Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Aus dem „Wumms“darf jetzt kein „Pfft“werden
Verpuffen verboten: Mit einem gigantischen Konjunkturprogramm will die Koalition der Wirtschaft Beine machen. Eine Gratwanderung bleibt es gleichwohl
Mit einem lauten „Wumms“will die Große Koalition aus der Corona-Krise und überrascht mit einem Konjunkturpaket, das als Kern eine vorübergehende Mehrwertsteuersenkung enthält, mit der kaum jemand gerechnet hätte. Der elegante Kompromiss zwischen Union und SPD verhindert, dass zwei ausgesprochen schlechte Ideen verwirklicht werden, auf die sich die Verhandlungspartner gefährlich versteift hatten: die von CSU und Autoländern geforderte Kaufprämie auch für Wagen mit klimaschädlichen Verbrennungsmotoren. Und die Übernahme von Altschulden der Kommunen, einen Herzenswunsch der SPD. Der Ausweg über die niedrigere Mehrwertsteuer lässt beide Seiten ihr Gesicht wahren.
Die Sozialdemokraten, für die Steuersenkungen sonst eigentlich als Teufelszeug gelten, verweisen darauf, dass dadurch gerade Menschen mit kleinen oder mittleren Einkommen bei jedem Einkauf entlastet werden. Die Frage ist nur, ob der Handel die Senkung auch wirklich immer an die Kunden weitergeben wird. Dass nun jedes Brötchen ein paar Cent billiger wird, ist nicht zu erwarten. Immerhin hätte dann wenigstens der Bäcker ein wenig davon. Vor allem bei hochpreisigen Gütern wird die niedrigere Mehrwertsteuer Kaufanreize setzen: Je teurer, desto größer der eingesparte Betrag. Was CSU-Chef Markus Söder freut: Die Senkung gilt auch für jedes Auto, egal wie viel es kostet und mit welchem Antrieb es fährt. Selbst der Luxus-SUV mit Achtzylinder-Benzinmotor profitiert. Nicht gerade im Sinne des Klimaschutzes. Immerhin gibt es die doppelte zusätzliche Kaufprämie für Elektro- und Hybridfahrzeuge. Damit können auch die Autoländer gut leben.
Dass die Altschulden von Kommunen nicht vom Bund übernommen werden, worauf die SPD so energisch drang, ist eine gute
Nachricht. Bundesfinanzminister Olaf Scholz von der SPD kann gut genug rechnen, um zu erkennen, dass mit den Maßnahmen aus der Feder der Union die Kommunen quer durch das ganze Land besser entlastet werden. Der Bund zahlt nun mehr für die Unterbringung von Arbeitslosen und kompensiert Gewerbesteuerausfälle. Schlechtes Wirtschaften aber wird nicht auch noch belohnt. Weder in Europa noch im Bund sind vergemeinschaftete Schulden der richtige Weg.
Als Trophäe mitnehmen darf die SPD die Familienprämie von 300 Euro pro Kind. Sie ist nur auf den ersten Blick eine feine Sache. Wer sie bekommt, freut sich, doch viele brauchen sie schlichtweg nicht. Unter den Tisch fiel hier eine nicht ganz unwesentliche Frage: Wer für die Prämie wohl bezahlen wird? Genau. Exakt die Kinder, die jetzt ein „Geschenk“bekommen, mit Zins und Zinseszins. Das gilt für alle Wohltaten aus dem Paket – sie mehren die Schuldenlast der kommenden Generationen. Wenn die Niedrigzinsphase dann doch irgendwann endet, kann diese Last schnell erdrückend werden.
Es ist eine Gratwanderung: Ja, die krisengeschüttelte Wirtschaft braucht jetzt Hilfe. Doch gleichzeitig muss klar sein, dass auf lange Sicht die Haushaltsdisziplin nicht völlig über Bord geworfen werden darf. Beim Koalitionsgipfel haben sich Union und SPD eben kein festes Budget gesetzt und dann versucht, dieses so effektiv wie möglich einzusetzen. Nein, sie haben einfach immer noch mehr Milliarden in ihr Paket gesteckt: 130 statt der 80 Milliarden Euro, von denen zunächst die Rede war.
So elegant der MehrwertsteuerKompromiss zunächst auch wirken mag – am Ende ist er nur ein Kniff, der dann doch fast alle Wünsche erfüllt. Hoffentlich sorgt das Paket wenigstens für ein ordentliches „Wumms“. Und macht nicht nur leise „Pfft“.
Viele brauchen den Kinderbonus überhaupt nicht