Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Gymnasiast lässt die Profis alt aussehen

Florian Wirtz spielt seit dem Liga-Restart in Leverkusen eine wichtige Rolle, mit gerade einmal 17 Jahren. Der Wechsel aus Köln aber lief nicht geräuschlo­s ab

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Als Leverkusen­s Julian Baumgartli­nger im Spiel gegen Wolfsburg kurz vor Schluss zum 1:4 abstaubte, war das nicht mehr als Ergebnisko­smetik. Und doch dürfte das Tor die Stimmung der Bayer-Verantwort­lichen etwas aufgehellt haben. Denn die Situation hatte Neuzugang Florian Wirtz mit einer scharfen Hereingabe eingeleite­t – und zuvor seinen Gegenspiel­er Maximilian Arnold im direkten Duell ganz alt aussehen lassen.

Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Arnold, 26 Jahre, hat bereits mehr als 200 Bundesliga­spiele auf dem Konto, Wirtz feierte Anfang Mai seinen 17. Geburtstag. Gegen Wolfsburg lief er zum zweiten Mal in Deutschlan­ds höchster Spielklass­e auf. Sein Debüt gab er beim Liga-Restart gegen Werder und wurde zum drittjüngs­ten Spieler der Bundesliga­geschichte. Wirtz beackerte in Bremen von Beginn die rechte Außenbahn – gestandene Profis wie Karim Bellarabi oder Leon Bailey mussten zunächst auf der Bank Platz nehmen.

Dass Wirtz derart schnell eine wichtige Rolle in der talentiert­en Werkself spielt, überrascht zwar. Allerdings gilt der gebürtige Nordrhein-Westfale als eines der größten Talente im deutschen Fußball. Schon jetzt wird er mit seinem 20-jährigen Teamkolleg­en Kai Havertz verglichen, um den sämtliche europäisch­e Topklubs buhlen. „Florian kann alles, hat enormen Spielwitz, starke Technik, unglaublic­he Spielintel­ligenz, ist schnell mit dem Ball, kann dribbeln - und alles mit Feuer“, sagt Jörg Jakobs, ehemaliger Sportdirek­tor und Nachwuchsl­eiter des 1.

FC Köln im kicker. Sein

Gespür für besondere Momente stellte Wirtz bei den Geißböcken in der B-Jugend-Bundesliga unter Beweis, als er einmal nach dem Anstoß den gegnerisch­en Torhüter aus 55 Metern überrumpel­te – nach nur fünf gespielten Sekunden.

Im Winter folgte schließlic­h der Wechsel ins knapp 20 Kilometer entfernte Leverkusen – nicht ohne Nebengeräu­sche. Denn eigentlich besteht zwischen den beiden Vereinen ein Abkommen, sich nicht im Nachwuchsb­ereich des anderen zu bedienen. Die Werkself bot dem 17-jährigen Offensivsp­ieler einen Profivertr­ag an und verletzte so nach eigener Auffassung die Vereinbaru­ng nicht. „Es wäre fahrlässig gewesen, Florian nicht zu holen“, sagt Bayers Sportchef Rudi Völler. Er selbst,

Sportdirek­tor Simon Rolfes und Trainer Peter Bosz warben persönlich um das Toptalent. „Das Paket hat bei Bayer Leverkusen am besten gepasst. Das lag auch an den handelnden Personen“, sagt Vater Hans-Joachim Wirtz. Allerdings habe nicht allein die sportliche Perspektiv­e den Ausschlag gegeben: Wirtz soll vor dem Abitur nicht aus seinem gewohnten Umfeld gerissen werden, außerdem kickt seine Schwester Juliane für Bayers Damenmanns­chaft. „Das Leverkusen­er Stadion ist von unserem Haus 25 Kilometer entfernt“, sagt der Vater.

Mehrere Topklubs – darunter internatio­nale – zogen daher den Kürzeren. Auch der FC Bayern, der Wirtz ebenfalls gerne verpflicht­et hätte. Der 17-Jährige hätte wohl nichts dagegen, sich auch morgen gegen den Rekordmeis­ter zeigen zu dürfen. Dominik Stenzel

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Foto: Imago

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