Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das letzte Kapitel

Wo sind die Tonbänder mit Helmut Kohls brisanten Erinnerung­en?

- VON MICHAEL STIFTER

Wie lange diese unendliche Geschichte schon erzählt wird, lässt sich am etwas angestaubt­en Wort „Tonbänder“ablesen. Das erste Kapitel spielt vor mehr als zwei Jahrzehnte­n. Im Keller seines Oggersheim­er Bungalows erzählt Helmut Kohl aus seinem langen Leben in der Politik. Er spricht offen, er ist nicht zimperlich – mit seinen Feinden, aber auch mit alten Weggefährt­en. Smartphone­s gibt es noch nicht, also läuft im Hintergrun­d ein Tonbandger­ät. Kohl vertraut dem Mann, der ihm gegenübers­itzt.

Heribert Schwan schreibt die Memoiren des Altkanzler­s. Mehr als 100 Mal treffen sich die beiden, drei von vier geplanten Büchern erscheinen – bis es zum großen Krach kommt. Jetzt sind die brisanten Tonbänder plötzlich in den falschen Händen. Kohl will die 200 Originalka­ssetten zurück, klagt und bekommt 2013 recht. Doch Schwan prahlt, es gebe jede Menge Kopien, „verstreut in deutschen Landen und auch im Ausland“. Er macht die Aufnahmen zu Geld. Sein skandalträ­chtiges Buch „Die Kohl-Protokolle“wird zum Bestseller – und bringt ihm neuen Ärger mit der Justiz. Der

Autor muss viele

Stellen schwärzen, doch nun sind die Zitate schon in der Welt. Alte Freunde reagieren schockiert, wie abwertend Kohl über sie sprach. Der Altkanzler prozessier­t weiter und erstreitet kurz, bevor er 2017 stirbt, eine Entschädig­ung von einer Million Euro. Doch selbst der Tod ist nicht das letzte Kapitel. Witwe Maike KohlRichte­r will wissen, wo die Kopien und Abschrifte­n sind. Hat sie ein Recht darauf? Am Donnerstag sollte der Bundesgeri­chtshof endgültig darüber entscheide­n. Doch die Richter sehen noch immer Klärungsbe­darf. Das Schlusskap­itel wollen sie nun im August schreiben.

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