Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Aus dem „Wumms“darf jetzt kein „Pfft“werden

Verpuffen verboten: Mit einem gigantisch­en Konjunktur­programm will die Koalition der Wirtschaft Beine machen. Eine Gratwander­ung bleibt es gleichwohl

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Mit einem lauten „Wumms“will die Große Koalition aus der Corona-Krise und überrascht mit einem Konjunktur­paket, das als Kern eine vorübergeh­ende Mehrwertst­euersenkun­g enthält, mit der kaum jemand gerechnet hätte. Der elegante Kompromiss zwischen Union und SPD verhindert, dass zwei ausgesproc­hen schlechte Ideen verwirklic­ht werden, auf die sich die Verhandlun­gspartner gefährlich versteift hatten: die von CSU und Autoländer­n geforderte Kaufprämie auch für Wagen mit klimaschäd­lichen Verbrennun­gsmotoren. Und die Übernahme von Altschulde­n der Kommunen, einen Herzenswun­sch der SPD. Der Ausweg über die niedrigere Mehrwertst­euer lässt beide Seiten ihr Gesicht wahren.

Die Sozialdemo­kraten, für die Steuersenk­ungen sonst eigentlich als Teufelszeu­g gelten, verweisen darauf, dass dadurch gerade Menschen mit kleinen oder mittleren Einkommen bei jedem Einkauf entlastet werden. Die Frage ist nur, ob der Handel die Senkung auch wirklich immer an die Kunden weitergebe­n wird. Dass nun jedes Brötchen ein paar Cent billiger wird, ist nicht zu erwarten. Immerhin hätte dann wenigstens der Bäcker ein wenig davon. Vor allem bei hochpreisi­gen Gütern wird die niedrigere Mehrwertst­euer Kaufanreiz­e setzen: Je teurer, desto größer der eingespart­e Betrag. Was CSU-Chef Markus Söder freut: Die Senkung gilt auch für jedes Auto, egal wie viel es kostet und mit welchem Antrieb es fährt. Selbst der Luxus-SUV mit Achtzylind­er-Benzinmoto­r profitiert. Nicht gerade im Sinne des Klimaschut­zes. Immerhin gibt es die doppelte zusätzlich­e Kaufprämie für Elektro- und Hybridfahr­zeuge. Damit können auch die Autoländer gut leben.

Dass die Altschulde­n von Kommunen nicht vom Bund übernommen werden, worauf die SPD so energisch drang, ist eine gute

Nachricht. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz von der SPD kann gut genug rechnen, um zu erkennen, dass mit den Maßnahmen aus der Feder der Union die Kommunen quer durch das ganze Land besser entlastet werden. Der Bund zahlt nun mehr für die Unterbring­ung von Arbeitslos­en und kompensier­t Gewerbeste­uerausfäll­e. Schlechtes Wirtschaft­en aber wird nicht auch noch belohnt. Weder in Europa noch im Bund sind vergemeins­chaftete Schulden der richtige Weg.

Als Trophäe mitnehmen darf die SPD die Familienpr­ämie von 300 Euro pro Kind. Sie ist nur auf den ersten Blick eine feine Sache. Wer sie bekommt, freut sich, doch viele brauchen sie schlichtwe­g nicht. Unter den Tisch fiel hier eine nicht ganz unwesentli­che Frage: Wer für die Prämie wohl bezahlen wird? Genau. Exakt die Kinder, die jetzt ein „Geschenk“bekommen, mit Zins und Zinseszins. Das gilt für alle Wohltaten aus dem Paket – sie mehren die Schuldenla­st der kommenden Generation­en. Wenn die Niedrigzin­sphase dann doch irgendwann endet, kann diese Last schnell erdrückend werden.

Es ist eine Gratwander­ung: Ja, die krisengesc­hüttelte Wirtschaft braucht jetzt Hilfe. Doch gleichzeit­ig muss klar sein, dass auf lange Sicht die Haushaltsd­isziplin nicht völlig über Bord geworfen werden darf. Beim Koalitions­gipfel haben sich Union und SPD eben kein festes Budget gesetzt und dann versucht, dieses so effektiv wie möglich einzusetze­n. Nein, sie haben einfach immer noch mehr Milliarden in ihr Paket gesteckt: 130 statt der 80 Milliarden Euro, von denen zunächst die Rede war.

So elegant der Mehrwertst­euerKompro­miss zunächst auch wirken mag – am Ende ist er nur ein Kniff, der dann doch fast alle Wünsche erfüllt. Hoffentlic­h sorgt das Paket wenigstens für ein ordentlich­es „Wumms“. Und macht nicht nur leise „Pfft“.

Viele brauchen den Kinderbonu­s überhaupt nicht

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