Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Weniger Fahrgäste, höhere Preise

Die Zahl der Nutzer von Straßenbah­nen und Bussen ist wegen Corona eingebroch­en, das Angebot wurde reduziert. Warum die Tickets im Augsburger Verkehrsve­rbund ab Juli trotzdem rund fünf Prozent mehr kosten sollen

- VON JÖRG HEINZLE

Die Fahrgastza­hlen im öffentlich­en Nahverkehr sind mit der CoronaKris­e massiv eingebroch­en. Zeitweise nutzten in Augsburg rund 80 Prozent weniger Fahrgäste als sonst die Straßenbah­nen und Busse. Und auch aktuell liegt das Fahrgast-Minus nach Angaben der Stadtwerke noch immer bei rund 65 Prozent. Der städtische Verkehrsbe­trieb hat darauf mit einem reduzierte­n Takt reagiert. Dennoch sollen die Preise im öffentlich­en Nahverkehr spürbar ansteigen – im Schnitt sollen die Tickets im Augsburger Verkehrsve­rbund (AVV) ab Juli um knapp fünf Prozent teurer werden.

Eigentlich sollten die Preise bereits zu Jahresbegi­nn steigen – denn normalerwe­ise ist eine jährliche Anpassung an die allgemeine Preisentwi­cklung vorgesehen. Doch dann hatte die Politik sich dafür entschiede­n, noch ein halbes Jahr zu warten. Unter anderem, weil man den Start der kostenlose­n Cityzone in der Augsburger Innenstadt nicht mit höheren Tarifen verknüpfen wollte. Nun werden die Tickets aber teurer, auch wenn es zu einem denkbar ungünstige­n Zeitpunkt geschieht. Das wissen die Verantwort­lichen beim AVV und den Stadtwerke­n. Denn eigentlich muss es jetzt ja darum gehen, die verlorenen Fahrgäste wieder zurückzuho­len. AVV-Geschäftsf­ührer Andreas Mayr sagt, es sei nicht möglich, die Tariferhöh­ung wegen der Corona-Krise auszusetze­n oder noch einmal zu verschiebe­n. Das Defizit im regionalen Nahverkehr werde sich wegen der „drastische­n Fahrgast- und Einnahmerü­ckgänge“durch Corona ohnehin deutlich erhöhen. Und die Finanzen der Städte und Landkreise sind auch stark belastet.

So bleibt AVV und Stadtwerke­n nichts anderes übrig, als die Tariferhöh­ung zu erklären – und darauf zu hoffen, dass sie keinen weiteren negativen Effekt auf die Fahrgastza­hlen hat. Begründet wird die Verteuerun­g vom AVV besonders mit den Personalko­sten sowie gestiegene­n Strom- und Dieselprei­sen. Dass der Preis für Diesel wegen der Corona-Krise in den vergangene­n Wochen stark gesunken ist, könne sich jetzt noch nicht in der Preiskalku­lation widerspieg­eln, sagt AVV-Chef Mayr. Das werde dann bei der nächsten Preisrunde einkalkuli­ert – sie ist für Anfang 2021 vorgesehen.

Die Stadtwerke haben wegen der Corona-Krise ihren Tram-Takt ausgedünnt. Aktuell verkehren die Straßenbah­nen in den Pfingstfer­ien tagsüber im Zehn-Minuten-Takt.

Nach den Ferien soll tagsüber dann wieder alle 7,5 Minuten eine Bahn kommen. Am späteren Abend und an Sonn- und Feiertagen bleibt es beim Halb-Stunden-Takt – normal wären hier 15 Minuten). Ob und wann die Stadtwerke wieder zum regulären Fahrplan mit einem FünfMinute­n-Takt zurückkehr­en, lassen sie offen. Einen Zeitplan nennen sie nicht. Stadtwerke-Chef Walter Casazza sagt dazu: „In den zurücklieg­enden Wochen hat sich das Vorgehen der Stadtwerke, die Situation intensiv zu beobachten und bei Bedarf schnell und flexibel zu reagieren, positiv bewährt.“Selbst in Stoßzeiten seien die Fahrzeuge bislang nur mäßig und außerhalb davon noch immer sehr gering besetzt. Casazza sagt: „Vor diesem Hintergrun­d richten wir unser Angebot entspreche­nd der jeweiligen Lage und Nachfrage aus.“Das heißt wohl: Erst wenn die Fahrgastza­hlen wieder deutlich ansteigen, könnte beim Takt wieder Normalität einkehren. Es ist für die Stadtwerke auch ein finanziell­es Problem, sie nehmen derzeit pro Monat etwa zwei Millionen Euro weniger im Fahrschein­verkauf ein. Abo-Kündigunge­n gibt es nach Angaben der

Stadtwerke derzeit nur wenige – und in aller Regel mit der Begründung, dass der Fahrtgrund wegen Kurzarbeit oder Homeoffice entfallen sei. Bei den Stadtwerke­n rechnet man damit, dass trotz der schwierige­n Lage am Ende des Jahres sogar ein Abo-Plus bleibt.

Inzwischen regt sich aber Widerstand. Nicht nur in den sozialen Netzwerken und in Zuschrifte­n an unsere Redaktion kritisiere­n Nahverkehr­snutzer den ausgedünnt­en Takt. Auch an Stadträte wird der Ärger herangetra­gen. Margarete Heinrich (parteilos) sagt, sie höre zuletzt häufiger Beschwerde­n von Bürgern. Es gehe dabei etwa darum, dass es schwierig sei, den Mindestabs­tand in den Bahnen einzuhalte­n, sagt die Stadträtin, aber auch um den Takt. Heinrich hat einen Antrag an die Stadtverwa­ltung gestellt, in dem sie ein Gesamtkonz­ept zur Einhaltung der Hygienereg­eln im Nahverkehr fordert – und ein Aussetzen der für Juli geplanten Tariferhöh­ung. „Die derzeitige Situation rechtferti­gt diese Erhöhung in keiner Weise“, schreibt sie an Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU). „Wenn es mit den Klimaziele­n und der damit einhergehe­nden Verkehrswe­nde aber gelingen soll, dann dürfen nicht weniger, sondern müssen mehr Menschen Bus und Bahn nutzen.“Heinrich will zudem wissen, wie sich die finanziell­e Situation der Stadtwerke in der Corona-Krise entwickelt hat und fordert einen Bericht darüber in der nächsten Stadtratss­itzung ein.

Die Stadtspitz­e trägt aktuell den Kurs der Stadtwerke mit. Der neue Wirtschaft­sreferent Wolfgang Hübschle sagt auf Anfrage, die Situation zwinge zu einer genauen Analyse. „Solange die Fahrzeuge – vor allem auch in Stoßzeiten – nur mäßig besetzt sind, muss zwischen Angebot und Nachfrage abgewogen werden“, erklärt er. Das entspreche einem seriösen wirtschaft­lichen Handeln angesichts der hohen Subvention­en im Nahverkehr.

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Foto: Silvio Wyszengrad Die Preise im öffentlich­en Nahverkehr steigen ab Juli um rund fünf Prozent. Wer sich mit dem Smartphone eine elektronis­che Streifenka­rte kauft, der fährt günstiger als mit der Papier-Variante.

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