Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sportwette­n bringen einen Mann fast ins Gefängnis

Ein Spielsücht­iger verkauft im Internet Tickets für Fußballspi­ele und Konzerte, die er gar nicht besitzt

- VON KLAUS UTZNI

Oli Kahn, Bayern Münchens ExKeeper, jetzt Vorstandsm­itglied des vielfachen deutschen Meisters, ist ein umtriebige­r Mensch, der sich gut vermarkten kann. Unter anderem als Markenbots­chaften eines großen Sportwette­nanbieters mit Sitz auf Malta, auch Partner der Deutschen Fußball-Liga. Im Internet kann man dort Wetten zu allen möglichen Sportarten abschließe­n, vornehmlic­h natürlich zu Fußball. Anonym und mit wenigen Klicks ist eine Wette platziert. Man kann gewinnen. Aber: Man kann auch alles verlieren. Wie ein 26-Jähriger, der sein ganzes Geld bei dem Wettanbiet­er verzockte und dann vor lauter Suchtdruck zum Betrüger wurde.

In fast 50 Fällen bot er über die Internet-Plattform Ebay Karten zu bereits ausverkauf­ten Fußballspi­elen oder zu angesagten Konzerten an. Tickets, die er nie besaß und nie lieferte. Das Geld dafür - insgesamt mindestens 13125 Euro - kassierte er freilich. Und versenkte es wieder auf dem Konto des Wettanbiet­ers. Mit viel Glück entging der Zocker jetzt bei einem Prozess vor einem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Susanne Scheiwille­r haarscharf dem Knast. Er bekam mit einer zweijährig­en Bewährungs­strafe noch einmal eine Chance, obwohl er vielfach vorbestraf­t ist.

Der Angeklagte (Verteidige­r: Helmut Linck) ist, wie er weiß, seit langem spielsücht­ig. Er hat bereits eine Therapie hinter sich, als sein Freund plötzlich stirbt. „Das hat mich völlig aus der Bahn geworfen“, erzählt er. Die Spielsucht schlägt wieder zu, er wird rückfällig. „Und dann habe ich alles verloren, meine Freunde, meine Freundin, mein Geld“. Es sei „nicht viel Unterschie­d“zwischen Drogen- und Spielsucht, schildert er sein Problem, das einher ging mit Depression­en. Mit dem Zocken habe er alle Probleme „übertünche­n“wollen. Er sei so stark unter Suchtdruck geraten, dass er nur mehr spielen habe wollen. Ein-, zweimal habe er gewonnen, dann wieder alles verloren. Obwohl er wusste, dass seine Betrugsmas­che bald entdeckt werden würde, bot er Tickets für Fußballspi­ele und Konzerte im Internet an unter seinem vollen Namen. Er verschleie­rte keine Daten, wie es sonst Betrüger tun. Die Tickets, die er sich bezahlen ließ, waren stark gefragt. Denn Spiele beispielsw­eise von Bayern München sind rasch bis auf den letzten Platz ausverkauf­t. So bot er Karten für Bayern-Dortmund (350 Euro), Bayern-Frankfurt oder für das Pokalendsp­iel im Mai 2019 in Berlin (800 Euro) an. Konzert-Fans aus der ganzen Republik orderten bei ihm Karten für Udo Lindenberg, Roland Kaiser, für Helene Fischer oder Sarah Connor. Und schauten in die Röhre.

Jetzt im Gerichtssa­al bekennt der Angeklagte, er schäme sich sehr für seine Taten: „Vor allem weil ich den Leuten die Vorfreude auf die Events genommen habe“. Inzwischen hat der 26-Jährige eine zweite stationäre Therapie hinter sich und befindet sich bei der Suchthilfe­organisati­on Kompass in Augsburg in der Nachsorge, wo er auf ein dauerhafte­s Leben ohne Glückspiel vorbereite­t wird. Staatsanwa­lt Marius Lindig merkt in seinem Plädoyer an, der Angeklagte habe während einer offenen Bewährung betrogen, sei einschlägi­g vorbestraf­t. Etliche Taten seien vorläufig eingestell­t worden, der Gesamtscha­den könne sich bis zu 25 000 Euro belaufen. Bei allem Wohlwollen für die Situation des Angeklagte­n kommt der Anklagever­treter an einer Strafforde­rung von zweieinhal­b Jahren Gefängnis wegen Betrugs nicht vorbei.

Rechtsanwa­lt Helmut Linck dagegen bittet um Bewährungs­trafe für seinen Mandanten, der jetzt auf einem guten Weg in die Zukunft sei. Richterin Susanne Scheiwille­r sagt: „Es war keine leichte Entscheidu­ng“. Das Gericht gibt dem 26-Jährigen mit der zweijährig­en Bewährungs­strafe eine zweite Chance, weil dieser im Rahmen der erneuten Therapie seine Gesamtprob­lematik erkannt hat und nun danach handelt.

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