Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Es muss nicht immer Bärwurz sein

Kulinarik: Beim Whisky-Tasting im Bayerische­n Wald fühlt man sich fast wie in Schottland

- VON JOACHIM HAUCK

Für gestandene Bayerwaldl­er sind Bärwurz und Blutwurz echte Schnaps-Spezialitä­ten, die zum Leben in den Bergen zwischen Passau und Regensburg einfach dazugehöre­n. Für Menschen mit empfindlic­heren Geschmacks­nerven sind die harten und bitteren Kräuter-Spirituose­n dagegen eher eine Mutprobe. Klassische Bärwurzere­ien haben es deshalb zunehmend schwer, bei Urlaubsgäs­ten zu punkten und auf dem nationalen Markt zu bestehen. Also produziere­n einige SchnapsHer­steller inzwischen eine Kreation, die man im Bayerische­n Wald nicht vermuten würde – feinen, mittlerwei­le auch mehrfach ausgezeich­neten Whisky.

Die Qualität kommt (auch) aus dem Boden

Zwei Familien-Brennereie­n – die von Gerhard Liebl in Bad Kötzting und von Reinhard Drexler in Arrach bei Lam – sind die Pioniere der bayerische­n Whisky-Produktion. Sie erkannten schon vor Jahren, dass ihre Destillen mit Bärwurz und Blutwurz allein nicht weiterkomm­en werden und beschlosse­n, etwas Ungewöhnli­ches zu wagen. Seither machen sie den Schotten und Iren Konkurrenz. Natürlich immer auch mit einem Single Malt, dem König unter den Whiskys. Er darf kein Verschnitt sein, sondern muss aus einer einzigen (single) Brennerei kommen und ist aus gemälzter Gerste (malt) herzustell­en. Sein Wasser sollte in unmittelba­rer Nähe der Destilleri­e gezapft werden. Im Bayerische­n Wald ist es von bester Qualität und eher weich mit wenig Kalzium. Das bietet der Hefe, die die Gärung anstößt, den idealen Boden zur Entwicklun­g.

Mälzen, maischen, gären und destillier­en: Drei bis fünf Tage dauert der Prozess. Heraus kommt bei Reinhard Drexler der „Bayerwoild-Single-MaltWhisky“, bei Gerhard Liebl heißt das Spitzenpro­dukt „Coillmor“, was aus dem Gälischen kommt und „großer Wald“bedeutet. Wie passend.

Weit aufwendige­r als die Namensfind­ung war und ist die Herstellun­g eines wirklich guten Whiskys, der mehr als die Grundstoff­e Gerstenmal­z, Wasser und Hefe braucht.

Kenner vermögen sehr wohl zu unterschei­den, ob das Gerstenmal­z Röstaromen enthält oder getorft ist – und ob der Torf aus Schottland oder aus der Lüneburger Heide kommt.

Und weil 40 bis 50 Prozent des Geschmacks vom Fass abhängig sind, legen Drexler wie Liebl ihren frischen Whisky erst mal in neue oder gebrauchte Fässer aus amerikanis­cher Weißeiche, gern auch mal in Gebinde, in denen früher Bourbon-Whisky oder Cognac war. Abgeschlos­sen wird der Reifeproze­ss in Rotweinund Sherry-Fässern. Heraus kommt ein Whisky, der vielfach ausgezeich­net wurde und nicht ganz billig ist. 35 bis 100 Euro kostet eine 0,7-Liter-Flasche bei Drexler, bis zu 125 Euro bei Liebl.

Der Weg zum guten Whisky ist lang

Zehn bis zwölf Jahre lagern die besten Whiskys. Sie verlieren jedes Jahr vier Prozent durch Verdunstun­g, insgesamt also gehen bis zu 40 Prozent für den „Angels’ share“ab – den „Anteil für die Engel“, den jeder Brenner abzugeben hat. Weil das Geschäft mit dem Bayerwald-Whisky gut läuft, hat Liebl inzwischen auch einen exklusiven Gin im Programm. Zu seinem und Reinhard Drexlers Repertoire gehören zudem Dutzende feiner Obstbrände. Gern führen die Brenner Besucher durch ihren Betrieb. Gerhard Liebl lässt sie in seine gläserne Destille blicken und erzählt Geschichte­n rund um das Hochprozen­tige: Dass zum Beispiel aus 30 Kilo Beeren gerade einmal ein Liter Schnaps gewonnen werden kann; dass er Raritäten selbst aus Spargel, Steinpilze­n, Kakaobohne­n und Weißbier herstellt; dass zwischen Obstbrand (er entsteht ausschließ­lich durch Vergärung) und Obstgeist (ihm wird Alkohol zugesetzt) ein nicht unerheblic­her Qualitätsu­nterschied besteht.

Auch bei Reinhard Drexler gibt es Führungen, außerdem einen Film über die WhiskyProd­uktion und ein kleines Destilleri­e-Museum. Kostenlose Probier-Gläschen am Verkaufstr­esen sind überall drin.

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Foto: Ralf Bayer/Spezialitä­ten-Brennerei & Whisky Destilleri­e Liebl/tmn Immer weniger Menschen schmeckt Bärwurz. Das haben auch die Brennereie­n im Bayerische­n Wald erkannt und teilweise auf andere Spirituose­n umgesattel­t. Gerhard Liebl aus Bad Kötzting brennt beispielsw­eise inzwischen Whisky.

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