Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Er wollte nie verlieren“

Til Schweiger hat eine Dokumentat­ion über Ex-Fußballsta­r Bastian Schweinste­iger produziert. Bei einer Szene heulen sie beide hemmungslo­s – wieder und wieder

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Herr Schweiger, Ihre Dokumentat­ion ist nicht nur ein Film über Bastian Schweinste­iger, sondern auch über die goldene Fußballer-Generation, der er angehört. Warum haben Sie ihn dafür ausgesucht und nicht – zum Beispiel – Philipp Lahm?

Til Schweiger: Ich habe ihn ja nicht ausgesucht, die haben mich ausgesucht, kontaktier­t und gefragt, ob wir uns vorstellen können, einen Film über Bastian zu machen. Aber auch wenn ich mir den Protagonis­ten ausgesucht hätte – es wäre Bastian geworden. Er ist nicht nur ein überragend­er Fußballer, sondern auch eine wahnsinnig interessan­te Persönlich­keit.

Was ist das, was Sie anspricht? Schweiger: Sein Humor und seine Augen. Ich entscheide innerhalb von Sekunden, ob ich jemanden mag oder nicht – und bei Bastian war das sofort so. Er hat Humor, Empathie und mir gefällt, dass er jedem Menschen auf Augenhöhe begegnet. Der Typ Radfahrer – nach oben buckeln und nach unten treten – ist Bastian überhaupt nicht.

Der Film ist streckenwe­ise sehr emotional – vor allem zum Schluss, als Schweinste­iger in der Kabine von Chicago Fire seinen Rücktritt vom Profifußba­ll erklärt und dabei selbst Rotz und Wasser heult.

Schweiger: Ich werde bei einigen Szenen auch immer noch emotional – vor allem bei dieser letzten. Bastian war sich am Anfang nicht sicher, ob er das im Film drin haben wollte. Aber ich habe gesagt: Basti, das ist der Höhepunkt des Films. Das muss drinbleibe­n. Zum Glück hat er seine Meinung dann geändert.

Sie sind privat mit Schweinste­iger befreundet. Haben Sie durch die Arbeit an dem gemeinsame­n Film noch mal etwas Neues an ihm kennengele­rnt? Schweiger: Was ich tatsächlic­h überhaupt nicht wusste, ist, dass er ein so überragend­er Skifahrer war, dass er sogar gegen Felix Neureuther, seinen besten Freund, gewonnen hat. Dass er mal besser war als der beste Skifahrer, den Deutschlan­d je hatte, war mir neu.

Schweinste­iger gilt als jemand, der sein Privatlebe­n sehr schützt. Haben Sie das Gefühl, ihm mit dem Film trotzdem nahe genug gekommen zu sein? Schweiger: Ja. Dass jemand seine kleinen Kinder nicht vor der Kamera sehen will, ist doch verständli­ch. Ich bin aber zum Beispiel unheimlich dankbar dafür, dass Bastian und

Ana (Ivanovic, Anmerkung d. Redaktion) uns die ganz privaten Aufnahmen von ihrer Hochzeit zur Verfügung gestellt haben. Und dass sein Vater Fred das Leben von Basti so dokumentie­rt hat, als jemand, der einfach nie verlieren wollte, das ist natürlich Gold wert. Diese Szene, in der der kleine Basti wutentbran­nt Dosen zusammentr­itt, ist doch herrlich. Ich hätte auch gerne noch die Mutter zu Wort kommen lassen, aber die wollte einfach nicht vor die Kamera und das muss man dann akzeptiere­n.

Haben Sie denn ansonsten alle Wegbegleit­er bekommen, die Sie wollten? Schweiger: Es wurden auch Leute angefragt, die dann nicht mitmachen wollten. Aber die meisten haben gleich zugesagt.

Sie selbst sagen in der Doku, Sie seien am Morgen nach dem verlorenen WM-Halbfinale gegen Italien 2006 aufgewacht und gleich wieder in Tränen ausgebroch­en. Warum ist Fußball für viele so eine emotionale Sache? Schweiger: Das weiß ich auch nicht, aber es ist sicher so. Man sucht sich ja als Kind schon seinen Lieblingsv­erein aus und das war bei mir von Anfang an der FC Bayern – obwohl ich durchaus auch Sympathien für andere Mannschaft­en haben kann. Ich feuere selbst Dortmund an – wenn sie internatio­nal spielen. Und was die in Leipzig machen, finde ich unglaublic­h toll.

Wie weit haben Sie es selbst als Fußballer geschafft?

Schweiger: Bezirkslig­a.

Auf welcher Position?

Schweiger: Ich bin von einem Linksaußen im Mittelfeld auf die Position des linken Verteidige­rs gewechselt.

Haben Sie jetzt Blut geleckt und könnten sich vorstellen, noch weitere Dokumentat­ionen zu drehen?

Schweiger: Auf jeden Fall. Früher habe ich nie Dokus geschaut, aber inzwischen finde ich die toll. Das ist ein eigenes Genre, das kann man nicht vergleiche­n mit fiktionale­m Erzählen. Vielleicht versuche ich mich auch selbst als Regisseur daran. Dieses Mal war ich ja nur Produzent und wollte, dass ein gestandene­r Dokumentar­filmer sich der Sache annimmt. Aber Tierdokus oder so etwas interessie­ren mich nicht. Menschen sind schon das Interessan­teste.

Haben Sie schon konkrete Pläne? Schweiger: Für Dokumentat­ionen nicht, aber eigentlich wollten wir im April einen Kinofilm drehen und im Juli noch einen. Corona hat jetzt erst mal alles verschoben auf unbestimmt­e Zeit. Die Situation für die Filmbranch­e ist desaströs, das kann man nicht anders sagen. Ich erwarte schon, dass viele Kinos das nicht überleben. Man kann nur hoffen, dass es keine zweite Welle gibt. Wenn es noch mal zu einem Lockdown kommen sollte – das verkraftet nicht nur die Filmbranch­e nicht, das verkraftet überhaupt keiner.

Wie haben Sie persönlich den Lockdown erlebt? Konnten Sie daran für sich auch etwas Positives entdecken? Stichwort Entschleun­igung? Schweiger: Wer mich kennt, weiß, dass das für mich sehr beengend war. Sachen erschaffen und Menschen kennenlern­en, die mich inspiriere­n, ist wichtig für mich. Ich habe das alles also in keinster Weise als erholsam empfinden können. Dass in Venedig das Wasser klar ist und dort wieder Delfine schwimmen, ist toll – aber für mich persönlich kann ich an der Corona-Situation nichts Positives erkennen.

Interview: Britta Schultejan­s, dpa

OFilm Die Dokumentat­ion „SCHW31NS7E­IGER: Memories – Von Anfang bis Legende“beleuchtet in 112 Minuten die Karriere von Bastian Schweinste­iger. Sie ist ab diesem Freitag auf dem Bezahlsend­er Amazon Prime verfügbar.

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Foto: Hase, dpa Kennen sich lange: Til Schweiger (links) und Bastian Schweinste­iger – hier bei der Münchner Premiere des Films „Wembley – Football is coming hoam“.

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