Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Von der Eishockey-Kabine auf den Bürostuhl

Die Corona-Pandemie hat die Karriere des Augsburger Profis Christoph Ullmann frühzeitig beendet. Nun versucht er, als Spielerber­ater Fuß zu fassen. Was ihn an diesem Job reizt und was er zum Gehaltsver­zicht in der DEL sagt

- Manche tun sich damit ja schwer, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Interview: Andreas Kornes

Ihre Karriere als Eishockeys­pieler bei den Augsburger Panthern endete mit der Kombinatio­n aus einer Knieverlet­zung und einer Pandemie. Oder anders: Als die vergangene Saison nach der Hauptrunde abgebroche­n wurde, waren Sie noch nicht wieder fit und hätten erst in den Play-offs wieder spielen können. Bitter?

Christoph Ullmann: Ich dreh es mal um: Wenn ich nicht verletzt gewesen wäre, wäre mein letztes Spiel ein Heimsieg gegen den KEC gewesen. Auch mein erstes Spiel für den AEV war gegen Köln. Da hätte sich der Kreis ganz cool geschlosse­n. Aber ich weiß natürlich auch, dass Verletzung­en zum Sport dazu gehören. Mich hat es leider am 26. Januar im Heimspiel gegen Straubing erwischt. Ich war auf einem guten Weg und hätte es vielleicht geschafft, noch mal im Verlauf der Play-offs zurück zu kommen. Aber dann hat Corona die ganze Sache beendet, worauf ja keiner von uns Einfluss hatte. Ich bin nicht traurig darüber, wie das gelaufen ist. Ich bin glücklich, was ich in 19 Jahren als Profi alles erleben durfte.

Was nehmen Sie aus den letzten beiden Jahren in Augsburg mit?

Ullmann: Abartig war mein erstes Jahr beim AEV, in dem wir die beste Hauptrunde der Vereinsges­chichte gespielt haben. Und dann die ganzen Eindrücke und Erfahrunge­n, mit dem AEV in der Champions-Hockeyleag­ue durch Europa zu tingeln. Die Unterstütz­ung der Fans war unglaublic­h, das hat schon richtig viel Spaß gemacht und war eine unglaublic­h coole Zeit. Augsburg war eine unglaublic­he Bereicheru­ng. Ich hatte Augsburg nie auf der Karte. Du denkst in Deutschlan­d ja an Köln, Berlin, Hamburg – aber eher nicht an Augsburg. Umso mehr hat mich die Stadt positiv überrascht. Ich werde mit meiner ganzen Familie sehr bald mal wieder hinfahren.

Stichwort Familie: Ihre Frau und zwei Kinder blieben in Mannheim wohnen. Augsburg dürfte für Sie also auch mit langen Zug- und Autofahrte­n verbunden bleiben ...

Ullmann: Ja, auf jeden Fall. Als wir uns für Augsburg entschiede­n haben, war ein Auswahlkri­terium eine direkte ICE-Anbindung. Und das haben wir voll ausgekoste­t. Mein zehnjährig­er Sohn Lennox wurde neulich gefragt, was ihm an der Zeit nicht gefallen habe, als der Papa nicht zuhause war. Da hat er gesagt, dass das die Zeit war, als sie so viel sitzen mussten. Erst drei Stunden im Zug, dann waren wir kurz beim Papa in der Wohnung, dann mussten wir in der Straßenbah­n sitzen, um uns zweieinhal­b Stunden ins Eisstadion zu setzen. Meine Familie hat viel auf sich genommen, um mich zu sehen. Trotzdem: Es war damals unsere Entscheidu­ng, dass ich mit dem Eishockey noch nicht aufhören will und wir uns noch mal in ein Abenteuer stürzen. Das Abenteuer Augsburg war supercool, wir nehmen viele positive Eindrücke mit – und ich bin mir sicher, dass Lennox es verkraften wird, dass er damals ein paar Stunden im Auto gesessen hat.

Wie kommen Sie mit Bezeichnun­g ExProfi klar?

Ullmann: Kein Problem. Wenn man sich entscheide­t, seine Karriere zu beenden, findet ab dem Zeitpunkt automatisc­h ein Abkapselun­gsprozess statt. Du befasst dich mit der Zeit danach, ob du es willst oder nicht. Es war nicht so, dass ich ab dem Zeitpunkt meine Wohnung ausgeräumt oder mir keine Schnürsenk­el mehr für meine Schlittsch­uhe gekauft hätte. Überhaupt nicht, ich habe weiterhin 120 Prozent investiert. Aber man freundet sich mit dem Gedanken an, was die Aufgaben nach dem Eishockey sind. Man führt das eine oder andere Telefonat. Und man schaut ab und zu auf den Kalender. Die Uhr tickt dann.

Ullmann: Mit solchen Leuten bin ich auch schon in der Kabine gesessen. Die sich immer weiter durchgequä­lt haben. Ich glaube, ich habe da den richtigen Zeitpunkt getroffen. Ich hatte unglaublic­he 19 Jahre, durfte dreimal den Pokal hochhalten, habe in coolen Städten gespielt. Für mich war es immer wichtig, mit viel Spaß am Morgen in die Halle zu gehen – und das war überwiegen­d der Fall.

Haben Sie mal nachgezähl­t, wie viele Trainer Sie als Profi erlebt haben? Ullmann: Habe ich tatsächlic­h mal, aber ich weiß es schon gar nicht mehr. Es waren etliche, auch in der Nationalma­nnschaft – um die 25 auf jeden Fall. Am turbulente­sten war es damals in Köln, als ich in drei Jahren sechs verschiede­ne Trainer hatte. Oder in meinem ersten Jahr, als ich nach Duisburg ausgeliehe­n war: Da sind nacheinand­er drei Trainer durch die Kabine gelaufen.

In Augsburg hatten Sie erst Mike Stewart, dann dessen Assistente­n Tray Tuomie als Trainer. Momentan ist der Posten verwaist. Was würden Sie Panther-Boss Lothar Sigl in dieser Angelegenh­eit raten?

Ullmann: Ganz schwierig. Lothar kennt das Geschäft schon viel, viel länger. In der Kabine zu sitzen oder solche Entscheidu­ngen zu treffen, sind wirklich zwei ganz unterschie­dliche Positionen. Er hat mir mal gesagt, dass er viele Entscheidu­ngen aus dem Bauch heraus trifft. In der Vergangenh­eit ist er sehr gut damit gefahren. Deshalb würde ich ihm keinen Rat geben wollen. Es ist sehr einfach, etwas von außen rein zu rufen, weil man sich von seinen Gefühlen oder Emotionen leiten lässt. Lothar hat ein gutes Händchen und wird die richtige Entscheidu­ng treffen. Ob das dann weiter Tray Tuomie sein wird, das weiß ich nicht. Darüber habe ich nicht mit ihm gesprochen.

Wie rege ist der Kontakt noch zu ihren ehemaligen Panther-Kollegen? Ullmann: Sehr rege. Eigentlich haben wir fast täglich Kontakt. Es gibt eine sehr lustige Gruppe in den sozialen Netzwerken, da tauschen wir uns regelmäßig aus.

Beruflich sind Sie seit kurzem als Spielerber­ater tätig. Wie groß war die Umstellung?

Ullmann: Seit Anfang Mai habe ich den Kabinenpla­tz gegen den Bürostuhl eingetausc­ht. Ich bin jetzt in der Agentur SMA tätig und sitze in einem Büro, das 150 Meter vom Golfplatz entfernt ist. Ich baue mir jetzt mein Netzwerk weiter aus. Wir haben kürzlich eine Kooperatio­n mit einer nordamerik­anischen Spielerver­mittlungsa­gentur geschlosse­n. Ich bin im täglichen Austausch mit Teams und Spielern und stelle mich da in meiner neuen Rolle vor. Ich habe es mir langweilig vorgestell­t, aber es macht unglaublic­h viel Spaß, weil es total abwechslun­gsreich ist.

Wie kommt man als Neuling in dieses Geschäft rein?

Ullmann: Ich will mich natürlich in dem Markt etablieren. Bei SMA baue ich den Bereich Eishockey ganz neu auf. Bisher war die Agentur nur im Golf tätig. Jetzt liegt es an mir, talentiert­e junge Spieler ausfindig zu machen. Sie auf mich aufmerksam zu machen. Gespräche zu suchen. Informatio­nen bei den Trainern einzuholen. Dann, ganz, ganz wichtig, die Eltern kennenzule­rnen und ein Vertrauens­verhältnis aufzubauen. Ich laufe jetzt aber nicht durch die Republik und schmeiße mit Verträgen um mich. Ich will den Spielern und Familien gerecht werden und auf ihrem Karrierewe­g begleiten. Oft fehlt den jungen Spielern die Erfahrung, den Eltern fehlt oft das Know-how – und da kommen wir als Agentur ins Spiel um helfend zur Seite zu stehen.

In der DEL sollen die Spieler zustimmen, auf bis zu 25 Prozent ihres Gehalts zu verzichten. Wie beurteilen Sie diese Entscheidu­ng der Gesellscha­fter? Ullmann: Schwierig, sehr schwierig. Man nimmt immer die NHL als Beispiel. Da gibt es eine Spielergew­erkschaft, die mit der Liga verhandelt, um für alle eine richtige Lösung zu finden. In Deutschlan­d ist es so, dass die Jungs Verträge über acht, neun oder zwölf Monate haben. Jeder Vertrag sieht anders aus. Da eine einheitlic­he Lösung zu finden ist definitiv nicht einfach. Die Überschrif­t muss sein, dass alle versuchen, die

DEL zu retten. Denn wenn du ein altes Ost-Konzept hast, in dem es nur noch drei oder vier Vereine gibt, hat ja auch keiner Spaß. In anderen Ländern in Europa läuft das anders ab. Da sind wir mit der DEL schon auf einer guten Verhandlun­gsebene.

Eine Spielergew­erkschaft würden Sie aber begrüßen?

Ullmann: Wenn man sich die Anzahl der Klubs und Spieler anschaut, den hochprofes­sionellen Sport, den wir treiben – da ist eine Gewerkscha­ft nie etwas verkehrtes. Wenn du eine starke Stimme hast, die die Spieler vertritt und auch gehört wird, ist das definitiv vernünftig.

Der Vorwurf vieler Spieler bezieht sich auch nicht unbedingt auf den Gehaltsver­zicht, sondern auf die Art und Weise, wie das Projekt von der DEL übers Knie gebrochen wurde. Ullmann: Das ist richtig. Nehmen Sie einen älteren Spieler am Ende der Karriere, der noch ein Jahr Vertrag hat. Familie zuhause, das Haus muss abbezahlt werden. Daneben ein junger Spieler, der noch 15 Jahre in der DEL spielen möchte. Der Junge verzichtet natürlich, auch wenn es ihm wehtut. Der Alte sitzt daneben und sagt, er kann gar nicht verzichten, weil er nur noch ein Jahr hat und alles abbezahlen muss. Alle glücklich zu machen, ist verdammt schwierig. Und da als Liga zu sagen, das ist unser Vorschlag, das ziehen wir jetzt durch, ohne die Spieler zu fragen – ich weiß nicht. Da sollte man schon alle Parteien fragen und zu Wort kommen lassen.

Machen Sie sich Sorgen um DEL und ihre 14 Klubs?

Ullmann: Ich bin zuversicht­lich, weil da vernünftig­e Leute sitzen. Wenn sich jetzt wirklich eine Gewerkscha­ft gründen sollte, dann sind mit Moritz Müller und Patrick Reimer zwei Jungs dabei, die über den Tellerrand hinaus schauen.

Glauben Sie an einen regulären Saisonstar­t der DEL im September? Ullmann: Wenn ich sehr optimistis­ch bin, sehe ich September als machbar. Ende des Jahres scheint mir aber realistisc­her.

Christoph Ullmann, 37, beendete 2020 seine Karriere als EishockeyP­rofi. Der gebürtige Altöttinge­r spielte seit 2002 im Wechsel für die Kölner Haie und die Adler Mannheim. Seit 2018 spielte er für die Augsburger Panther. Zu seinen Erfolgen gehören zehn WM-Teilnahmen und drei deutsche Meistertit­el.

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Foto: Siegfried Kerpf Den Eishockeys­chläger hat Ex-Panther-Profi Christoph Ullmann in die Ecke gestellt und arbeitet nun hinter den Kulissen als Spielerber­ater und Talentsuch­er für eine Sportagent­ur.

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