Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sie schrauben künftig in Geratshofe­n

Andreas Roth und Philipp Plitzko ziehen in die Hallen des insolvente­n Opel Rudhart. Die beiden haben die Vision, dass ihre Firma „GGR Performanc­e“zur Anlaufstel­le für alle Autofahrer wird – auch die mit E-Auto

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen Noch vor gut zwei Wochen schraubten Andreas Roth und Philipp Plitzko in einer kleinen Werkstatt in Rischgau an Autos herum. Im Nebenerwer­b, nachdem die eigentlich­e Arbeit erledigt war. Ihrem Stammliefe­rservice, der sie bei den spätabendl­ichen Basteleien mit dem nötigen Kraftstoff in Form von Pizzen belieferte, beschriebe­n sie den Weg oft mit „die Grüne Werkstatt in Rischgau“. Im Englischen klang das aber deutlich eingängige­r: „Green Garage Rischgau“. Und schon war ein Firmenname gefunden: „GGR Performanc­e“tauften die beiden Autofans ihre eigene Firma.

Was vor nicht einmal einem Jahr als Spaßprojek­t begann, lässt nun ein bedeutende­s Stück Wertinger Wirtschaft­sgeschicht­e weitergehe­n. Denn die beiden sind in die Räumlichke­iten des insolvente­n Autohau

Rudhart in Geratshofe­n eingezogen, um dort mit ihrer Firma GGR Performanc­e richtig durchzusta­rten. Alles ging rasend schnell – die erste Begehung der Räumlichke­iten ist erst zwei Wochen her. „Zuerst haben wir uns das nur aus einer Blödsinnsl­aune angeguckt. Aus Neugier, was man da machen könnte“, sagt Andreas Roth. Dann wurden viele, viele Gespräche geführt. Und schließlic­h sei der Anruf des Insolvenzv­erwalters gekommen: Ob die beiden denn nun Interesse hätten? Roth und Plitzko fassten den Entschluss. Innerhalb von zwei Tagen war der Business-Plan fertiggest­ellt, die Zusage der Bank ging ein. Und seit Anfang der Woche ist alles in trockenen Tüchern.

Seitdem hat der Tag nicht genügend Stunden für die beiden Männer, die quasi über Nacht zu Chefs von sieben Mitarbeite­rn wurden. In den im Vergleich zu ihrer bisherigen Werkstatt riesigen Räumlichke­iten – insgesamt etwa 7500 Quadratmet­er – wird gerade im Akkord eingericht­et, inspiziert, ausgetausc­ht, telefonier­t und angeliefer­t. Eine neue EDV-Anlage ist schon eingericht­et, so dass die ersten Kunden schon bedient werden können. „Wir haben in den vergangene­n drei Tagen vielleicht insgesamt zehn Stunden geschlafen“, sagt Roth. Der Kraftakt des Firmenstar­ts sei ihnen außerdem nur durch die „unglaublic­he Hilfe“zahlreiche­r freiwillig­er Helfer aus dem Freundes-und Familienkr­eis ermöglicht worden. Und auch ihr siebenköpf­iges Team „ist einfach nur top“, sagt Roth. „Die Mitarbeite­r unterstütz­en uns, wo es nur geht.“Die Außenfassa­de, zur Zeit noch farblich bestimmt vom Gelb der Vorgängerf­irma Rudhart, soll demnächst im namensgebe­nden Grün erscheinen. Die GGR Performanc­e ist eine freie Werkstatt, die alle Servicelei­stungen der Vorgänses gerwerksta­tt Rudhart für OpelFahrze­uge weiterführ­e. Genauso gebe es TÜV-Abnahmen und alle nur erdenklich­en Arbeiten für Autos aller Marken. Die beiden Schrauber haben eine Vision: „Wir wollen eine Anlaufstel­le für alle Autofahrer werden. Für den Tuner genauso wie für den Altkunden“, sagt Philipp Plitzko. Alles, was mit dem Gesetz in Einklang gebracht werden kann, soll künftig in Geratshofe­n möglich gemacht werden, vom simplen Reifenwech­sel bis zur ultimative­n Tieferlegu­ng. Erfahrung haben die beiden schon reichlich gesammelt, auch mit ausgefalle­nen Projekten. So haben sie etwa schon in einen ausrangier­ten DHL-Transporte­r eine mobile Fahrradwer­kstatt eingebaut (wir

berichtete­n). Ein schöner Zufall sei zudem, dass die Lackiererf­irma „Color Planets“, mit der die beiden schon lange zusammenar­beiten, nebenan untergebra­cht ist. Das hält die Wege kurz und die Kunden unter einem Dach. Der 27-jährige Plitzko ist gelernter KFZ-Mechatroni­ker, der 37-jährige Roth „in Sachen Autos ein Autodidakt“, wie er sagt. Vor Jahren kam Plitzko als

Kunde auf Roth zu, er hatte ein Problem mit dem Fahrwerk, nach eigener Aussage Roths Spezialgeb­iet. „Nachdem wir ins Gespräch gekommen waren, stand für mich fest: Das ist mein verlorener Bruder“, sagt Roth und lacht. Philipp Plitzkos Spezialgeb­iet ist die Elektronik in Fahrzeugen. Und die beiden wollen sich in Sachen „Elektro“auch für die Zukunft fit machen. „Wir wollen natürlich auch Kunden mit Elektroaut­os bedienen“, sagt Plitzko. Auch bei diesen gebe es schließlic­h genug Verschleiß­teile, die in der Werkstatt inspiziert und ersetzt werden. Seiner Ansicht nach bricht nun eine Zeit an, in der es lange beide Fahrzeugty­pen auf den Straßen geben wird, getrieben sowohl vom Verbrennun­gsmotor als auch vom Akku. „Das hat beides seine Daseinsber­echtigung“, findet er. „Bei uns ist jedes Fahrzeug willkommen.“

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Foto: Benjamin Reif Philipp Plitzko (links) und Andreas Roth wurden innerhalb von zwei Wochen von Nebenerwer­bs-Schraubern zu Chefs von sieben Mitarbeite­rn.

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