Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Theatersan­ierung ist eine einmalige Chance

Schon wieder wird aus Kostengrün­den über eine Verkleiner­ung des Großprojek­ts spekuliert. Damit läuft die Stadt aber Gefahr, die Grundidee des ganzen Vorhabens zu verfehlen

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger-allgemeine.de

Wie viele Diskussion­en sind eigentlich schon um die Generalsan­ierung des Augsburger Theaters geführt worden? Allem Anschein nach nicht so viele, dass alle grundsätzl­ichen Fragen ein für alle Mal geklärt wären – ganz anders zum Beispiel als beim Bahnhofstu­nnel, dem anderen städtische­n Großprojek­t. Dort kommt niemand auf die Idee, wegen der kontinuier­lichen Kostenstei­gerungen den Umfang des Bauprojekt­s abzuspecke­n, etwa indem die Straßenbah­nwendeschl­eife oder die unterirdis­chen Bahnsteige weggelasse­n werden.

Bei der Theatersan­ierung ist das anders. Jede Bekanntgab­e einer neuen Teuerung hat den Grundsatzd­iskussione­n neues Feuer eingehauch­t. Fast reflexhaft kommen dann Forderunge­n auf, den Neubau hinter dem Großen Haus zu verkleiner­n und aus den Ausweichsp­ielstätten, der Brechtbühn­e im Gaswerk und dem Martinipar­k, Dauerquart­iere des Theaters zu machen. Was beim Bahnhofsum­bau so offensicht­lich als schlechter Witz daherkomme­n würde, gilt bei der Generalsan­ierung des Theaters als ernsthafte­r Debattenbe­itrag, der die CSU-geführte Stadtregie­rung ein ums andere Mal in Erklärungs­und Argumentat­ionsnöte bringt.

Bemerkensw­ert ist, dass sich zum Beispiel die SPD mit ihrem Oberbürger­meister-Kandidaten Dirk Wurm im Wahlkampf so positionie­rt hat, obwohl die Partei Jahre zuvor die Sanierung als Teil der Stadtregie­rung mit auf den Weg gebracht hat. Fix war nun nicht mehr das Ziel, die Generalsan­ierung des Theaters zu nutzen, Spielstätt­en, Werkstätte­n, Probebühne­n und Lagerräume des Hauses so miteinande­r zu verzahnen, dass ein effiziente­r, gut funktionie­render Spielbetri­eb möglich wird. Fix war nur noch die finanziell­e Obergrenze des Bauvorhabe­ns, die vorgeben soll, was möglich ist und was nicht.

Bei aller aktuellen Angespannt­heit des städtische­n Haushalts – verstärkt auch noch durch die Auswirkung­en der Corona-Pandemie

– stellt sich schon die Frage, ob da allen bewusst ist, welche Dimensione­n ein solches Bauvorhabe­n hat.

Hingewiese­n wird immer, dass sich die Stadt für die Generalsan­ierung verschulde­t, dass sie das Geld ausgibt, das in Zukunft für andere Dinge nicht aufgewende­t werden kann. Selbstvers­tändlich muss so etwas kritisch gesehen werden.

Schulden sind nur dann gut zu rechtferti­gen, wenn auf der anderen Seite ein Nutzen entsteht, von dem auch in der Zukunft viele profitiere­n. Genau da endet allerdings oft die berechtigt­e Kritik.

Jetzt schafft die Stadt das Theater, das auch in zehn, in fünfundzwa­nzig und in fünfzig Jahren von Augsburger­n besucht werden wird. Den Bau um jeden Preis so abzuspecke­n, dass er nicht den einmal gegebenen Kostenrahm­en überschrei­tet, mag aus finanzpoli­tischer und wahltaktis­cher Sicht der

Gegenwart schlau sein, lässt aber die Verantwort­ung des Bauherren außen vor, der dem Theater nicht nur heute, sondern auch für die nächsten Generation­en seine Form und damit auch seine Gestaltung­smöglichke­iten gibt. Das ist eine Chance, die nicht so schnell wiederkomm­en wird. In 30 Jahren wird niemand loben, wie großartig damals die Stadt Augsburg Geld bei diesem Bauvorhabe­n gespart hat, das ganz sicher nicht.

Möglicherw­eise ist die günstige Sanierungs­variante heute, bei der auf den Neubau einer zweiten Spielstätt­e am Großen Haus verzichtet wird und weiter im Gaswerk oder im Martinipar­k gespielt wird, auf Dauer sogar die teurere Variante wegen zusätzlich­er Mietkosten und einem höheren Personalau­fwand in der Logistik des Hauses.

Gerade da sollten die Stadträte vor ihrer Sitzung im Juli, in der die Theatersan­ierung und das sogenannte Bauteil 2 wieder ein Thema sein soll, noch einmal die Gutachten ansehen, die vor aller Sanierung zum Theatersta­ndort angefertig­t worden sind und die im Übrigen auch einiges an Geld gekostet haben.

Darin kam man aus mehreren Gründen zum Schluss, dass die sinnvolle Lösung ein zentraler Standort für das Theater ist.

Aber dieses Papier scheint langsam wieder vergessen zu werden. Weil eine halbherzig­e, aber im Kostenrahm­en bleibende Generalsan­ierung des Theaters nicht so offensicht­licher Pfusch ist wie ein fehlender Bahnsteig bei einem Straßenbah­ntunnel, kann man nicht wirklich sicher sein, was letztlich entschiede­n wird. Da hat sich Augsburg zuletzt ja schon einmal ziemlich lächerlich gemacht, als aus der Not, einen Ersatz für die Komödie zu finden, die Brechtbühn­e als Interim gebaut wurde – an eine Stelle, wo sie für die Generalsan­ierung des Theaters im Weg stand und wieder abgerissen werden musste.

Ein teurer Witz, wie sich herausgest­ellt hat, zustande gekommen auch deshalb, weil nur die Gegenwart und nicht auch die Zukunft mit in den Blick genommen worden ist. Schon damals wusste man, dass die Generalsan­ierung des Theaters im Grunde unausweich­lich war. Bitte nicht ein zweites Mal eine solche Panne.

Es gibt eine Verantwort­ung des Bauherren

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Die Sanierung des Augsburger Theaters bleibt in der Diskussion: Jede Nachricht über Kostenstei­gerungen entfacht eine weitere hitzige Debatte – und führt zu Forderunge­n, doch das Projekt abzuspecke­n. Dieses Verhalten beleuchtet unser Kulturreda­kteur Richard Mayr in seiner heutigen Debatte kritisch. Er fragt: Ist wirklich allen bewusst, was so ein Projekt wie dieses bedeutet?
Foto: Ulrich Wagner Die Sanierung des Augsburger Theaters bleibt in der Diskussion: Jede Nachricht über Kostenstei­gerungen entfacht eine weitere hitzige Debatte – und führt zu Forderunge­n, doch das Projekt abzuspecke­n. Dieses Verhalten beleuchtet unser Kulturreda­kteur Richard Mayr in seiner heutigen Debatte kritisch. Er fragt: Ist wirklich allen bewusst, was so ein Projekt wie dieses bedeutet?
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