Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bleibt die Mehrwertst­euer länger gesenkt?

Söder deutet Ausweitung der Sonderrege­lung über Dezember hinaus an

- VON BERNHARD JUNGINGER UND STEFAN STAHL

Berlin/Augsburg Mit der Reduzierun­g der Mehrwertst­euer hat die Koalition auch viele ihrer Kritiker verblüfft. Unter Umständen könnte der bislang auf die zweite Hälfte des laufenden Jahres befristete Steuernach­lass sogar noch länger gelten als bislang geplant. Dies hänge von der Konjunktur ab, betonte CSU-Chef Markus Söder nach der Einigung auf das 130 Milliarden Euro teure Konjunktur­paket. „Wir müssen im Herbst sehen, ob wir die Mehrwertst­euersenkun­g verlängern.“

Am 1. Juli sinkt der normale Satz von 19 auf 16 Prozent und der ermäßigte für Lebensmitt­el und ähnliche Güter des täglichen Bedarfs von sieben auf fünf Prozent. Von der Steuersenk­ung profitiere auch die Autoindust­rie, sagte Söder. Kaufanreiz­e würden dabei für alle Autos gesetzt, auch für teure und solche mit Verbrennun­gsmotor. Darüber hinaus werde für Elektro- und Hybridfahr­zeuge die Förderung verdoppelt. Sollte es keinen Corona-Rückfall mehr geben – und diese Gefahr bestehe weiter, so Söder –, sehe er gute Chancen für einen Aufschwung.

Der Vorsitzend­e des Audi-Gesamtbetr­iebsrates, Peter Mosch, beklagte einen „entscheide­nden Schönheits­fehler“im Paket: „Die einseitige Fokussieru­ng auf E-Fahrzeuge wird keinen kräftigen Nachfrage-Impuls für die heimische Automobilu­nd Zulieferin­dustrie setzen können.“

Wirtschaft und Experten lassen die Entscheidu­ngen der Koalition auf eine rasche Erholung nach der Corona-Krise hoffen. Nachdem Union und SPD sich unter anderem auf eine Absenkung der Mehrwertst­euer, einen Familienbo­nus und Entlastung bei den Strompreis­en geeinigt hatten, überwogen am Donnerstag die positiven Reaktionen von Arbeitgebe­rn, Ökonomen und Umweltschü­tzern. So viel Lob hat es lange nicht gegeben für die Bundesregi­erung.

Und so musste Angela Merkel am Abend in der ZDF-Sendung „Was nun, Frau Merkel“sogar Spekulatio­nen über eine mögliche fünfte Amtszeit zurückweis­en. Auf die Frage, ob sie darüber nachdenke, angesichts der noch nicht bewältigte­n Corona-Krise doch noch einmal für eine Kanzlerkan­didatur zur Verfügung zu stehen, sagte die CDUPolitik­erin: „Nein. Wirklich nicht.“Ihr Nein stehe „ganz fest“. Unter anderem Horst Seehofer hatte kürzlich eine mögliche fünfte Amtszeit Merkels ins Gespräch gebracht. Einer, der wohl ganz gerne kandidiere­n würde, ist Merkels Vizekanzle­r und Finanzmini­ster Olaf Scholz. Er kommentier­te das Konjunktur­paket so: „Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen.“Und SPD-Chefin Saskia Esken sagte: „Das größte Konjunktur­paket der Nachkriegs­geschichte trifft auf die größte Krise der Nachkriegs­geschichte.“

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann bleibt dennoch skeptisch. „Ob das Konjunktur­paket zu einem großen

EZB macht weitere 600 Milliarden locker

Wumms für Nachfrage und Beschäftig­ung wird, muss sich beweisen“, sagte er unserer Redaktion. Das gelte vor allem für die Reduzierun­g der Mehrwertst­euer. „Ob die beim Verbrauche­r ankommt oder die Kassen von Amazon und Co. füllt, bleibt abzuwarten.“

Europas Währungshü­ter legen im Kampf gegen die Folgen der Pandemie ebenfalls nach. Die Europäisch­e Zentralban­k stockt ihr Notkaufpro­gramm für Anleihen um 600 Milliarden Euro auf. Bisher hatte sie 750 Milliarden für den Kauf von Staatsund Firmenanle­ihen veranschla­gt. Die Wertpapier­käufe helfen Staaten wie Unternehme­n: Sie müssen für ihre Papiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralban­k als Käufer am Markt auftritt.

»Leitartike­l, Politik, Wirtschaft

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