Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Locker aus dem Handgelenk
Sie dient der Kommunikation, der Unterhaltung, der Orientierung und vor allem: der Selbstoptimierung. Wie sich die Apple Watch in fünf Jahren verändert hat – und ihre Besitzer gleich mit
Ein ganzes Büro am Handgelenk. Mit Telefon, Kalender, E-Mail. Ein persönlicher Fitnesstrainer, der jeden Schritt zählt und einen zu mehr Bewegung animiert. Ein Unterhaltungscenter mit Musik, Hörbüchern, Spielen und Nachrichten. Ein Begleiter auf allen Wegen, der stets weiß, wo man gerade ist und einem im Zweifel den Weg weist.
Seit fünf Jahren ist die Apple Watch auf dem Markt. Jedes Jahr brachte neue Funktionen und Detailverbesserungen am Design. Die Apple Watch wurde wasserfest und kann nun auch das Schwimmtraining aufzeichnen. Die dritte Generation führte 2017 Modelle ein, die sich mit eigener Mobilfunkverbindung unabhängig vom iPhone machten und erstmals mittels Sprachbefehlen bedient werden konnten. Die neueste Apple Watch, die Series 5, nimmt Voice Memos auf und besitzt ein Display, das dauerhaft angeschaltet bleibt.
Verändert hat sich aber nicht nur das Gerät, sondern auch die Selbstwahrnehmung seiner Träger. Mit der ersten Apple Watch am Arm war man noch ein Exot, der mitunter sogar angefeindet wurde. War man als Nutzer zu Beginn vor allem von Spielkram wie der gigantischen Auswahl an Zifferblättern fasziniert, integrierte man viele Funktionen mit der Zeit wie selbstverständlich in den Alltag.
Ein kurzer Blick auf eingehende E-Mails, das Überprüfen der Aktivitätsringe, die anzeigen, ob man sich den Tag über auch genug bewegt hat. Kaum ein anderes Gerät verkörpert so sehr den Hang zur lückenlosen Selbstvermessung und ständigen Erreichbarkeit.
Das iPhone hat unser Leben grundlegend verändert, doch erst die Apple Watch macht die Digitalisierung cool und lässig. Anrufe entgegennehmen, am Flughafen einchecken mit einer digitalen Bordkarte, die Lautstärke der AirPods regulieren, ein kurzer Blick auf das kommende Wetter – all das erledigt man jetzt im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Handgelenk.
installiert To-do-ListenApps, nimmt sich vor, täglich eine bestimmte Anzahl von Schritten zu tun, wählt die Treppe statt des Aufzugs und steigt nicht mehr aufs Fahrrad, ohne sich die zurückgelegten Kilometer gutschreiben zu lassen. Als Fitness-Coach, der einen höflich, aber bestimmt daran erinnert, dass man mal wieder ein paar Runden um den Block laufen könnte, macht sich die Apple Watch schnell unverzichtbar. Gerade den Gesundheitsaspekt hat Apple zuletzt immer weiter ausgebaut. Die neueste Generation überwacht nicht nur die Herzfrequenz, sondern kann sogar Vorhofflimmern erkennen.
Eine Smartwatch schrumpft die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik auf das absolute Minimum: die Hautoberfläche mit den direkt daran anliegenden Sensoren. Mit speziellen Apps wie „Calm“oder „Headspace“kann man sogar meditieren und sich während des Schlafs beobachten lassen. Der Kulturanthropologin Barbara Frischling zufolge werden mit den Fitness- und Selbstoptimierungs-Apps Normvorstellungen von einem „gesunden“und „richtigen“Leben durchgesetzt: Wie nutzt man Zeit effizient? Wie strukturiert man seinen Tag? Was soll man essen? Die von den Apps gesetzten Idealwerte selbst werden kaum noch hinterfragt.
Der Aufmerksamkeit gegenüber der eigenen Person und dem eigenen Körper steht der kommunikative Aspekt gegenüber. Er geht über die
Tatsache hinaus, dass man sich nun auch beim Joggen oder unter der Dusche über eingehende WhatsApp-Nachrichten oder neue Instagram-Posts informieren lassen kann. So kann man seine Aktivitätsringe mit Freunden, Familienmitgliedern und Kollegen teilen und darum wetteifern, wer sein Tagessoll schneller erfüllt. Dank des personalisierten Coachings weiß man, wie sehr man sich noch ins Zeug legen muss, um zu gewinnen. Albern? Vielleicht, aber wenn es einen zu mehr Bewegung bringt, ist es doch keine so schlechte Sache. Die CovidMan 19-Pandemie hat zudem schlagartig deutlich gemacht, dass es durchaus sicherheitsrelevant sein kann zu wissen, wann man sich wo aufgehalten hat und wem man dabei begegnet ist. Wenn es in absehbarer Zeit eine Corona-App gibt, könnte die Selbstüberwachung vom Spleen einiger weniger Technikfans endgültig zum Mainstream und Symbol verantwortungsbewussten Handelns werden. Und selbst Kritiker müssten zugeben, dass das kontaktlose Bezahlen über Apple Pay wichtigeren Zwecken dienen kann als der bloßen Bequemlichkeit. Gerade in der digitalen Brieftasche, der Wallet-App, schlummert ein gigantisches, noch nicht ansatzweise ausgeschöpftes Potenzial.
Das alles hat seinen Preis – und damit ist nicht nur der Kaufpreis gemeint. Die Apple Watch bindet einen alternativlos an die AppleWelt. Wer ein Android-Handy benutzt, kann damit nichts anfangen. Da es in der Natur einer Smartwatch liegt, Daten zu sammeln und zu analysieren, muss man bis zu einem gewissen Grad auch die Souveränität über die eigene Privatsphäre abgeben.
Wie die Stiftung Warentest feststellt, behalten sich die Datenschutzerklärungen so gut wie aller Hersteller das Recht vor, Informationen an Dritte weiterzugeben. Sonst würden Apps von anderen Anbietern auch nicht funktionieren. Zumindest werden, wie die Tester konstatieren, von der Apple-Watch im Unterschied zu vielen Konkurrenten keine unnötigen Daten erhoben. Die In-sich-Geschlossenheit der Apple-Welt erweist sich beim Datenschutz als Vorteil.
Bei alldem darf man nicht vergessen, dass die Apple Watch nur ein Instrument ist. Die individuelle Nutzung und damit vor allem die Frage, welche Apps man installiert, entscheidet darüber, in welchen Bereichen und wie stark man sein Leben davon bestimmen lässt. Die Möglichkeiten sind praktisch grenzenlos. Doch letztlich liegt es an einem selbst, welche man tatsächlich nutzen will.
Hat man sich den Tag über auch genug bewegt?
Praktische Hilfe bei Corona-Ausfällen
Gutschein oder Geld zurück? Das ist die Frage bei Angeboten, die aufgrund der Corona-Krise ausfallen müssen. Die Verbraucherzentralen geben mit einem gemeinsamen Online-Tool ab sofort Hilfestellung. Über das interaktive Web-Angebot „Corona-Vertrags-Check“(für die genaue Adresse am besten googeln) können Verbraucher eine rechtliche Ersteinschätzung zu ihren konkreten Fällen einholen.
In dem Tool kann man zwischen zahlreichen Themengebieten auswählen. Etwa: Ich habe Karten für eine Veranstaltung gekauft, die nicht stattfindet. Oder: Ich habe einen Kurs mit mehreren Terminen gebucht, ein Abo erworben oder eine Mitgliedschaft abgeschlossen und kann das Angebot nun nur eingeschränkt oder gar nicht nutzen. (dpa)