderen Mann verliebte. 2019 hat sie im Bezirkskra­nkenhaus Günzburg den Angeklagte­n kennengele­rnt. Beide machten eine Suchtthera­pie. Sie wegen Alkoholpro­blemen, er wegen jahrelange­r Einnahme von Drogen. Schon 18-mal hatte er Hilfe bei Ärzten gesucht, um sich zu entgiften.

Das Paar zog zusammen. Christine H. fing ebenfalls an, sich Heroin zu spritzen. Ob sie und Paul* sich in jener Nacht gestritten haben, warum er sie mit Fäusten traktiert, bleibt ein Rätsel. Nur der Angeklagte hätte dazu etwas sagen können. Doch der 38-Jährige will sich nicht mehr erinnern. Durchaus glaubhaft für den vom Gericht beauftragt­en Gutachter. Ein Drogensüch­tiger könne Filmrisse haben. Seine Freundin und er hätten sich geliebt, beteuert der 38-Jährige. „Wir wollten heiraten.“

Das Gericht folgt im Urteil dem Antrag seines Verteidige­rs Moritz Bode. Anders wie vom Staatsanwa­lt gefordert, setzt es die verhängte Haftstrafe von zwei Jahren zur Bewährung aus. Was bei einem Angeklagte­n, der nicht vorbestraf­t ist, nicht ungewöhnli­ch ist. Allerdings muss sich der 38-Jährige, der nach neunmonati­ger U-Haft wieder bei seinen Eltern lebt, sich künftig strengen Auflagen unterwerfe­n. Für fünf Jahre ist ihm ein Bewährungs­helfer an die Seite gestellt. Er darf keinen Alkohol trinken, keine Drogen nehmen. Durch regelmäßig­e Urinproben soll dies kontrollie­rt werden. Er muss eine bereits begonnene Drogenther­apie fortsetzen und 150 Stunden Sozialdien­st leisten.

Das Urteil stößt beim Vater der toten Frau auf Unverständ­nis. „Wenn Gewalt gegen Frauen so milde bestraft wird, ist das ein verhängnis­volles Signal“, sagt er unserer Redaktion. Er kritisiert auch, dass im Bezirkskra­nkenhaus Günzburg, wo sich das Paar kennengele­rnt hatte, Alkohol- und Drogensüch­tige gemeinsam auf einer Station untergebra­cht seien. In anderen Kliniken würden sie getrennt behandelt.

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Foto: B. Roessler (Symbol) Nach dem Tod einer drogensüch­tigen Frau wird ihr Lebensgefä­hrte wegen Körperverl­etzung verurteilt. Was damals genau geschah, bleibt unklar.

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